Kurioses und Bedeutsames in Klosterarchiven

In den Archiven der heimischen Klöster und Stifte ruhen noch zahlreiche unentdeckte Kulturschätze. Von Zeit zu Zeit kommt so manch wissenschaftlich Bedeutendes, aber auch Kurioses zum Vorschein.

Dank der Arbeit der Ordenshistoriker und -archivare finden manche dieser wertvollen Unikate mitunter zurück ans Licht der Öffentlichkeit, berichteten die „OrdensNachrichten“, das offizielle Magazin der heimischen Ordensgemeinschaften in ihrer aktuellen Ausgabe. Dort präsentierten sie einige dieser kürzlich zugänglich gemachten Funde:

Erotisches aus der Melker Stiftsbibliothek, die „Königin Europa“ aus dem Dominikanerkloster Retz, „Lügende Steine“ im Stift Göttweig oder „Das Abbild der Welt“ im Stift Neukloster in Wiener Neustadt.

Eine Darstellung der "Königin Europa" aus dem frühen 16. Jahrhundert

APA/Museum Retz

Die im frühen 16. entstandene Darstellung der „Königin Europa“

Königin Europa im Dominikanerkloster

Die Göttin Europa habe einige Male eine Geschlechtsumwandlung durchlaufen, so das Magazin. In der Antike wurde Europa auf Fresken und in Vasenmalerei noch als Frau dargestellt, die eine kurze Affäre mit Göttervater Zeus in Form eines Stieres hatte. Im Mittelalter galt Europa als männlich.

Dann fand die Kulturwissenschaftlerin Celine Wawruschka von der Donau-Universität Krems im Museum Retz einen frühneuzeitlichen Holzschnitt, der eine kleine wissenschaftliche Sensation war: Es handelt sich angeblich um die älteste bekannte Darstellung des europäischen Kontinents in Form einer jungen Frau: der Europa Regina. Spanien stellt den Kopf der Königin dar, Italien den Arm, Sizilien den Reichsapfel, Österreich und Böhmen liegen in der Körpermitte.

Jammern über Europa gehört zur Tradition

Geschaffen hat diese Karte Johannes Putsch (1516-1542) im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts - und zwar als dezente Erinnerung für die Habsburgerkaiser Karl V. und Ferdinand I., sie mögen gefälligst etwas gegen die Türken unternehmen, um die holde Jungfrau Europa zu (be-)schützen, so die „OrdensNachrichten“.

„Wird also heute über Europa lamentiert, so könnte man dies als Ausdruck ureuropäischer Identität und Tradition auslegen, wie die Königin aus dem Stadtmuseum Retz nahelegt“, so Wawruschka. Das Kunstwerk wurde 1838 vom Dominikanerkloster Retz dem kurz zuvor gegründeten Museum Retz zur Eröffnung gespendet.

Stift Göttweig

ORF/Milenko Badzic

Im Stift Göttweig fiel man im 16. Jahrhundert auf gefälschte Fossilien herein

„Lügende Steine“ im Stift Göttweig

Als einen der bedeutendsten naturwissenschaftlichen Fälschungsskandale des 18. Jahrhunderts bezeichnet das Ordensmagazin den folgenden Fall: Am 31. Mai 1725 brachten drei Jugendliche mehrere Steine zum angesehenen Würzburger Arzt und Universitätsprofessor Johann Beringer (1667-1738). Die Steine sahen aus wie fossile Versteinerungen von kleineren Tieren und Pflanzen, und angeblich hatten die Kinder sie an einem in der Nähe gelegenen Weinberg gefunden.

Beringer veranlasste weitere Grabungen und als man weitere „Figurensteine“ fand, erwarb er diese um 300 Reichstaler. In Würzburg verursachte der vermeintlich sensationelle Fund großes Aufsehen und zog weite Kreise - auch bis ins Stift Göttweig.

Abt auf der Suche nach Kuriosem

Der damalige Abt Gottfried Bessel (1714-49) war immer auf der Suche nach kuriosen Objekten für sein Kunst- und Naturalienkabinett. Aus Briefen geht hervor, dass sieben Steine sowie neun Kupferstichdarstellungen ins Stift Göttweig gelangten; leider gingen sie im Laufe der Jahrhunderte verloren.

Eine Krippe aus Korallen, Perlmutt und Elfenbein

APA/Stift NKL/IKR/Stefan Olah/Regina Friedl

Eine Krippendarstellung aus Korallen, Perlmutt und Elfenbein befindet sich im Stift Neukloster

Die Steine wurden jedenfalls bald als Fälschung erkannt und gingen als „Würzburger Lügensteine“ in die Geschichte ein. Johann Beringer wurde eine Zeitlang selbst als Fälscher verdächtig. Auch wenn er unschuldig war, sein wissenschaftlicher Ruf war ruiniert.

Kuriose Kunstschätze in Neukloster

Die Kunstsammlung im Stift Neukloster in Wiener Neustadt umfasste früher ca. 4.700 Einzelstücke, davon u.a. 200 Gemälde und 3.500 Steine und Muscheln, schreiben die „OrdensNachrichten“. Der Großteil war demnach in der Barockzeit zusammengetragen worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Sammlung in kleinerem Umfang zu sehen, danach verschwand sie für mehr als 30 Jahre im Depot. Seit Anfang Mai 2017 sind die Sammlungen der Kunst- und Wunderkammer im Stift Neukloster wieder zugänglich.

Die Kunstschätze und Kuriositäten wurden vom Institut für Konservierung und Restaurierung an der Universität für Angewandte Kunst Wien restauriert und sind jetzt wieder ausgestellt: Unter anderem eine Korallenkrippe, eine Mumienhand, zwei Käferbilder und eine „versteinerte“ Semmel. „Die Sammlung ist fester Bestandteil der Geschichte des Stiftes und damit von Wiener Neustadt“, betonte Pater Walter Ludwig, ehemaliger Prior des Stifts Neukloster und Leiter der Kunst- und Wunderkammer. Den überwiegenden Teil der Arbeiten finanzierte das Stift Heiligenkreuz, zusätzliche Hilfe kam vom Land Niederösterreich.

Erotiktext im Stift

Anfang des Jahres 2019 wurde in der Bibliothek des Benediktinerstifts Melk ein erotisches Gedicht aus dem Mittelalter entdeckt. Der schmale, unscheinbar wirkende Pergamentstreifen mit wenigen Buchstaben pro Zeile ist die bisher älteste Niederschrift des „Rosendorns“, in dem eine Jungfrau mit ihrem Geschlechtsteil über Männer diskutiert. Das Gedicht kannte man bisher nur aus zwei jüngeren Versionen, so die „OrdensNachrichten“.

Das schmale Fragment eines Sexgedichts aus dem 13. Jahrhundert, das in der Melker Klosterbibliothek gefunden wurde.

APA/Stift Melk

Fragment des „Rosendorns“ um 1300

Christine Glaßner vom Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die das Fragment bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit zu Handschriften des Mittelalters entdeckt hatte, datierte den Text um das Jahr 1300.

Fund in Klosterbibliothek „interessant“

Bisher hatte man angenommen, dass ein solch freier Umgang mit der eigenen Sexualität im deutschsprachigen Raum erst zum Ende des Mittelalters aufgekommen ist, also etwa in der städtischen Kultur des 15. Jahrhunderts. Der Melker Fund revidiert damit die bisherige Forschung. „Das macht deutlich, dass man schon viel früher so frei mit Sexualität umgegangen ist und nicht erst zum Ende des Mittelalters“, so Glaßner in den „OrdensNachrichten“.

Das Melker Fragment stammt ursprünglich von einem vollständigen Blatt, das zerschnitten wurde und dann als Falzstreifen für den Einband eines lateinischen Werks verwendet wurde. „Natürlich ist es interessant, dass so ein Text in einer Klosterbibliothek gefunden wurde“, so Glaßner: „Vielleicht hat man den Text unpassend für ein Stift gefunden und ihn deshalb zerschnitten, aber das können wir nur mutmaßen. Denn andererseits war das eine gängige Methode, um wertvolles Pergament wieder zu verwerten.“

religion.ORF.at/KAP

Mehr dazu:

Links: