„Die zwei Päpste“: Duell der alten Männer

„Die zwei Päpste“ des brasilianischen Regisseurs Fernando Meirelles hat alles, was ein Papst-Film braucht: kluge Sprachduelle, liebevolle Ausstattung, neben Pathos und Zeitgeschichte auch ein paar Witze - und vor allem zwei überragende Schauspieler in den Titelrollen.

Anthony Hopkins und Jonathan Pryce sind wohl für jeden Film eine Bank. Als Papst Benedikt XVI. (Hopkins) und Jorge Bergoglio, später Papst Franziskus (Pryce), sind sie perfekt gecastet. Gleich der Einstieg beweist, dass es auch eine gute Idee war, das Drehbuch in die Hände des Autors der Buchvorlage, Anthony McCarten („Superhero“ „Bohemian Rhapsody“), zu legen: Man sieht, wie schwierig es für einen Papst ist, ein Flugticket zu buchen. Die Dame am Telefon fühlt sich verschaukelt, wenn ein „Jorge Bergoglio“ ein Ticket nach „Vatican City“ ordert, und legt auf. Der Witz wird später wieder aufgenommen.

Filmstill aus "Die zwei Päpste"

APA/Netflix via AP/Peter Mountain

Glänzen als „Die zwei Päpste“: Anthony Hopkins (l.) und Jonathan Pryce

Pointierte Dialoge und ein solider Handlungsbogen geben der Geschichte, die schließlich hauptsächlich aus Dialogen zwischen zwei alten Männern besteht, Schwung und Halt. Die dritte Hauptrolle, so könnte man sagen, spielt die Sixtinische Kapelle: Sie ist nicht nur Schauplatz eines von mehreren Gesprächen zwischen den „beiden Päpsten“, Ausschnitte aus ihren Fresken dienen auch der Untermauerung von Argumenten und Ansichten.

„Dancing Queen“ in der Sixtina

Und sie ist natürlich auch Austragungsort der spannendsten Abstimmung, die die katholische Kirche zu bieten hat, des Konklaves. Zwei davon wird man im Lauf des Films sehen, ihr Ausgang ist nicht überraschend. Aber die Musik, die Meirelles („City of God“, „The Constant Gardener“) dem Defilee der Kardinäle unterlegt, ist es durchaus: Die Purpurträger ziehen zu den Klängen von ABBAs „Dancing Queen“ ein. Kurz vor der Wahl hat der Kardinalerzbischof von Buenos Aires es seinem Mitbewerber Kardinal Joseph Ratzinger beim Händewaschen vorgepfiffen: auf dem Klo.

Sendungshinweis

Der Film ist auch Thema in der Ö1-Sendung „Lebenskunst“, Sonntag, 8.12.2019, 7.55 Uhr

Diese und andere Szenen wirken natürlich komisch, doch absolut nicht unpassend - dass auch Päpste, Priester Menschen sind, ist schließlich die Hauptbotschaft von „The Two Popes“. Zur Handlung: Jahre nach der Wahl Ratzingers zum Papst ist Erzbischof Bergoglio - er hatte die zweitmeisten Stimmen bekommen - amtsmüde und reicht per Brief seinen Rücktritt ein. Benedikt XVI. bittet ihn zu sich, zunächst in die päpstliche Sommerresidenz Castel Gandolfo.

Filmstill aus "Die zwei Päpste"

APA/Netflix via AP/Peter Mountain

Konklave: Das Defilee der Kardinäle als „Dancing Queens“

Ein von Pausen unterbrochener mehrtägiger Dialog folgt und verlagert sich nach Rom. Etwas in dieser Art gab es mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit nie, was aber höchstens ein paar eingefleischte Vaticanisti stören dürfte. Gelegentlich gerät der Dialog zum Sprachduell, so verschieden sind die Ansichten.

Knödel vs. Tango

Die Begegnung zwischen den zwei so unähnlichen alten Männern bezieht ihre Dynamik aus genau diesen Gegensätzen, und hier wird kaum ein deutsch-argentinisches Klischee ausgelassen. So starrt Bergoglio, der als Gast alleine zu Abend essen muss, betrübt in die Suppenschüssel: Ratzinger leistet ihm zwar keine Gesellschaft, die bayrischen Knödel „mit Sauce“ (es sieht allerdings eher nach Rindsuppe aus) mutet er seinem Gast dennoch zu.

Filmhinweis

„Die zwei Päpste“, Filmstart am Freitag, 6. Dezember in österreichischen Kinos und danach auf Netflix

Hopkins gibt Benedikt XVI. als steifen, herrischen Deutschen, der nur beim Vortragen klassischen Liedguts und bei seiner Lieblingsserie („Kommissar Rex“) ein wenig auftaut, mit verkniffenem Charme. Pryce verkörpert Bergoglio als sanguinischen, mitfühlenden Südamerikaner, der für Fußball schwärmt und gern in unpassenden Momenten einen Tango aufs Parkett legt - das ist dick aufgetragen. Man verzeiht es aber gern, denn am Ende stellt sich heraus, wer von den beiden der eigentliche Revolutionär ist.

Bergoglio will nicht

Auch Schuhvergleiche fehlen nicht - gerne schlüpft Hopkins’ Benedikt XVI. in die vorgeschriebenen roten Prada-Slipper. Franziskus hat sie bekanntlich als Papst abgelehnt. Mehrmals sieht man seine schlichten, abgetragenen schwarzen Treter in Großaufnahme.

Filmstill aus "Die zwei Päpste"

APA/Netflix via AP/Peter Mountain

Beim Vortragen klassischen Liedguts taut Benedikt XVI. ein wenig auf

Ein weiteres Klischee entschärft das Drehbuch gleich selbst: das vom zaudernden Bischof, der das Papstamt auf keinen Fall will. Plato wird zitiert: „Die wichtigste Qualifikation für jeden Anführer ist, dass er es nicht sein will.“ Und Bergoglio will ganz und gar nicht. Er bekennt gegenüber Benedikt XVI. in einer Art Lebensbeichte die Fehler, die er während der Militärdiktatur in Argentinien machte - „Sie sind nur ein Mensch“, beruhigt Ratzinger ihn. Die wohl notwendigen Rückblicke in Bergoglios Vergangenheit, darunter auch eine verhinderte Liebesgeschichte, können mit dem charismatischen Kammerspiel von Pryce und Hopkins nicht mithalten.

Die Bombe platzt auf Latein

Schießlich lässt Benedikt XVI. seine Bombe platzen: Der Ex-Rivale soll sein Nachfolger werden, denn er will - wie nur ein einziger Papst vor ihm - in den Ruhestand gehen. Diese Szene ist so raffiniert angelegt, dass man tatsächlich irgendwie überrascht ist. Das Zaudern Bergoglios („Nein, nein, nein ...“) spielt Pryce gerade so einen Hauch unglaubwürdig, wie man es jemandem wie Bergoglio eben noch zutraut.

Es kommt, wie es kommen muss: Der Bischof von Buenos Aires wird Papst, Ratzinger geht in den Ruhestand. Das verkündet er vor der Kurie in seiner Lieblingssprache Latein - wenn er diese für Ankündigungen verwende, seien nur 20 Prozent der Anwesenden sauer auf ihn, denn der Rest höre eh nicht zu, verrät er verschmitzt. Am Schluss kommt der Film der Bromance doch noch recht nahe, wenn der Argentinier den Bayern zum Tänzchen bittet. „Die zwei Päpste“ ist sehr gutes Unterhaltungskino, das alles richtig macht.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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