Missbrauch: Neue Regeln für Priesterausbildung

Der Skandal des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche lenkt den Blick auf die Frage der Prävention und damit auch auf die Priesterausbildung.

In Österreich, wo die Bischofskonferenz 2010 unter anderem mit einer eigenen Rahmenordnung („Die Wahrheit wird euch frei machen“, überarbeitet 2016) auf den Skandal reagiert hat, wird derzeit außerdem an einer Neuregelung der Priesterausbildung gearbeitet.

Diese Neuregelung, die auf einer Novelle der vatikanischen Vorgaben („Ratio fundamentalis“) basiert, wird voraussichtlich heuer erfolgen. Das teilte der Regens des Wiener Priesterseminar, Richard Tatzreiter, bei einem Vortrag am Montagabend in Wien mit. Weiters sagte Tatzreiter, dass ein „klares Priesterbild“ und „starke und reife Persönlichkeiten“ der beste Schutz gegen Missbrauch seien.

Ringvorlesung an der Uni Wien

Tatzreiter äußerte sich im Rahmen der Ringvorlesung „Sexueller Missbrauch von Minderjährigen: Verbrechen und Verantwortung“, die im aktuellen Wintersemester an der Universität Wien stattfindet und von der Katholisch-Theologischen Fakultät initiiert wurde.

Referenten der Ringvorlesung waren bisher unter anderen die deutschen Ordensmänner Klaus Mertes Hans Zollner Andreas Batlogg und Ansgar Wucherpfennig, Kardinal Christoph Schönborn, der Theologe Wolfgang Treitler sowie die Religionspädagogin Andrea Lehner-Hartmann und die Missbrauchsexpertin Mary Hallay-Witte. Die Ringvorlesung endet mit einem Abschlusspanel am 27. Jänner.

Regeln für Priesterausbildung umsetzen

Die neuen vatikanischen Vorgaben, in denen deutlich stärker als bisher auf die Persönlichkeitsentwicklung, auf lebenslanges Lernen und auf die Vermeidung jeder Form von „Klerikalismus, Karrierismus und anderer Zerrformen priesterlicher Identität“ geachtet werde, zeigten, dass die Kirche durchaus in der Lage sei, aus Krisen und Skandalen zu lernen; gleichwohl dränge die Zeit, diese Regeln nun in eine neue „Ratio nationalis“, also in nationale Regeln für die Priesterausbildung umzusetzen.

Seit 2017 arbeite eine Kommission unter Leitung des zuständigen Weihbischofs Anton Leichtfried an dieser Neuregelung, „die eine Grundlage darstellen kann, das Übel des Missbrauchs wirksam zu bekämpfen“, so Tatzreiter. „Erste Aufgabe“ einer neuen, modernisierten Priesterausbildung sei es, „ausnahmslos dafür zu sorgen, dass nur menschlich gereifte und geistlich gut verwurzelte und bewährte Männer“ zum Priesteramt zugelassen werden.

Strenge Auswahl trotz Priestermangels

Wichtig sei daher sowohl die Ausarbeitung eines klaren Priesterbildes, d.h. einer klaren Beschreibung dessen, was der Beruf des Priesters heute bedeutet und was von ihm erwartet wird, als auch eine trotz Bewerbermangels weiterhin strenge Auswahl der Kandidaten. „Sich selbst als Person gründlich zu kennen und anzunehmen, auch die eigene sexuelle Orientierung zu kennen“, sei eine „fundamentale Voraussetzung“, um verantwortungsvoll den Dienst des Priesters zu übernehmen.

Ein unklares Priesterbild hingegen ziehe „schwache Persönlichkeiten“ ohne ausreichende innere Stabilität, „Ja-Sager, die nicht selten wehleidig sind, sich nicht mit sich und anderen auseinandersetzen, die sich Korrekturen verweigern und narzisstisch unterwegs sind“ an. Solche Personen stünden in Folge in der Gefahr, „in kirchliche Sonderwelten abzudriften, ein Doppelleben zu führen“ und schließlich auch für Formen des Missbrauchs anfällig zu werden.

Gefahrengruppen benannt

Tatzreiter ortete auch mögliche Gefahrengruppen - dazu gehörten dem Regens zufolge etwa Menschen ohne berufliche Alternativen, Personen, die mit übersteigerter Selbstsicherheit aufträten, die von Beginn an Sonderwünsche in der Ausbildung anmeldeten, die „ständig auf den eigenen Vorteil bedacht sind und denen äußere Formen wie Rolle und Position wichtig sind“, die aufgrund starker Bekehrungserlebnisse einen „inneren Zwang zum Priesteramt“ verspürten oder jene, die über keine ausreichende religiöse Sozialisierung verfügten. Bei Bewerbern aus diesen Personengruppen schrillten bei ihm als zuständigem Regens immer die Alarmglocken, so Tatzreiter.

Zugleich verwies der Regens darauf, dass sowohl das Auswahlverfahren als auch das Curriculum zur Priesteramtsausbildung sehr komplex sei und bereits heute zahlreiche Elemente enthalte, die der Missbrauchsprävention dienten und durch die verhindert werden solle, dass „unreife Persönlichkeiten“ zu Priestern geweiht werden.

Darin unterscheide sich das in Österreich bewährte System der etablierten Priesterseminare als Ausbildungsstätten von jenen freien Ausbildungsstätten, „die das, was ich über die Problematik mit schwachen Persönlichkeiten und unreifen Identitäten gesagt habe, teilweise bewusst fördern“ und so die Maßnahmen zur Missbrauchsprävention bei Priestern gar konterkarierten. Einen hundertprozentigen Schutz vor Missbrauch werde es zwar auch künftig nicht geben, räumte Tatzreiter ein, aber in Österreich sei man im Blick auf eine Modernisierung der Priesterausbildung in den Seminaren auf einem guten Weg.

Derzeit rund 150 Priesteramtskandidaten

In der katholischen Kirche in Österreich gibt es aktuell knapp 150 Priesteramtskandidaten, die sich im Studienjahr 2019/2020 in den Seminaren der Diözesen, im Missionskolleg Redemptoris Mater und dem überdiözesanen Priesterseminar Leopoldinum Heiligenkreuz ausbilden lassen.

Bei 81 Kandidaten handelt es sich um Seminaristen in den diözesanen Priesterseminaren, davon 15 Neueintritte und sieben Seminaristen im Propädeutikum, dem Einführungsjahr für neu eingetretene Priesterkandidaten. Dazu kommen noch 26 Seminaristen im Missionskolleg Redemptoris Mater, 35 Seminaristen aus dem überdiözesanen Priesterseminar Leopoldinum Heiligenkreuz und einen Priesterseminaristen in der Südtiroler Diözese Bozen-Brixen.

Meiste Neueintritte in Heiligenkreuz

Die meisten Neueintritte gab es im überdiözesanen Priesterseminar Leopoldinum Heiligenkreuz, dort zählte man acht neue Priesteramtskandidaten. In der Erzdiözese Wien traten insgesamt sieben Männer in das Seminar ein - davon zwei im Missionskolleg Redemptoris Mater.

In der Diözese St. Pölten und der Erzdiözese Salzburg gab es je zwei Neueintritte; in den Diözesen Eisenstadt, Linz, Graz-Seckau und Gurk je einen. Damit liegt die Zahl der Priesteramtskandidaten leicht hinter dem Studienjahr 2017/2018, in dem es österreichweit in den diözesanen Priesterausbildungsstätten 124 Seminaristen und 41 Seminaristen im Leopoldinum gab. Insgesamt leben und wirken in Österreich derzeit an die 3.800 katholische Priester.

religion.ORF.at/KAP

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