Theologe: Benedikt XVI. „forciert Kirchenspaltung“

Die Aufregung über das neue Buch von Kardinal Robert Sarah zum Zölibat und die Beteiligung des emeritierten Papstes Benedikt XVI. daran verdeutlicht laut den Theologen Jan-Heiner Tück und Gregor-Maria Hoff, dass es im Vatikan ein „Zweipäpsteproblem“ gibt.

Der Salzburger Fundamentaltheologe Hoff thematisierte dies in der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ und der Wiener Dogmatiker Tück in der „Neue Zürcher Zeitung“. Beide unterstreichen die Dringlichkeit, das Problem eines „päpstlichen Schattenmanns“ zu lösen.

„Der Vatikan hat ein Problem“, schreibt etwa Hoff in der „Zeit“ und dieses Problem habe bereits mit der Titelwahl Benedikts nach dessen Rücktritt begonnen: Papa emeritus. Dazu Hoff: „Wer emeritiert ist, verliert ja Entscheidungskompetenzen, darf aber weiter lehren. Der Theologenpapst verhält sich seither wie ein emeritierter deutscher Professor: Er entscheidet nicht mehr, aber fühlt sich für die Lehre weiter zuständig.“ Dabei gerate diese seine Lehre zugleich „immer wieder in Kontrast zu der Reformagenda von Papst Franziskus“ - was wiederum die Anhänger Benedikts ausnützen würden, so Hoff.

Zwei Männer in Weiß

Zum Skandal gereiche das Nebeneinander der beiden „weiß gewandeten Männer im Vatikan“ auch dadurch, dass Benedikt zwar „kindlichen Gehorsam“ gegenüber Franziskus versprochen habe, durch seine Wortmeldungen aber genau daran immer wieder Zweifel nähre: „Benedikt XVI. warnt vor der Kirchenspaltung, aber er forciert sie, wenn er an Franziskus appelliert, in Sachen Zölibat nichts zu ändern.“ Von Vertrauen in seinen Nachfolger „und damit auch von Vertrauen in die vom Heiligen Geist bestimmte Wahl von Franziskus zeugt das nicht“, so Hoff abschließend.

Ähnlich die Einschätzung des Wiener Dogmatikers Jan-Heiner Tück in der „Neuen Zürcher Zeitung“: Es werde durch die aktuelle Causa jenes Problem mehr als deutlich, "dass Benedikt nach seiner Abdankung nicht einfach den Status eines emeritierten Bischofs angenommen hat, sondern sowohl im Titel als auch in der Kleidung „papale Insignien“ beibehalten habe. „Das Konstrukt eines emeritierten Papstes aber befördert es, dass seinen Wortmeldungen in der Öffentlichkeit eine außergewöhnliche Diskursmacht zukommt, die die Entscheidungsprozesse des amtierenden Papstes nicht unbeeinflusst lässt. Diese Diskursmacht ist institutionell nicht geregelt, sie kann dazu genutzt werden, den Handlungsspielraum von Franziskus einzuengen“, schreibt Tück.

„Alter Papst“ kam Franziskus zuvor

Problematisch sehen sowohl Tück als auch Hoff außerdem den Zeitpunkt der Wortmeldung Benedikts, fällt dieser doch in jene pikante Phase des Wartens auf das nachsynodale Schreiben zur jüngsten Amazonien-Synode - ein Schreiben, in dem u.a. Aussagen von Papst Franziskus zur Frage der zumindest regional beschränkten Aufweichung der Zölibatspflicht in pastoralen Notsituationen erwartet werden.

Mit seiner Wortmeldung habe nun aber „der alte Papst gesprochen, bevor der amtierende sprechen konnte“, so Hoff. Und Tück dazu ergänzend: „Für Franziskus wird es jedenfalls schwieriger, gegen das Votum seines Vorgängers Ausnahmen vom Zölibatsgesetz zuzulassen.“ - Nachsatz Tück: „Ob er es will, ist ungewiss. Zu wünschen wäre es.“

religion.ORF.at/KAP

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