Kardinal und Krisenmanager: Schönborn ist 75

Österreichs höchstrangiger katholischer Geistliche, Kardinal Christoph Schönborn, erreicht das kirchliche Pensionsalter: Der Wiener Erzbischof wird am Mittwoch 75 Jahre alt.

Erzbischof wird Schönborn, der sich in den vergangenen Jahren einen Ruf als Krisenmanager erarbeitet hat, auch bleiben. Seine Amtszeit wurde am Dienstag vom Vatikan auf unbestimmte Zeit verlängert. Er gilt als eine der gefragtesten theologischen Stimmen in der Weltkirche, in Kirchenkreisen schätzt man seine weltoffene Art.

Der Dominikaner stammt aus adeligem Haus, dessen Stammbaum mit mehr als einem Dutzend Bischöfen und Kardinälen aufwarten kann. Bemerkenswert war vor einem Jahr ein offenes Gespräch mit einer ehemaligen Ordensfrau über Missbrauch in der Kirche.

Van der Bellen lud zu Geburtstagsessen

Anlässlich dessen 75. Geburtstags lud Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Wiener Erzbischof am Montag zu einem Mittagessen in die Hofburg ein. Schönborn sei ein „hochgeachteter erster Ansprechpartner“, der immer „den ausgleichenden Dialog und ein wertschätzendes Miteinander“ suche, würdigte Van der Bellen ihn in einer Aussendung.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Kardinal Christoph Schönborn

HBF/Lechner

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Kardinal Christoph Schönborn anlässlich eines Mittagessens zum 75er

Zeitweise nicht gebetet

Im Leben Schönborns gab es auch eine der Religion gegenüber kritische Phase. Als „Wendejahr in der Gesellschaft und in der Kirche“ habe er das Jahr 1964 erlebt - „das Jahr der Pille und das Jahr, in dem das Konzil, das wir mit Begeisterung verfolgt haben, in seine Krise geraten ist“, so Schönborn in einem Interview für die Kirchenzeitung „Der Sonntag“.

Die Infragestellung basaler Glaubenssätze wie jenes von der Gottessohnschaft Jesu bis hin zur Auferstehung habe in ihm und in vielen anderen „eine existenzielle Krise ausgelöst“, in deren Folge er sogar zeitweise mit dem Beten aufgehört habe, bekannte der Kardinal.

Sendungshinweise

1967 marschierte Schönborn als Mitglied einer Karl-Marx-affinen Studentengruppe bei Protesten gegen Polizeigewalt, die autoritäre alte Ordnung und ihre Vertreter, gegen Militarismus und Imperialismus im deutschen Düsseldorf mit. In der Ö1-Sendung Lebenskunst am Sonntag begründete Schönborn sein Nichtbeten damit, dass die Studentenbewegungen „ansteckend“ gewesen seien und ihm - wie vielen - alles hohl vorgekommen sei:

Erst über die Begegnung mit französischen Dominikanern und seinem Studium in Frankreich, der Begegnung mit Thomas von Aquin, von Balthasar, Congar und Joseph Ratzinger habe ihn eine „innere Festigkeit“ im Glauben wiederfinden lassen - eine „Konsolidierung“, in deren Folge er seine Liebe zur Orthodoxie (Rechtgläubigkeit) entdeckt habe. Die kirchliche Lehre, das Dogma, begriff er in Folge „nicht als Verengung, sondern als ein Fenster, das sich auf ein weites Land öffnet“. Im Übrigen sei sein Eintreten für „pastorale Öffnungen“ vor diesem Hintergrund „immer in Treue zur Lehre der Kirche“ zu verstehen, ergänzte der Erzbischof gegenüber dem „Sonntag“.

Möglicher Papst-Kandidat

Bereits 2005, nach dem Tod von Johannes Paul II., und auch bei der letzten Papst-Wahl 2013 galt Schönborn als möglicher Papst-Kandidat. Er ist nicht nur einer der profiliertesten Fürsprecher des interreligiösen Dialogs, er hat sich auch die innere Erneuerung des Katholizismus auf seine Fahnen geschrieben. Diesbezüglich prägend für den mit 18 Jahren in ein westfälisches Kloster eingetretenen Bettelorden der Dominikaner erwies sich der französische Theologe Yves Congar.

Dieser machte Schönborn während seines - mit Auszeichnung abgeschlossenen - Doktoratsstudiums in Paris mit französischen Erneuerungsbewegungen bekannt, die nach einem neuen Platz für die Kirche in einer säkularen Welt suchten.

Erneuerung durch Orthodoxie

Der Sohn einer alleinerziehenden Mutter hat seine Begeisterung für Erneuerungsbewegungen wie das „Neokatechumenat“ bis heute nicht verloren. Beobachter sehen darin die Strategie, die katholische Kirche auf einen „gesunden harten Kern“ tief Gläubiger zu konzentrieren, statt die große Masse von „Taufscheinchristen“ mit Konzessionen an den „Zeitgeist“ bei der Stange zu halten.

In diesem Licht ist auch die Sympathie Schönborns für das orthodoxe Judentum zu sehen. So bezeichnete er es als „lebenswichtig“ für die Zukunft der Kirche, die Bibel „im Lichte ihrer jüdischen Auslegung“ zu studieren. Bei einer Jerusalem-Reise der österreichischen Bischöfe, aber auch bei anderen Anlässen fand Schönborn immer wieder deutliche Worte zum Holocaust, was ihm Lob vonseiten der jüdischen Gemeinde einbrachte.

Israelitische Kultusgemeinde gratuliert

Auch die Israelitische Kultusgemeinde Wien gratulierte Schönborn zum Geburtstag und bedankte sich für die fruchtbare und verständnisvolle Zusammenarbeit. „Im Namen der gesamten jüdischen Gemeinde gratuliere ich Christoph Kardinal Schönborn ganz herzlich zu seinem 75. Geburtstag und wünsche ihm, dass er diesen besonderen Tag in Freude und Wohlbefinden verbringen kann“, so die Glückwünsche des Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch. Kardinal Schönborn habe über viele Jahre einen unschätzbaren Beitrag zum Dialog der Religionen geleistet.

Dialog mit dem Islam

Aber auch im Dialog mit dem Islam betätigte sich Schönborn. Als erster Kardinal traf er 2001 mit der religiösen und weltlichen Führung des Iran zusammen. Nach den Terrorattacken gegen die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ 2015 kritisierte er die seiner Meinung nach „verächtlich machenden und vulgären Karikaturen“ darin.

Weniger ins Bild passten seine Worte zu einem „dritten islamischen Versuch der Eroberung Europas“. Nach heftigen Reaktionen und mit Verweis auf den „Missionsauftrag des Islam“ sprach er von einem „Missverständnis“.

Freundlich im Ton, unnachgiebig in der Sache

In gesellschaftspolitischen Bereichen zieht der Wiener Erzbischof die Vatikan-Linie mit, zum Beispiel bei der Ablehnung von Abtreibungen. Kirchenkritikern, die etwa die Abschaffung des Pflichtzölibats und die Priesterweihe für Frauen fordern, begegnet Schönborn zwar freundlich im Ton aber unnachgiebig in der Sache.

Den Wechsel von Papst Benedikt XVI. zum liberaleren Kurs von Papst Franziskus vollzog Schönborn ebenfalls mit: Im Rahmen der Familiensynode des Vatikans äußerte sich Schönborn überraschend offen zu homosexuellen Partnerschaften.

Gute Verbindungen in den Vatikan

Gute Verbindungen hat der am 22. Jänner 1945 im böhmischen Skalsko geborene Schönborn in den Vatikan. Beobachter sagen ihm ein Naheverhältnis zu Benedikt XVI. seit dessen Jahren als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation nach. Anfang der 1970er-Jahre absolvierte Schönborn ein Studienjahr bei ihm an der Universität Regensburg.

1981 berief Joseph Ratzinger Schönborn, der Französisch, Spanisch, Englisch und Italienisch spricht, in die internationale Theologenkommission des Vatikans und machte ihn zum Redakteur des Weltkatechismus (1992), der die Glaubenslehre der katholischen Kirche festschreibt.

Kardinal Christoph Schönborn

APA/Herbert Neubauer

Kardinal Christoph Schönborn bleibt auf unbestimmte Zeit auch nach seinem 75. Geburtstag Erzbischof von Wien

Den österreichischen Katholiken ist Schönborn vor allem als Krisenmanager bekannt. Seit 1991 Wiener Weihbischof, verdankte er seinen größten Karrieresprung der schwersten Kirchenkrise Österreichs. Nachdem sein Vorgänger Hans Hermann Groer wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs von Zöglingen abtreten musste, wurde Schönborn im September 1995 Wiener Erzbischof.

In diese Zeit fiel auch der ihm nahegelegte Rücktritt des St. Pöltener Bischofs Kurt Krenn. Im Herbst 2004 wurden Sexaffären und Downloads von kinderpornografischen Fotos im dortigen Priesterseminar bekannt, die Krenn als „Bubendummheiten“ abgetan hatte.

Wenig Privates bekannt

Sein Privatleben hält Schönborn streng unter Verschluss. Der Kardinal wurde im Sudetenland geboren, wuchs aber nach der Vertreibung der Deutschen aus der damaligen Tschechoslowakei 1945/46 in Schruns in Vorarlberg auf. Er ist laut APA ein leidenschaftlicher Jasser (Jass ist ein Kartenspiel) Sein Bruder ist der Schauspieler Michael Schönborn. Bekannt wurden zuletzt gesundheitliche Probleme des Wiener Erzbischofs. Nach einer - erfolgreichen - Krebsoperation zog er sich einen Lungeninfarkt zu, von dem er sich derzeit noch erholt.

Seine theologische Selbsteinschätzung fällt bescheiden aus: „So etwas wie ein theologisches Erbe hinterlasse ich nicht“, so Schönborn dem Geburtstags-Interview für die den „Sonntag“. Auf das Ende seiner Amtszeit gehe er „mit dem Gefühl der Dankbarkeit“ zu. „Ich glaube, ich bin ein glücklicher Mensch. Aber ich weiß: Das eigentliche Glück steht noch aus.“

religion.ORF.at/KAP/APA

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