Ex-Ordensfrau: Missbrauchsaufarbeitung im Gang

Die ehemalige Ordensfrau Doris Reisinger erkennt Fortschritte in der Missbrauchsaufarbeitung in der römisch-katholischen Kirche. „Anscheinend haben einige Verantwortliche begriffen, dass man die Kirche vor den Tätern beschützen muss, nicht vor den Opfern.“

„Es scheint etwas in der Luft zu liegen“, schreibt die Theologin und Buchautorin in einem Gastbeitrag in der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ (Donnerstag-Ausgabe). „Vielleicht werden die Zwanzigerjahre das Jahrzehnt der Frauen in der Kirche sein, das Jahrzehnt, in dem endlich ans Tageslicht kommt, welchen Übergriffen Frauen in ihr oft ausgesetzt waren und sind“, so Reisinger, deren TV-Gespräch mit Kardinal Christoph Schönborn im Vorjahr für Aufsehen gesorgt hatte.

Aktuell, so Reisinger (ehemals Wagner), habe sie das Gefühl, dass eine Art Wendepunkt anstehe, was den Umgang mit der sexualisierten Gewalt gegen Frauen in der Kirche angehe. Sie telefoniere fast täglich mit Betroffenen, die oft von der Kirche jahrzehntelang nicht ernst genommen worden seien.

Doris Wagner

APA/AFP/Alessandra Tarantino

Doris Reisinger, ehemalige Ordensfrau der Gemeinschaft „Das Werk“ sieht Fortschritte in der römisch-katholischen Kirche, was die Missbrauchsaufarbeitung betrifft

Ohne Gleichberechtigung kein Ende

„Das scheint sich zu ändern. Mehrere Betroffene erzählen, dass sie in der Ordensobernkonferenz neuerdings nicht nur angehört, sondern unterstützt werden“, sagte Reisinger, die nach der Matura der geistlichen Bewegung „Das Werk“ beitrat und 2011 gegen einen Mitbruder Anzeige wegen Vergewaltigung erstattete. „Anscheinend haben einige Verantwortliche begriffen, dass man die Kirche vor den Tätern beschützen muss, nicht vor den Opfern.“

Auch wenn die kirchlichen Verantwortungsträger jahrzehntelang geschwiegen hätten, sei nun sehr langsam ein Prozess in Gang gekommen, der Hoffnung mache. Gleichwohl forderte Reisinger: „Ohne eine vollständige Gleichberechtigung von Frauen in den Kirchen wird es kein Ende der Gewalt gegen Frauen geben.“ Erfreulich sei, dass in Deutschland neben der Frauenprotestbewegung Maria 2.0 mittlerweile auch die großen katholischen Frauenverbände ausdrücklich die volle Gleichberechtigung von Frauen in der katholischen Kirche forderten, „inklusive Zugang zu allen Ämtern“.

religion.ORF.at/KAP/KNA

Mehr dazu:

Schönborn: Standards gegen Missbrauch nötig
(religion.ORF.at; 19.2.2019)

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