Linzer Bischof warnt vor Holocaust-Leugnung

Der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer hat eindringlich vor einer „steigenden Tendenz der Verharmlosung oder gar Leugnung“ der schrecklichen Verbrechen des nationalsozialistischen Holocaust gewarnt.

„Verachtung und Hass entwickeln sich allmählich aus Worten, Stereotypen und Vorurteilen - durch rechtliche Ausgrenzung, Entmenschlichung und Gewalteskalation“, mahnte Scheuer am Montag in einer Stellungnahme via Kathpress zum internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer der Schoah, der am 27. Jänner - dem Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau 1945 - begangen wird. Es sei keine Option zu sagen „Vergessen wir’s und Schluss damit“, betonte Scheuer, denn: „Das Vergessene kommt unversehens, unerkannt zurück.“

Die Verbrechen in den NS-Konzentrationslagern wie auch die Ereignisse in deren Umfeld machten heute „fassungslos“, schrieb der Linzer Bischof. „Wie konnte es dazu kommen? Warum haben so wenige Menschen sich zur Wehr gesetzt, als ihre jüdischen Nachbarn verfolgt und verschleppt wurden?“

Eingeständnis eigener Schuld

Für Christen komme laut Scheuer auch das Eingedenken in die eigene Verstrickung in Schuldzusammenhänge des Antisemitismus hinzu. Über Jahrhunderte tradierte antijüdische Sterotypen in der christlichen Theologie, darunter vor allem die Anklage des „Gottesmordes“, hätten einst zu einem „Gefühl der Selbstgerechtigkeit“ beigetragen sowie zu einer „Mentalität, die sich vor der notwendigen Solidarität mit den ausgegrenzten und nach und nach auch dem Tod preisgegebenen Opfern des nationalsozialistischen Regimes drückte“.

Der Linzer Bischof Manfred Scheuer

Kathpress/Paul Wuthe

Der Linzer Bischof Manfred Scheuer: Verbrechen in den NS-Konzentrationslagern machen „fassungslos“

Scheuer weiter: „Das Bewusstsein der Glaubenssolidarität der Christen mit den Juden war nicht oder viel zu wenig vorhanden. Und es gab zu wenig, viel zu wenig Gerechte. Politische Naivität, Angst, eine fehlgeleitete Theologie, die über Jahrhunderte hinweg die Verachtung des jüdischen Volkes gelehrt hatte, und mangelnde Liebe haben viele Christen damals veranlasst, gegenüber dem Unrecht und der Gewalt zu schweigen, die jüdischen Menschen in unserem Land angetan wurden.“

Name Gottes „geschändet“

Mit der Synagogen-Zerstörung und Schoah sei der Name Gottes, zu dem sich Christen und Juden gemeinsam bekennen würden, „geschändet“ worden - was jedoch viele Christen damals gar nicht wahrgenommen hätten.

Um aus dem Holocaust-Gedenken Maßstäbe für das eigene Handeln zu gewinnen, müsse man sich der „Katastrophe“ von damals stellen, forderte Scheuer. Dies könne nicht durch den neutralen Standpunkt einer „am Objektivitätsideal orientierten Geschichtsforschung“ geschehen, sondern erfordere ein „moralisches Verhältnis“ zu den Opfern von damals. „Eine anamnetische Kultur gedenkt der verstummten Opfer und erklärt sich mit ihnen solidarisch“, zitierte der Bischof den kürzlich verstorbenen Theologen Johann Baptist Metz (1928-2019).

religion.ORF.at/KAP

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