Exiltibeter glaubt nicht an Unabhängigkeit Tibets

Die exiltibetische Regierung hat sich damit abgefunden, dass Tibet ein Teil Chinas ist. Eine Unabhängigkeit Tibets sei „sehr unwahrscheinlich“, sagte der Präsident der Exiltibeter, Lobsang Sangay, der Tageszeitung „Der Standard“ (Montag-Ausgabe).

Zugleich äußerte er die Erwartung, „bald“ wieder nach Tibet reisen zu können. Gegen eine Einmischung Chinas in die Dalai-Lama-Auswahl verwehrte er sich.

„1988 hätten viele in Europa nicht erwartet, dass man ein Jahr später frei sein würde“, verglich der im indischen Dharamsala lebende Sangay die Situation mit jener vor dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Osteuropa. Die Forderung der Exilregierung nach Autonomie innerhalb Chinas sei „aus strategischer Sicht brillant“. Denn deshalb könne er frei reisen, während es die Präsidentin Taiwans (das sich als von China unabhängig ansieht, Anm.) nicht könne. Die Realität sei nämlich, dass sich alle Regierungen der Welt bei der „Ein-China-Politik“ einig seien.

Autonomie innerhalb Chinas verhilft zu Reisefreiheit

Sangay übte dennoch scharfe Kritik an der chinesischen Regierung, die in Tibet „überhaupt keine Glaubwürdigkeit“ habe. „Das Erste, was sie nach dem Einmarsch Anfang der 50er-Jahre gemacht hat, war die Klöster zu zerstören. Und jetzt will sie den nächsten Dalai Lama aussuchen“, kritisierte er entsprechende Ankündigungen Pekings.

Es sei „total lachhaft“, dass die Wiedergeburten von wichtigen Lamas von der Kommunistischen Partei bestätigt werden müssten. Seit dem Jahr 2007 habe das Regime bereits 1.300 solcher Zertifikate ausgestellt, wobei es auch viel Korruption gebe. „Traditionell hat es in Tibet nicht mehr als 500 oder 600 von ihnen gegeben. Nun haben die Chinesen schon 1300 zertifiziert!“

Arbeitsteilung mit Dalai Lama

Sangay vertritt seit dem Jahr 2001 die politischen Interessen der Exiltibeter, nachdem sich der Dalai Lama auf seine Rolle als spirituelles Oberhaupt zurückgezogen hatte.

Die Nachfolge des Dalai Lama könne nicht nur durch Wiedergeburt erfolgen, sondern auch durch Selektion (Wahl durch hohe Lamas) oder Emanation (Ernennung durch den jetzigen Dalai Lama), sagte der Präsident der Exiltibeter. Entscheiden darüber werde der Dalai Lama selbst. Dieser habe gesagt, dass er schriftliche Anweisungen hinterlassen werde. „Er hat gesagt, dass er das mit 90 entscheiden wird“, sagte Sangay mit Blick auf den 84-Jährigen.

Die entsprechende Zuständigkeit des Dalai Lama habe auch der US-Botschafter für internationale Religionsfreiheit, Sam Brownback, bestätigt, betonte Sangay. „Niemand soll sich einmischen - nicht China, nicht die USA.“ Die hohen Lamas hätten kürzlich eine entsprechende Resolution beschlossen, wonach die „spirituelle Autorität“ für die Auswahl seines Nachfolgers beim Dalai Lama und nicht der atheistischen KP Chinas liege. „Man kann das ja kaum glauben, dass man das überhaupt machen muss.“

religion.ORF.at/APA