Kontroverser Papst-Benedikt-Film läuft an

Unter dem Titel „Verteidiger des Glaubens“ läuft am Freitag in Graz ein Dokumentarfilm über Joseph Ratzinger, den späteren Papst Benedikt XVI., an. Im ORF-Interview sprach der deutsch-britische Regisseur Christoph Röhl über seine Beweggründe.

Er machte es sich nicht leicht und gestaltete einen äußerst unbequemen Film, der ihm auch Kritik einbrachte. Röhl wirft Blicke auf den Theologen Ratzinger durch eine spezielle Brille. Einerseits geht es um das Leben und den Werdegang des späteren Papstes, andererseits wird bei der Darstellung der Akzent sehr deutlich auf das Thema Missbrauch gesetzt.

Der Regisseur lässt ausführlich Betroffene zu Wort kommen. Gemeinsam mit Ratzinger-kritischen Stimmen (etwa von dessen langjährigem, etwas jüngerem Weggefährten Wolfgang Beinert) zeichnen sie das düstere Bild einer Kirche, der es wichtig ist, sich selbst vor Desavouierung zu schützen. Auch wenn das bedeutet, den Opfern erneut Gewalt anzutun, indem man ihnen zum Beispiel nicht zuhört oder sie nicht gebührend ernst nimmt.

Vorwurf der Unausgewogenheit

Die Zahl der Persönlichkeiten, die Joseph Ratzingers Linie befürworten, ist mit zwei wesentlich geringer. Als Befürworter sprechen in dem Film der maltesische Geistliche Charles Scicluna (der unter anderem Vatikan-intern mit der Behandlung von Missbrauchsfällen betraut war) und Georg Gänswein, Privatsekretär von Papst Benedikt XVI.

Plakat von "Bewahrer des Glaubens"

Filmverleih RealFiction

Der Dokumentarfilm „Verteidiger des Glaubens“ läuft ab Freitag in Graz

Diese Gegenüberstellung – viele kritische und zwei positive Stimmen – trug Regisseur Röhl Vorwürfe ein, er sei unausgewogen vorgegangen und habe der negativen Darstellung mehr Platz eingeräumt.

„System in seinen Facetten“

„Ich habe das nicht so bewusst aufgebaut“, antwortete Röhl darauf angesprochen im Interview mit Ö1. „Mir ist es darum gegangen, ein System in seinen ganzen Facetten aufzuzeigen. Und alle Protagonisten, die dort vorkommen, beleuchten dieses System.“

Gekennzeichnet ist dieses System für Röhl von zwei Faktoren: Von einer strengen Hierarchie, deren Strukturen Vorkommen und Vertuschung von Missbrauch fördern und eben von einer Haltung, der es darum geht, die Kirche zu schützen – und nicht die von Gewalt Betroffenen.

Schönborn verteidigte Ratzinger

Kritik an dem Film kam auch vom Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn. Er erklärte, dass Joseph Ratzinger bereits als Präfekt der Glaubenskongregation streng gegen Missbrauchstäter vorgegangen sei. So verdanke es die Kirche Ratzinger, dass 2001 ein eigener Gerichtshof an der Römischen Glaubenskongregation eingerichtet wurde, der Missbrauchstäter streng verurteilt - mehr dazu in Missbrauch: Schönborn verteidigt Benedikt XVI..

In einer Szene ist Kardinal Ratzinger zu sehen, der einen Journalisten, der ihn auf Missbrauchsfälle anspricht, barsch und unmissverständlich abwimmelt. Er bezeichnet dessen Fragen als übergriffig und als Zumutung. „Ich glaube, dass Joseph Ratzinger jemand ist, der es gewohnt war, über andere zu bestimmen, auch über andere zu urteilen- der es aber nie mochte, damit konfrontiert zu werden“, sagte Röhl im Interview.

Thesen profund begründet

Das habe funktioniert, so lange er Präfekt der Glaubenskongregation war, denn als solcher habe er sich immer zurückziehen können, hinter die Mauern des Vatikans, so der Regisseur. Als er Papst geworden sei, sei das nicht mehr gegangen. „Auf einmal musste er Rechenschaft ablegen“, so Röhl. Der Regisseur bezeichnet sich selbst als Atheisten, der aber mit christlichen Werten wie Wahrheit und Liebe viel anfangen könne. Allerdings kämen genau diese Werte für ihn im Umgang mit dem Missbrauchsskandal zu kurz.

Man kann den Thesen des Regisseurs zustimmen (wie es in liberal-katholischen Kreisen weitgehend der Fall ist) oder sie ablehnen, Faktum ist, dass der Regisseur viel Arbeit investierte, um hinter die Kulissen zu schauen. Röhl wirft Thesen nicht nur auf, sondern begründet sie auch profund. Dass der Film bei manchen Widerspruch erregt, kann als durchaus positiv bewertet werden, da auf diese Weise notwendige Diskussionen angeregt werden.

Film in Österreich nur bruchstückhaft präsent

Schade ist, dass der Film in österreichischen Kinos höchst bruchstückhaft präsent ist (an einzelnen Tagen in einzelnen Kinos). Schließlich ist es gerade die römisch-katholische Kirche Österreichs, die mit dem Thema Missbrauch besonders intensiv und bereits besonders lang (seit der Causa Groer in den 1990er Jahren) konfrontiert ist.

Brigitte Krautgartner, für religion.ORF.at/Nina Goldmann (Bearbeitung), religion.ORF.at

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