Anti-Missbrauchsgipfel: Opfervertreter enttäuscht

Jahr nach dem Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan zeigten sich Opfervertreter enttäuscht. Es sei zwar manches erreicht worden, sehr viele Fragen seien aber noch immer offen.

Für die Opferverbände bilanzierte Anne Barrett Doyle von der US-Organisation Bishop Accountability am Montag in Rom, dass es in zahlreichen Ländern wie Spanien, den Philippinen oder dem Kongo keine grundlegende Veränderung der bremsenden Haltung von Bischöfen und Kardinälen gegeben habe. Sie kritisierte, Papst Franziskus spreche das Ziel von „null Toleranz“ nicht mehr klar an. Missbrauchsopfer Phil Saviano, der ebenfalls bei Bishop Accountability engagiert ist, warf dem Kirchenführer vor, er gehe der Umsetzung eigener Zusagen aus dem Weg.

„Wie werden die neuen Regeln durchgesetzt? Welche Folgen habe Verstöße? Was geschieht, wenn es keine staatliche Mitteilungspflicht gibt?“, kritisierte Saviano an dem im Mai verfügten Erlass des Papstes. Saviano hatte sich als einer der ersten von Missbrauch Betroffenen öffentlich zu Wort gemeldet, was mit zu den Berichten des „Boston Globe“ 2002 führte.

Von links: Matthias Katsch, Gründer der Opferschutzvertretung Eckiger Tisch,  Phil Saviano, Missbrauchsbetroffener von BishopAccountability.org,  und Anne Barrett Doyle, Vizedirektorin

APA/AP/Andrew Medichini

Von links: Matthias Katsch, Gründer der Opfervertretung Eckiger Tisch, Phil Saviano, Missbrauchsbetroffener von BishopAccountability.org, und Anne Barrett Doyle, Vizedirektorin

Veränderungen nur unter Druck

Zu oft bräuchten Bischöfe noch den kombinierten Druck von Opferverbänden und Medien, kritisierte Matthias Katsch vom Opferschutzverband „Eckiger Tisch“ in Deutschland. „Was die Bischöfe dazu bringt, etwas zu tun, sind schlechte Schlagzeilen, nicht die Verbrechen des Missbrauchs“, so Doyle. In einigen Länder mit großer katholischer Bevölkerung gebe es zwar hier und dort endlich weitere Maßnahmen. Allzu oft aber geschehe wenig und das zu langsam oder gar nichts.

In einigen Ländern bereiteten zudem die Konkordate zwischen Vatikan und dem Staat Probleme. In Spanien und Italien etwa verhinderten diese Übereinkommen noch immer einen angemessenen Zugriff staatlicher Behörden auf kirchliche Akten. Deswegen würden sich Opferverbände auch an UNO-Organisationen wenden. Aktuell geschehe dies in Genf, wo Opfervertreter Fälle von langjährigem Missbrauch in zwei von einem Orden geführten Heimen in Italien und Argentinien vortrügen, so Katsch.

„Viele Orden machen was sie wollen“

Die vielen, teils auch kleinen Ordensgemeinschaften stellen nach Aussage von Katsch ein weiteres Problem dar. Während vielerorts Diözesen inzwischen handelten, unternähmen etliche dieser Gemeinschaften viel zu wenig. Zudem würden sie lediglich von der relativ kleinen Ordenskongregation im Vatikan kontrolliert. „Was umgekehrt heißt: Viele Orden machen noch, was sie wollen“, kritisierte Katsch.

Das Vertrauen in Papst Franziskus als Motor eines offenen Umgangs mit Vorwürfen gegen Priester sei gering, so Katsch. „Es hat zwar Bewegung gegeben, aber eben drei Schritte vor und zwei zurück.“

Aufarbeitung stockt

Nach dem Kirchentreffen habe es die Aufhebung des „päpstliche Geheimnisses“ gegeben. Damit dürfen Akten aus Kirchenprozessen zum Kindesmissbrauch an staatliche Ermittler gegeben werden. Es seien auch Vorschriften zum Melden von Vorwürfen an Vorgesetzte erlassen worden. „Aber gleichzeitig stoppt es dabei, die Dinge tatsächlich unabhängig aufarbeiten zu lassen. Und es stoppt bei der Entschädigungsfrage“, sagte Katsch.

„Die Kirche leistet in vielen Ländern immer noch Widerstand dagegen, dass sie zur Verantwortung gezogen wird.“ Im Vatikan gebe es Tausende Akten über Missbrauchsfälle. Diese müssten unabhängigen Stellen zugänglich gemacht werden.

Papst Franziskus hatte auf dem Anti-Missbrauch-Gipfel im Februar 2019 ein konsequentes Durchgreifen gegen Täter und das Ende der Vertuschung zugesagt. Schon damals bemängelten Kritiker das Fehlen konkreter Taten.

religion.ORF.at/dpa/KAP

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