Terror: Religionsvertreter fordern Zusammenhalt

Vertreterinnen und Vertreter von Judentum, Islam und Christentum haben sich nach dem Terroranschlag im deutschen Hanau zu Wort gemeldet. Sie fordern entschiedeneres Vorgehen gegen Rechtsextremismus und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte nach der offenbar fremdenfeindlich motivierten Gewalttat mit elf Toten in Hanau ein entschiedeneres Vorgehen gegen Rechtsextremismus in Deutschland. „Zu lange ist die Gefahr durch den wachsenden Rechtsextremismus verharmlost und vernachlässigt worden“, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Donnerstag. Es sei davon auszugehen, „dass der Täter bewusst Menschen mit Migrationshintergrund treffen wollte“.

Am Mittwoch hatte nach bisherigen Ermittlungen ein 43-jähriger Deutscher in zwei Shisha-Bars das Feuer eröffnet, neun Menschen starben. Der mutmaßliche Todesschütze soll in seiner Wohnung auch seine Mutter erschossen haben, bevor er sich selbst tötete.

„Sehschwäche auf dem rechten Auge“

Nach der Mordserie des NSU ziehe sich wieder „eine rechtsextreme Blutspur durch Deutschland: die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni vergangenen Jahres, der Anschlag in Halle an Jom Kippur und jetzt die Morde in Hanau“, so Schuster. Es stelle sich die „besorgniserregende Frage, wie sicher Minderheiten und Menschen, die sich für sie engagieren, noch in Deutschland leben können“.

Blumen für die Opfer des Terroranschlags im deutschen Hanau

APA/AP/Martin Meissner

Zusammenhalt und entschiedenes Vorgehen der Politik und der Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus fordern Religionsvertreter in Deutschland

Polizei und Justiz schienen häufig auf dem rechten Auge eine Sehschwäche zu haben, kritisierte Schuster. „Das rächt sich jetzt.“ Es sei „überfällig, dass alle demokratischen Kräfte zusammenstehen, um die Bedrohung durch den Rechtsextremismus und weiterhin auch durch islamistischen Terror einzudämmen“.

Islamverbände: Zeichen der Solidarität setzen

Auch die vier großen Islamverbände in Deutschland forderten mehr Engagement im Kampf gegen rechten Terror. Die Gewalt habe sich gegen Migranten als Zielgruppe gerichtet, betonte der Koordinationsrat der Muslime (KRM) am Donnerstag in Köln. Der Generalbundesanwalt ermittelt wegen des Verdachts einer terroristischen Gewalttat.

Der KRM betonte, man verlange schon seit Monaten, „gegen die rechte Hetze und gegen Islamfeindlichkeit deutlich Stellung zu beziehen.“ Der Terror bedrohe alle. Die Politik habe das Problem rechter Gewalt unterschätzt. Alle Akteure der Gesellschaft sollten ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern rechter Angriffe setzen, mahnte der Zusammenschluss von Türkisch-Islamischer Union Ditib, Zentralrat der Muslime, Islamrat IRD und Kulturzentrenverband VIKZ. „Es ist jetzt die Zeit, zusammenzurücken und zusammenzustehen.“

Der Zentralrat der Muslime rief darüber hinaus zu erhöhter Wachsamkeit auf. Muslime sollten „eigene Schutzmaßnahmen“ für sich, ihre Familien, ihre Gotteshäuser und Einrichtungen ergreifen, erklärte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek. Er forderte die Innenbehörden und Innenminister der Bundesländer auf, „unsere Gotteshäuser sichtbar und qualitativ zu schützen“.

Gedenkgottesdienst am Freitag

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, rief ebenfalls zum gesellschaftlichen Zusammenhalt auf. Zur Überwindung der Gewalt sei es jetzt notwendig, „dass die Menschen in unserem Land zusammenstehen“, sagte der Landesbischof der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Freitag-Ausgabe).

Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Hanau lud für Freitagabend zu einem Gedenkgottesdienst für die Opfer des Terroranschlages von Mittwochnacht ein. Der Gottesdienst werde um 18.00 Uhr in der Freien Evangelische Gemeinde stattfinden, teilte die Diözese Fulda mit.

„Widerspruch gegen rechtpopulistische Äußerungen“

Der Vorsitzende der römisch-katholischen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Reinhard Marx, kritisierte „eine Tendenz zu einem ausgrenzenden und aggressiven Nationalismus und Rassismus“, der aus christlicher Perspektive durch nichts zu rechtfertigen sei. Immer wieder gebe es „hasserfüllte und menschenverachtende Taten, bei denen sich ein rechtsextremistischer Hintergrund herausstellt“.

Daher müsse man gemeinsam einstehen gegen Gewalt und Terror. Das fange bereits im Kleinen an, etwa „im Widerspruch gegen rechtspopulistische und gewalttätige Äußerungen im Netz und auch im direkten Gegenüber mit Menschen, die christliche Werte von Nächstenliebe und Solidarität für ihre Zwecke missbrauchen.“

Bischof: Mehr Zivilcourage zeigen

Der Fuldaer katholische Bischof Michael Gerber, zu dessen Diözese Hanau gehört, sprach von einer tiefen Zäsur und bat alle Gemeinden, für Opfer und Angehörige zu beten. Der katholische Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers rief zu mehr Zivilcourage auf. „Was wir nicht brauchen, sind Feuerteufel, die auf Marktplätzen den Hass schüren, ihn im Internet befeuern und den Weg in Parlamente suchen, um ihn dort auszubreiten“, erklärte der Bischof. Er wünsche sich „ein Rückgrat der Menschen in unserem Land, jede Sprache und Methode zu entlarven, die einer solchen Gewalt, wie wir sie heute erlebten, den Vorhof bietet.“

religion.ORF.at/AFP/dpaKAP/KNA

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