Experte: Franziskus „kein Reformpapst mehr“

Nach der Veröffentlichung des jüngsten Papst-Schreibens zur Amazonien-Synode haben sich zahlreiche namhafte Expertinnen und Experten zu Wort gemeldet. Der deutsche Kirchenhistoriker Hubert Wolf etwa sieht in Franziskus keinen Reformpapst mehr.

„Was soll man noch von einem Papst erwarten, der sagt, macht mir mutige Vorschläge - dann machen Bischöfe und Laien mit großer Mehrheit mutige Vorschläge, und was passiert? Nichts“, so Wolf im Interview der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ (Donnerstag-Ausgabe). Zugleich kritisierte Wolf, dass reformorientierte Katholiken nicht zuerst auf ihre Bischöfe oder auf das „Glaubensbewusstsein der Gläubigen“ selbst schauten - sondern immer nur auf den Papst.

Von dem Papst-Schreiben sei er ziemlich enttäuscht, sagte Wolf. „Insgesamt hat das Dokument aber zwei Seiten. Es gibt wunderbare Visionen für Ökologie und kulturelle Identität in Amazonien, die in der Rezeption so gut wie nicht vorkommen. Und es gibt ganz traditionelle Lösungskonzepte: Augen zu und beten und damit Gott die Verantwortung zuschieben.“

Beschluss der Bischöfe bleibt gültig

Am wichtigsten sei aber, dass Franziskus das Abschlussdokument der Synode nicht aufhebe, sagte Wolf. Damit bleibe „der Beschluss von drei Vierteln der Bischöfe, Viri probati weihen zu wollen, gültig“. Franziskus spiele den Ball zu den Bischöfen in Amazonien zurück.

Papst Franziskus winkt

APA/AFP/Filippo Monteforte

Papst Franziskus spiele den Ball zu den Bischöfen in Amazonien zurück, meint der Kirchenhistoriker Hubert Wolf

Für Frauen sei das Schreiben ein Schlag ins Gesicht. Das entworfene Frauenbild werden den Frauen nicht gerecht, „die in Amazonien seit 50 Jahren Gemeinden leiten. Und diesen Frauen, ohne deren Engagement die amazonische Kirche längst am Ende wäre, Klerikalismus und Ämtersucht zu unterstellen, das ist mehr als zynisch und klingt nach klerikalem Machismo.“

Für Frauen „Schlag ins Gesicht“

Mit Blick auf den Reformdialog der katholischen Kirche in Deutschland, den „Synodalen Weg“, zeigte sich der Kirchenhistoriker skeptisch. Er frage sich, was beim Thema Frauen und kirchliche Ämter noch herauskommen könne, nachdem Franziskus „die Tür derart zugeschlagen“ habe.

Der an der Universität Salzburg lehrende Theologe Gregor Maria Hoff sieht auch eine Woche nach der Veröffentlichung von „Querida Amazonia“ eine zunehmende „Ratlosigkeit“. Es dränge sich die Frage auf „Was will der Papst?“, so der Fundamentaltheologe in der Wochenzeitung „Die Furche“ (Donnerstag-Ausgabe). Dieser drückte sein Verwunderung über das Schreiben aus, das die Amazonien-Synode und dessen Schlussdokument lediglich kommentiere, jedoch nicht formell bestätige, aber dadurch auch nichts entscheide.

„Nicht so direkt“

Franziskus habe „indem er sich zum Votum der Synode für ‚viri probati‘ nicht verhält“, seine eigenen Überlegungen zu ökologischen, sozialen und religionskulturellen Fragen in den Hintergrund gedrängt, attestierte Hoff. Auch für „Frauen im Amt“ sehe Franziskus keine Perspektiven, aber: „Freilich auch das sagt er nicht direkt“, so der Theologe.

Kardinal Michael Czerny präsentiert das Papst-Schreiben "Querida Amazonia"

APA/AP/Gregorio Borgia

Umstritten: Das neue Papst-Schreiben „Querida Amazonia“

Klar sei, dass der Papst die Kompetenzen der Kirchen vor Ort stärken und offene Fragen „auf dem Weg synodaler Prozesse“ klären wolle, so Hoff. Auch die Nöte und Ängste Amazoniens sollten im „Geist des Evangeliums“ gelöst werden, erklärte der Theologe die „ekklesiologischen Gedanken“ des Papstes. Damit stünde aber auch fest: „Bevor die Kirche die Zulassungsbedingungen zum Amt regelt, fordert ihr Franziskus ab, den Ort des Amtes in der Gemeinschaft neu zu bestimmen.“

„Unerträglicher Paternalismus“

Kritik übte Hoff am „unerträglichen Paternalismus“ des Schreibens, das das „sakramentale Priestertum nur für Männer reserviert, um Frauen vor Klerikalismus zu schützen“. Die Rollenfestlegung der Frauen auf „die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Marias treibt Frauen aus der Kirche“. Zudem würden „Klischees von gestern“ nicht „zu Lösungen für Probleme in einer komplexen Weltgesellschaft beitragen“. Gleichzeit offenbare die Argumentation wofür der Papst stünde, nämlich „für den inneren Widerspruch einer vormodernen Kirche in einer nachmodernen Welt“. Laut Hoff sei die „Zollstation geschlossen! Die meisten (Frauen) werden nicht auf das Ende des klerikalen Karnevals warten“.

„Papst entscheidet nicht, er handelt nicht“

Äußerst kritisch sieht auch der Linzer Moraltheologe Michael Rosenberger die Frage nach den „viri probati“ im Papst-Dokument. Die Bischöfe hätten den Papst durchaus ermutigt, in diese Richtung zu denken und ihm eine Tür aufgemacht, „er bleibt aber einfach davor stehen“. Laut Rosenberger hat sich der Papst wahrscheinlich in der Sorge um die Einheit der Kirche und einer Angst vor Spaltung von einer konservativen Minderheit „einschüchtern“ lassen. Das Dokument habe klar gemacht: „Der Papst entscheidet nicht, er handelt nicht“, sagte Rosenberger im Gespräch mit Kathpress am Donnerstag.

Das Dokument habe klar gemacht, dass von diesem Papst in dieser Hinsicht „nichts mehr zu erwarten ist“. Eine große Überraschung ist das für Rosenberger jedoch nicht. „Er hat von Anfang an keine wesentlichen Entscheidungen getroffen, wenn es um amtliche Dinge ging“, erläuterte der Theologe. Er verwies dabei etwa auf wiederverheiratet Geschiedene.

Einen Riegel vorgeschoben habe der Papst in dem Dokument bei der Frage nach der Weihe von Frauen. Die Argumentation dafür hält der Theologe allerdings als „unterirdisch schlecht“. Einfach zu sagen, Jesus sei ein Mann und deshalb müssten auch Priester Männer sein, reiche nicht aus. Für problematisch hält der Theologe auch die Aussage, in Jesus sei das männliche und in Maria das weibliche „Gesicht“ Gottes zum Vorschein gekommen. Schließlich sei Jesus der einzige Erlöser, der sowohl „männliche“ als auch „weibliche“ Anteile in sich habe.

religion.ORF.at/KAP

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