Kirchenmusikerin: „Gläserne Decke“ durchbrechen

Die Kirchenmusikerin Ingrun Fussenegger hat die „gläserne Decke“ durchbrochen und behauptet sich seit vielen Jahren in der männerdominierten Kirchenmusikwelt.

Die sogenannte gläserne Decke ist für die Musikerin, Musikpädagogin, Kapellmeisterin, Chorleiterin und Dirigentin ein wichtiges Thema. Die Erfahrung, in der akademischen Hierarchie nicht oder nur mit Schwierigkeiten aufsteigen zu können, sei real.

„Ich glaube, Frauen müssen so lange so wahnsinnig viel arbeiten, bis sie in die Position kommen, dass sie sich bewerben können. Und dann überlegen sie sich sehr genau, ob sie sich dieses unangenehme Bewerbungsverfahren wirklich antun wollen. Da wird so viel mit den Ellenbogen gearbeitet. Ich kann das aus meiner Erfahrung sagen: Man gibt sich das nicht mehrmals, nicht öfter als zwei-, dreimal würde ich sagen“, sagte sie in der Ö1-Sendung „Lebenskunst“.

Sendungshinweis

„Lebenskunst - Begegnungen am Sonntagmorgen“, Sonntag, 8.3.2020, 7.05, Ö1.

„Untergriffe in jeder Kommission“

Daher schlage sie Frauen für Jobs vor, wenn sie gefragt werde oder streiche die Qualitäten von Bewerberinnen heraus, wenn sie in Kommissionen sitze. Außerdem versuche sie abzufangen, wenn sie merke, dass Ungerechtigkeiten auftauchen – „denn die tauchen dauernd auf. Untergriffe gibt es in jeder Kommission. Das ist einfach so“.

Orgel in St. Ursula in Wien

Universität für Musik und darstellende Kunst Wien Daniel Willinger

Die erfolgreiche Musikerin Ingrun Fussenegger kritisiert die „gläserne Decke“, die es Frauen erschwert, in der akademischen Welt weiterzukommen.

Fussenegger behauptet sich seit vielen Jahren in einem mehrheitlich von Männern dominierten Umfeld: Das Dirigieren, aber auch das Tätigsein in der akademischen Lehre und im kirchlichen Bereich. So war sie von 1998 bis 2001 Domkapellmeisterin in Feldkirch (Vorarlberg). Derzeit unterrichtet sie als Professorin für Chor- und Ensembleleitung am Institut für Orgel, Orgelforschung und Kirchenmusik an der Wiener Universität für Musik und darstellenden Kunst. Sie studierte bei Kapazitäten wie Ton Koopman und Philippe Herreweghe und hat im Bereich der Kirchenmusik Pionierinnenarbeit geleistet.

Unterstützung für Musikerinnen

In ihren Kursen sitzen etwa gleich viele Frauen und Männer. Es ist ihr ein Anliegen, alle ihre Studierenden zu stärken. Um speziell Studentinnen zu fördern, gebe es verschiedene Methoden. „Ich versuche Frauen dazu zu bewegen, sich für interessante Stellen zu bewerben. Auch wenn die etwas außerhalb ihres direkten Arbeitsgebietes oder Ausbildungsgebietes liegen.“

Weiters bemüht sich Ingrun Fussenegger darum, Werke von Komponistinnen zur Aufführung zu bringen. Wobei die Auswahl allerdings überschaubar sei, wie sie sagte. Und doch ist die Kirchenmusik weiblich. Nicht nur, was die Grammatik angeht. Es gibt zahlreiche Chorleiterinnen und Musikerinnen. Fussenegger vermutet, dass das vielleicht auch mit der nicht gerade fürstlichen Bezahlung zusammenhängt - ein Umstand, der Männer wohl eher abschreckt als Frauen.

Auf viele Erfahrungen lieber verzichtet

Im Laufe ihrer Jahrzehnte dauernden Berufstätigkeit konnte sie viele Erfahrungen sammeln, auf die sie lieber verzichtet hätte, wie sie erzählt. „Ich habe unglaublich viele Schwierigkeiten gehabt. Ob es unterschwellige waren, ob es direkte waren. Trotzdem hat mich die Freude am Tun immer angetrieben“, so Fussenegger. Aber es habe viele Situationen gegeben, zum Beispiel, dass sie in die Sakristei gekommen sei und plötzlich „ein frauenfeindlicher Witz erzählt wurde - vom Priester“.

Aber auch mit Professoren – ebenso wie mit Professorinnen – habe es unangenehme Situationen gegeben. Andererseits gebe es auch durchaus traditionsbewusste Kirchenmänner, mit denen sie ein sehr gutes Arbeitsverhältnis gegeben habe – etwa während ihrer Zeit als Domkapellmeisterin in Feldkirch mit dem damaligen Bischof Klaus Küng.

Die Arbeit mit Musikerinnen und Musikern dagegen, sei immer respektvoll. Sie habe zum Beispiel viel mit dem Dirigenten und Cellisten Nikolaus Harnoncourt gearbeitet. „Er hat immer auf Augenhöhe mit mir kommuniziert. Erfahrungen wie diese haben viel kompensiert, sodass ich das andere aushalten konnte“, sagte Fussenegger.

Brigitte Krautgartner, für religion.ORF.at/Nina Goldmann (Bearbeitung), religion.ORF.at

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