Kirchenfachleute: Franziskus setzt bleibende Akzente

Trotz so manchem Gegenwind und oft geringer Bewegungsbereitschaft in der katholischen Kirche ist Papst Franziskus nach Einschätzung kirchlicher Expertinnen und Experten mit seinem Reformkurs nicht gescheitert.

Die Frage, ob dies sieben Jahre nach der Wahl von Jorge Mario Bergoglio nun auch noch der Fall ist, war am Mittwoch Thema einer Ausgabe der Ö1-Religionsreihe „Praxis Spezial“. Über die Kirchenpolitik des laufenden Pontifikats diskutierten Vatikan-Kenner Marco Politi, die Salzburger Moraltheologin Angelika Walser, der Wiener Diözesansprecher Michael Prüller und Pfarrer Helmut Schüller.

Politi wies darauf hin, dass Franziskus viele Reformprojekte erfolgreich auf Schiene gebracht habe, etwa die „Säuberung“ der Vatikanbank, einen Stopp der „Sexbesessenheit“ der Kirche mit ihren Diskussionen über Pille oder voreheliche Beziehungen, klare Vorgaben beim Thema Missbrauch, eine Entdämonisierung der Homosexualität und die Aufwertung von Laien und Frauen in der Kurie.

Politi: Explizite Unterstützung fehlt

Freilich habe sich die „konservative Opposition“ des Papstes rund um Kardinäle wie Sara, Müller, Ouellet oder Ruini inzwischen gut organisiert; es ist, so der Autor von „Das Franziskus-Komplott“, bereits ein Machtkampf im Blick auf das nächste Konklave im Gange, um einen Papst Franziskus II. zu verhindern.

Papst Franziskus

Reuters/Remo Casilli

Nach Einschätzung von Expertinnen und Experten setzt Papst Franziskus bleibende Akzente

Der Papst aus Argentinien sei eine charismatische Person, die wenig Augenmerk auf Strukturen lege und es z.B. verabsäumt habe, die Kurie mit reformfreudigen Personen zu besetzen. Politi erzählte einen in Rom kursierenden Witz, dem jedoch Wahres anhafte: 10 Prozent sind gegen den jetzigen Papst, 20 Prozent für ihn, der Rest wartet auf den nächsten. Zutreffend sei jedenfalls eine große Passivität in der Weltkirche und fehlende explizite Unterstützung des Papstkurses.

Walser: Zeit läuft davon

Angelika Walser, Mitinitiatorin der Initiative „50 Tage 50 Frauen“, schätzt - wie sie sagte - zwar ebenfalls die von Politi gewürdigten Gesten des Papstes, diese würden aber nicht ausreichen. Von dessen jüngstem nachsynodalem Schreiben hätte sich die in Salzburg lehrende Theologieprofessorin eine Lockerung des Pflichtzölibats sowie einen Anstoß in Richtung Diakoninnenweihe erhofft - beides sei ausgeblieben.

Viele liberal denkende potenzielle Reformkräfte in der Kirche hätten diese bereits verlassen, für die verbliebenen sieht Walser die Gefahr von Resignation im Sinne von „die reden und reden und tun das seit 60 Jahren, aber geschehen ist nichts“. Walsers Warnung: „Dem Papst und der Kirche läuft die Zeit davon.“

Franziskus agiere zudem eher tugendethisch und spirituell aber zurückhaltend, wenn es um die Änderung von Normen geht. Die Theologin erwartet deshalb von den Bischöfen vor Ort mehr Impulse für neue Verantwortungs- und Entscheidungsstrukturen in der Kirche, die gerade Frauen aufwerten. Als positiv bewertete sie hier den gerade in Deutschland angelaufenen Synodalen Weg der katholischen Kirche.

Prüller: „Verengter Blick“

Laut Michael Prüller schweigt Papst Franziskus manchmal aus taktischen Gründen, wenn ihm eine Entscheidung noch nicht reif genug erscheint. Über „viri probati“ (bewährte verheiratete Männer, die für eine Priesterweihe in Frage kommen, Anm.) sei früher viel weniger offen diskutiert worden als jetzt, wo sich Bischöfe ungeniert dazu positionierten.

Der Kommunikations-Chef der Erzdiözese Wien bedauerte den oft „verengten Blick“ auf das jetzige Pontifikat, in dem nicht einzelne disziplinäre Fragen, sondern Synodalität im Zentrum stünden. Prüller meinte, Franziskus bereite nicht scharfer Gegenwind Kummer, sondern der mangelnde Austausch über Streitfragen. Das weiße Gewand des Papstes steht laut Prüller für die mit diesem Amt verbundene „große Projektionsfläche“. Es gelte zuzubilligen, dass ein Papst nicht nur „mein Hoffnungsträger“ ist.

Schüller: Bischöfe sollen „Handlungspartner“ werden

Der Initiator der Pfarrer-Initiative, Helmut Schüller, vermisst die Bereitschaft der Bischöfe, „Handlungspartner“ des Papstes zu sein. Sie seien seit Jahrhunderten „getaktet auf das Entgegennehmen von Aufträgen“ und von Franziskus’ Aufforderung, „mutige Vorschläge zu machen“, überfordert. Die vom Papst „nicht mehr hintergehbar“ forcierte Synodalität würde erfordern, dass sich die Bischöfe mehr einbringen, vernetzen und für Rückenwind sorgen, so Schüller.

Dass es zuletzt nicht zu einer päpstlich abgesegneten Öffnung für viri probati kam, habe er durchaus begrüßt. Dies wäre laut dem Pfarrer von Probstdorf letztlich nur eine „kleine Reparatur eines viel größeren Problems“ geworden - nämlich wie Amt und Dienst in der Kirche zu verstehen sind. Schüller ist sich sicher, dass Franziskus wichtige Spuren hinterlassen wird. Mit einem etwaigen Nachfolger will er sich noch nicht beschäftigen: „Jeder Tag ist eine Chance.“

religion.ORF.at/KAP

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