Ordensfrau in Aleppo: Erst Krieg, jetzt Virus

Kaum haben sich die aktiven Kämpfe in Syrien gelegt, muss gegen die Ausbreitung des Coronavirus vorgegangen werden. Eine Ordensfrau berichtete über die strengen Maßnahmen, Schwierigkeiten mit desolatem Wohnraum und die Solidarität, die entsteht.

Die in Aleppo lebende Franziskanerin Brygida Maniurka hat in einem Kathpress vorliegenden Bericht an das Hilfswerk „Initiative Christlicher Orient“ (ICO) von dramatischen Einschränkungen für die Bevölkerung berichtet. Aleppo war vom Sommer 2012 bis Ende 2016 einer der umkämpftesten Orte in Syrien, erst vor Kurzem hat der Beschuss aus den letzten Rebellengebieten um Idlib völlig aufgehört.

Die Wirtschaft kam in den letzten Jahren nur sehr schleppend voran, das Coronavirus macht den Wiederaufbau nun doppelt schwierig. Anfangs hätten die Menschen Corona nicht ernst genommen, „aber jetzt schon“, so Maniurka. In der Stadt herrsche eine strenge Ausgangssperre von 18.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Nur medizinisches Personal und die Sicherheitskräfte dürften dann unterwegs sein, „und das wird auch streng kontrolliert“.

Wohnraum nach dem Krieg desolat und eng

Die meisten Geschäfte und Betriebe seien längst geschlossen, nur die Lebensmittelläden noch geöffnet. „Und hier denken die Behörden daran, das Grundnahrungsmittel Brot künftig auf zentralen Plätzen zu verteilen bzw. zu verkaufen, weil in den kleinen Bäckereien die Ansteckungsgefahr zu groß ist“. Die Schulen und Universitäten seien auch bereits seit längerer Zeit und vorerst bis Mitte April geschlossen. Die Hilfsorganisation „Roter Halbmond“ desinfiziere Straßen, Moscheen und Kirchen. Bei den Coronavirus-Tests mache man nun auch Fortschritte.

Person in Schutzanzug desinfiziert Gebetsraum

REUTERS/Khalil Ashawi

Gebetsräume werden in Syrien desinfiziert

Für die Bevölkerung sei die Ausgangssperre allerdings eine immense Belastung, berichtete die Ordensfrau: „Die meisten Menschen leben ja in kleinen und oft düsteren oder desolaten Wohnungen, oft auch mehrere Familien auf engstem Raum.“ - Eine der vielen Folgen des Krieges.

Solidarität vorhanden

In dieser schwierigen Zeit zeige sich freilich auch wieder die große Solidarität innerhalb der Bevölkerung. Viele junge Menschen und Familien seien wegen des Krieges ins Ausland gegangen, zurückgeblieben seien viele alte und alleinstehende Personen. Um die würden sich nun etwa die Pfadfinder kümmern und sie mit Lebensmittel versorgen. So könne diese Risikogruppe zu Hause bleiben.

Die polnische Ordensfrau lebt seit mehr als 35 Jahren im Nahen Osten, allein 25 Jahre davon in Syrien. Ihre Gemeinschaft der Franziskanerinnen ist langjähriger Projektpartner der ICO und hat ihr Kloster im Westen Aleppos. Fünf Schwestern leben im Kloster. Dazu kommen zu normalen Zeiten noch rund 30 junge muslimische Studentinnen. „Einige schafften es noch nach Hause zu ihren Familien, aber 20 müssen bei uns nun die Coronazeit verbringen“, so Sr. Brigyda, denn Reisen zwischen syrischen Städten sind inzwischen untersagt.

Soziale Ordensaktivitäten

Die Franziskanerinnen führen - zu normalen Zeiten - zahlreiche soziale Aktivitäten durch. Sie organisieren etwa Lebensmittel und Medikamente für die notleidende Bevölkerung und haben in ihrem Kloster eine Zeit lang auch kriegsvertriebene Flüchtlinge untergebracht. Jeden Winter organisieren die Schwestern warme Kleidung und Heizmaterial für die Frierenden, im Sommer gibt es für die Kinder von Aleppo Ferienlager. Weil viele Kinder wegen des Krieges jahrelang keine Schule besuchen konnten, haben die Ordensfrauen auch Nachhilfeprogramme gestartet. Zusätzlich arbeiten sie im Kloster auch therapeutisch mit kriegstraumatisierten Frauen.

Mehrere Orden in Syrien tätig

Die Franziskanerinnen sind freilich nicht die einzigen Ordensfrauen im Einsatz in Syrien. In einer Aussendung von „Kirche in Not“ berichtete dieser Tage Schwester Annie Demerjian, Superiorin der „Kongregation von Jesus und Maria“ für den Nahen Osten, von ihren Aktivitäten. Die Kongregation ist in Syrien in Aleppo und Damaskus tätig.

„In Aleppo besuchen unsere Gruppen von Freiwilligen weiterhin die Häuser. Wir helfen insbesondere den alten Menschen, da viele von ihnen keine andere Unterstützung haben. Auch in Damaskus helfen unsere Schwestern den alten Menschen. Sie erledigen die Einkäufe für diese besonders gefährdeten Personen, damit sie nicht aus dem Haus gehen müssen. Die Leute haben nichts, womit sie sich schützen könnten. Wie sollen sie überleben?“

Eine wirksame Hilfe sei auch ein Gutscheinprogramm, das 260 Familien den Einkauf im Supermarkt ermögliche, sowie die Unterstützung bei Mietzahlungen für besonders bedürftige Menschen, so Demerjian.

religion.ORF.at/KAP

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