Faber: Stephansdom als Zuflucht „in Zeiten der Pest“

Der Stephansdom ist mehr als ein Wahrzeichen. Er war schon immer ein Zufluchtsort in Zeiten von Krisen - auch während der Pest. Daran erinnerte Dompfarrer Toni Faber im Gespräch mit dem ORF.

Im Laufe seiner Geschichte war der Stephansdom immer wieder ein Ort für Menschen, die in Not waren, wie Faber in der ORF-Sendung Religionen der Welt am Samstag erzählte. Die Menschen fanden in der Kathedrale Halt, Trost und Hoffnung. „Ich glaube, der Stephansdom ragt mit seinem Südturm, den die Wiener liebevoll Steffl nennen, so heraus aus dem Meer der Häuser, dass er immer eine Ankerfunktion hatte, mit alledem, was Menschen Sorgen gemacht hat“, sagte Faber.

Refugium in Zeiten der Bedrängnis

„Auch und gerade in Zeiten der Pest“ seien die Menschen „gerne in den Dom gegangen“. In Zeiten der Bedrängnis, der Seuche, sei der Dom einerseits „herausragendes Symbol dafür gewesen, dass Gott in dieser Stadt Wohnung genommen hat“.

Mein Stephansdom Schwerpunkt

ORF

Der ORF widmet sich in einem Schwerpunkt von 4. bis 13. April in TV, Radio und Online dem Dom.

Andererseits sei er auch „Richtschnur für unsere Augen, dass wir über das, was uns so viel Sorgen macht, hinausblicken sollen, dass wir nicht hinstarren sollen, wie das Kaninchen auf die Schlange, sondern, dass wir alle Kraft entwickeln müssen, gerade gedanklich schon über diese Krise hinauszukommen, um sie besser bewältigen zu können“, sagte Faber.

Trotz Sperre ein „bergender Ort“

Doch dieser Tage, in Zeiten der Coronavirus-Pandemie, ist der Gottesdienst, das gemeinschaftliche Beten für Krisengeplagte nicht möglich. Das religiöse Leben in Pfarren im ganzen Land und auch in der Kathedrale im Herzen Wiens ist stark eingeschränkt. Stattdessen werden Gottesdienste live gestreamt, im Fernsehen und Radio übertragen. Doch der Dom soll auch jetzt Zuflucht bieten. Das Riesentor des Domes sei „offen für private, individuelle Gebete“, sagte Faber. Menschen könnten natürlich zur Anbetung kommen, ein stilles Gebet verrichten, eine Kerze anzünden.

Dompfarrer Toni Faber im Stephansdom

APA/Hans Punz

Dompfarrer Toni Faber

Die Verbindung zu den Gläubigen kann auch mit den Beschränkungen bestehen bleiben, wenn es nach dem Dompfarrer geht. Die Menschen sollen wissen, „es wird dort trotzdem noch Gottesdienst gefeiert, auch wenn er nicht öffentlich zugänglich ist“.

Sie sollen auch wissen: „Da gibt es Menschen, die sich versammeln, in ganz kleiner Zahl, unter fünf Personen, die tagtäglich für mich beten und daher ist dieses Gotteshaus zwar physisch jetzt für eine große Ansammlung gesperrt, damit wir die Ansteckungsgefahr hintanhalten, aber gleichzeitig ist er ein bergender Ort des Aufgehobenseins für mich, für meine Seele, meine Sorgen, Bitten und Anliegen.“

ORF-Schwerpunkt „Mein Stephansdom“

Der Dom selbst durchlebte auch mehrere Krisen. Eine besonders schwere nahm in den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkrieges ihren Anfang. Vor 75 Jahren wurde der Stephansdom durch einen katastrophalen Brand weitgehend zerstört. Später wurde er in einem gemeinsamen Kraftakt der österreichischen Bevölkerung wieder aufgebaut. Am Ostersonntag wird des Brandes im Rahmen eines Ostergottesdienstes mit dem Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn gedacht.

Der ORF nimmt das zum Anlass und startet am Samstag eine multimediale Reise durch die Kathedrale - mit Dokumentationen, Reportagen, Berichten, Live-Übertragungen und Porträts in den ORF TV- und Radioprogrammen sowie Online: in ORF 1, ORF 2, ORF III, in Ö1, auf ORF.at und auf religion.ORF.at. Die Beiträge der Religionsabteilung gibt es zudem auf religion.ORF.at zum Nachsehen, Nachhören und Nachlesen.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

Mehr dazu:

Link:

  • Video: Dompfarrer Faber über ungewohnte Einsamkeit
    Aufgewachsen ist er in einem Gemeindebau in Wien, heute gilt er auch als Seelsorger der Society: Dompfarrer Toni Faber. Angesichts der Coronavirus-Krise sprach er mit dem ORF auch über die ungewohnten Einsamkeit.
  • Die Geheimnisse des Stephansdoms
    Geheimschriften, Genitalien und verborgene Meisterwerke: Der Stephansdom war schon immer ein geheimnisvoller Ort. Einige Geheimnisse sind bereits gelüftet, über andere rätseln Expertinnen und Experten auch heute noch.
  • Audio: Islam und Judentum im Stephansdom
    Da und dort finden sich in und an der Domkirche St. Stephan, deren Geschichte bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht, auch jüdische und muslimische Symbole - oft sind es antijüdische und antimuslimische Elemente.
  • Video: Faber über Seelsorge trotz Coronavirus
    Im Stephansdom ist es tagsüber still wie sonst nur in der Nacht. Touristen ist der Zutritt untersagt, Gottesdienste werden im kleinsten Rahmen gefeiert. Dompfarrer Toni Faber erzählt, wie Seelsorge dennoch möglich ist.
  • Video: Der jüdische Stephansdom
    Der böse Jude unter Ungeheuern am Tympanon einerseits, die Asche aus Auschwitz im Sockel eines großen Kruzifixes andererseits: Der Stephansdom hat einige jüdische Facetten.
  • Als der Stephansdom in Flammen stand
    In der Nacht von 11. auf 12. April 1945 fing der Stephansdom Feuer. Die Pummerin zerschellte, das Dach stürzte ein. Die Zerstörung war verheerend. Doch Schritt für Schritt wurde der Dom wiederaufgebaut. Für ihn gaben die Österreicher ihr letztes Hemd.
  • Zwischen Teufeln und Drachen: Juden im Stephansdom
    Der Stephansdom ist stummer Zeuge der jahrhundertelangen Geschichte des christlichen Antijudaismus, der Juden als Christusmörder verunglimpfte. Aber der Dom erzählt auch von der Umkehr der Kirche nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges.
  • Video: Mit Toni Faber durch den Stephansdom
    In dieser fünfteiligen Kurzreihe führt Dompfarrer Toni Faber an besondere Orte im Dom – vom Hochaltar bis zur Taufkapelle – und erklärt ihre spirituelle Kraft.
  • Audio: Der Stephansdom als nationales Symbol
    Den Stephansdom als Wahrzeichen von Wien und Österreich beleuchtet das Ö1-Religionsmagazin Praxis anlässlich des multimedialen ORF-Schwerpunkts „Mein Stephansdom“.
  • Video: Schönborn und Faber zeigen ihren Dom
    Der Stephansdom ist das geistliche und spirituelle Zentrum Wiens und von großer identitätsstiftender Bedeutung für Österreich. Kardinal Schönborn und Dompfarrer Faber führen in der „kreuz und quer“-Doku durch ihren Dom.