ReIigionsunterricht gegen Egoismus

Religionsunterricht ist in Zeiten von Coronavirus-Krise und Home-Learning „herausgefordert zu beweisen, dass er Relevanz hat“, sagt die an der Uni Wien lehrende Religionspädagogin Andrea Lehner-Hartmann.

Entscheidend sei nicht sachkundliches Wissen, sondern die Vermittlung der Begriffe Solidarität und Nächstenliebe. Gegenüber jeglichem „Familien- oder Nationalegoismus, die anderen Nächstenliebe verweigern“, gelte es die drängende Frage nach globalen Formen von Nächstenliebe und Solidarität zu stellen, betonte die Theologin auf , dem Blog für „Theologie im Zeichen von (Post) Corona“.

Mit Gott Mauern und Grenzen überspringen

Nächstenliebe sowie Solidarität seien „Stichworte, die sich derzeit allerorts finden“. Aus christlicher Perspektive lasse sich hier gut anknüpfen, regte Lehner-Hartmann an.

Denn die christliche Heilsbotschaft „bleibt nicht an den Toren der eigenen Familie oder Nation stehen“, sondern frei nach Psalm 18 ließen sich mit Gott Mauern und Grenzen überspringen. Dies öffne den Blick für das Leid anderer, statt ihn auf die Einschränkungen des eigenen Lebens und den Schutz der eigenen Familienmitglieder zu verengen.

Hellhörigkeit im eigenen Umfeld notwendig

Dass dies auch politische Relevanz hat, illustrierte die Religionspädagogin mit folgender Anmerkung: „Wenn in diesen Tagen bei Pressekonferenzen Nächstenliebe und Solidarität wie Beschwörungsformeln verwendet werden, gleichzeitig aber Nächstenliebe und Solidarität geflüchteten Kindern und Jugendlichen an den Grenzen, wenn sie kein Gesundheitszeugnis mitbringen können - welch ein Zynismus! - verweigert werden, dann ist von jenen, die sich religiöser Bildung verschrieben haben, Orientierung verlangt.“

Lehrkräfte und Schüler müssten hellhörig dafür werden, wo sich in ihrer Klasse oder ihrem sozialem Umfeld Hilferufe auftun und solidarisches Handeln gelebt werden kann.

Es geht um mehr als Wissensvermittlung

Lehner-Hartmann übte auch Kritik an der Engführung der momentanen Debatte über Schule in Corona-Zeiten. Oft stehe im Vordergrund, wie die Schüler an bestimmte Inhalte gelangen können und wie gesichert werden kann, dass die Vorgaben der Lehrpläne erfüllt werden, bzw. wie formale Abschlüsse wie die Matura erreicht werden können.

Dabei wird laut der Uni-Professorin übersehen, dass es bei Schule nicht allein um das Lernen von bestimmten Fachinhalten in bestimmten Gegenständen geht. Schule sei ein Lebensraum, wo sich soziales Leben ereignet, wo man mit Lehrenden über den „Stoff“ hinaus ins Gespräch kommt, außerdem ein Ort, an dem man lernt, sich in einer demokratischen Kultur einzuüben.

Arbeitsblätter, wo man Bibelstellen zu Nächstenliebe suchen oder ausfüllen muss, sowie „fromme Verlegenheitsantworten oder Vertröstungen“ helfen gegenwärtig nicht weiter, ist Lehner-Hartmann überzeugt. Dies würde vielmehr „jenen Stimmen zuarbeiten, die Religion als irrelevant ansehen“.

religion.ORF.at/KAP

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