Neues Buch von Kardinal Marx über Freiheit

„Freiheit“ lautet der Titel eines neuen Buches von Kardinal Reinhard Marx, das am Montag in den Handel kommt. Auf 176 Seiten umkreist der Münchner Erzbischof einen Begriff, der ihm „zum Lebensthema“ geworden ist, wie er schreibt.

Das spiegelt sich auch in seinem Wahlspruch als Bischof wider: „Wo der Geist des Herrn wirkt, ist Freiheit.“ Dass die Kirche in ihrer Geschichte häufig und lange nicht auf der Seite der um ihre Freiheit Kämpfenden gestanden habe, hält Marx für eine „große Tragödie“. Dieser Bruch müsse geheilt werden. Dabei gelte es auch, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, etwa aus dem Missbrauch von Macht.

Das Thema „Freiheit“ begleite ihn, seit er als Heranwachsender den Raum zwischen Möglichkeiten und Grenzen auszuloten begann, schreibt Marx. Mit dem Ergebnis, räumt er ein, war er vor allem auf den Gebieten des Sports und der Musik nicht immer zufrieden.

„Kultur der Freiheit für alle“ vs. Totalitarismus

Der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz sieht nicht nur die Kirche, sondern die ganze Menschheitsgeschichte gegenwärtig an einem Wendepunkt. Ob sie sich in Richtung einer „Kultur der Freiheit für alle“ entwickle oder in Autoritarismus und Totalitarismus zurückfalle, sei keineswegs ausgemacht. Eine ungezügelte Akkumulation von Kapitalvermögen und auch eine mögliche Verselbstständigung des technischen Fortschritts im Zuge der Digitalisierung beschreibt er als aktuelle Gefährdungen der Freiheit.

Buchcover von Kardinal Marx' "Freiheit"

Verlag Kösel/Random House

Reinhard Marx, „Freiheit“, Kösel-Verlag, 176 Seiten, 18.50 Euro.

Die Kirche müsse sich an die Seite derer stellen, die im universellen Sinn, nicht im Sinn von Gruppenegoismen, für Freiheit einträten. Um dies glaubwürdig tun zu können, seien tiefgreifende Reformen nötig, etwa im Miteinander von Frauen und Männern.

In zehn Anläufen umkreist der Autor das „große Wort“, das „leicht unter Wert gehandelt wird“. Dabei arbeitet er sich an einer zentralen Frage ab: Wie konnte es zum Bruch zwischen dem christlichen Freiheitsverständnis und der modernen Freiheitsidee kommen?

Plädoyer für „Gott der Befreiung“

Der biblische Gott sei ein Gott der Befreiung, schreibt der Kirchenmann. Er habe den Menschen in Freiheit geschaffen und wolle, dass er auch in Freiheit darauf antworte. Dazu braucht es Religions-und Gewissensfreiheit. Ihre Verurteilung als „pesthaftesten Irrtum“ durch Papst Gregor XVI. im Jahr 1832 findet der Kardinal daher „deprimierend“.

Er bedauert auch, dass die Kirche im Kampf um ihre Freiheit von staatlicher Bevormundung zunächst nur ihr Eigeninteresse verfolgt und erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) verstanden habe, „dass der Einsatz für die Freiheit des christlichen Glaubens den Einsatz für die Freiheit aller einschließt“.

Ernsthaft aber mit Vorsicht für Reformen

Warum aber hat die Kirche erst so spät zu dieser Einsicht gefunden? Weil auch sie nicht der Versuchung habe widerstehen können, Macht über Menschen auszuüben und Angst zu schüren. Bis heute begegne Marx - wie er schreibt - in der Kirche vielen, „die im Grunde ein reines Gehorsamsverhältnis zu Gott propagieren und damit den Gedanken der Freiheit nicht wirklich in ihren Glauben integrieren“. Und die, Bischöfe eingeschlossen, „nach wie vor zu stark orientiert sind an Selbsterhaltungsstrategien“. Marx lässt offen, ob er dabei seine Erfahrungen in Rom oder als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz im Blick hat.

Dass es der Münchner Erzbischof mit tiefgreifenden Reformen ernst meint, darf man ihm - nicht erst nach der Lektüre dieses Buches - abnehmen. Dafür hat ihn nicht zuletzt der Missbrauchsskandal seit 2010 nachhaltig erschüttert. Doch wie weit er dabei zu gehen bereit ist, lässt sich nicht immer genau einschätzen. Zum Beispiel in der Frauenfrage, die in seinem Band vergleichsweise viel Platz einnimmt. So schreibt der Erzbischof vom partnerschaftlichen Miteinander von Frauen und Männern und bekennt sich zum Ziel, den weiblichen Anteil unter den Führungskräften deutlich zu erhöhen.

Marx (66) ist seit 2008 Erzbischof von München und Freising. Bis März dieses Jahres war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Von Papst Franziskus wurde er in den Kardinalsrat zur Kurienreform berufen. Außerdem koordiniert er den vatikanischen Wirtschaftsrat. Marx hat u.a. bereits die Bücher „glaube!“ sowie „Kirche überlebt“ publiziert.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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