Theologe Philipp Harnoncourt gestorben

Der renommierte Grazer Theologe und Priester Philipp Harnoncourt ist in der Nacht auf Dienstag im Alter von 89 Jahren gestorben. Er starb in Grundlsee im Kreise seiner Familie, wie die römisch-katholische Diözese Graz-Seckau der Religionsabteilung des ORF bestätigte.

Der ehemalige Professor für Liturgiewissenschaft, Christliche Kunst und Hymnologie an der Universität Graz erwarb sich hohes Ansehen durch seine Bemühungen um ökumenische Brückenschläge vor allem zur orthodoxen Kirche.

Harnoncourt zählte in der ökumenischen Annäherung zwischen katholischer und orthodoxer Kirche zu den theologischen Vordenkern. Lange Jahre engagierte er sich im Vorstand der ökumenischen Stiftung „Pro Oriente“. Die Liste der wissenschaftlichen und geistlichen Publikationen des 1999 emeritierten Hochschullehrers umfasst weit über 500 Arbeiten.

Lehrte „Kunst des guten Sterbens“

In der Diözese Graz-Seckau herrscht kurz nach dem Tod von Altbischof Johann Weber erneut große Betroffenheit über den Verlust einer verdienten Persönlichkeit. Bischof Wilhelm Krautwaschl erklärte, seinem ehemaligen Lehrer für Liturgie viel zu verdanken: „In Einfachheit hat er - gepackt von der Schönheit des Gottesdienstes - mir und vielen Freude am gemeinsamen Feiern geweckt.“

Darüber hinaus habe Harnoncourt auch eingeführt in ein oft vergessenes Gebiet geistlichen Lebens, die „Kunst des guten Sterbens“, wie Krautwaschl hinwies. Er dankte dem Verstorbenen für dessen „Lebens- und Glaubenszeugnis“.

Theologe Philipp Harnoncourt

Diözese Graz-Seckau/Gerd Neuhold

Philipp Harnoncourt (1931-2020)

„Mann mit herausragendem Format“

„Philipp Harnoncourt war als Mensch und Christ, als Priester, ungemein engagierter Seelsorger und hochangesehener Wissenschaftler ein Mann von allseits herausragendem Format“, hielt der emeritierte Bischof Egon Kapellari am Dienstag fest.

Als langjähriger Liturgiereferent der Österreichischen Bischofskonferenz sei er mit dem Theologen auch fachlich besonders verbunden gewesen. Kapellari erwähnte auch die von Harnoncourt bewirkte Rettung der wegen ihrer Dreiecksform kunsthistorisch einzigartigen Heilig-Geist-Kapelle in Bruck an der Mur.

Würdigungen für Lehre und Forschungstätigkeit

Als einen der international prägenden Liturgiewissenschafter nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil würdigte Harnoncourt dessen Nachfolger am Institut der Uni Graz, Peter Ebenbauer. Die praktische Umsetzung der Liturgiereform dieses Konzils, die theologische Reflexion des Gottesdienstes der Kirche und die Ökumene der christlichen Kirchen „bildeten die Kernpunkte seiner weit über universitäre und kirchliche Kreise hinaus fruchtbaren Lehr- und Forschungstätigkeit“.

Sendungshinweis:

Der ORF ändert sein Programm und sendet am Pfingstsonntag in FeierAbend „Der Himmel ist offen“, ein Porträt von Philipp Harnoncourt. Sonntag, 31.5.2020, 19.52 Uhr, ORF 2

Dietmar Winkler, von Harnoncourt ebenfalls geprägter Kirchenhistoriker und Ökumene-Fachmann an der Universität Salzburg, erinnerte an dessen Konzept des „Eucharistie-Fastens“ als Ausdruck eines Sich-nicht-Abfindens mit Gottesdienstfeiern an getrennten Tischen durch die verschiedenen Kirchen. Harnoncourt habe damit freilich nicht ein Weniger an eucharistischem Leben gemeint, sondern „ein Mehr an ökumenisch geprägter eucharistischer Spiritualität in Verantwortung für die eine Kirche Christi“, so der ebenfalls in der Stiftung „Pro Oriente“ engagierte Winkler.

„Werden seine Stimme vermissen“

„Pro Oriente“-Präsident Alfons M. Kloss nannte Philipp Harnoncourt eine „herausragende Persönlichkeit der Kirche und des öffentlichen Lebens“. Er habe die Ökumene mit den orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen tatkräftig begleitet und stimuliert. Charakteristisch für Harnoncourt sei sein „direkter Zugang zu den Inhalten des christlichen Glaubens“ gewesen, wobei er immer bereit gewesen sei, „tradierte Positionen neu zu reflektieren“, stellte Kloss fest.

Der steirische evangelisch-lutherische Superintendent Wolfgang Rehner würdigte „das feine Gehör des nun Heimgegangenen für die Vielstimmigkeit in der Ökumene“. Die evangelische Kirche in der Steiermark werde seine Stimme im Chor der Ökumene vermissen.

Sekretär von Bischof Schoiswohl

Philipp Harnoncourt wurde am 9. Februar 1931 in Berlin als Philipp Graf de la Fontaine und d’Harnoncourt-Unverzagt geboren. Er entstammte einer alten Adelsfamilie und war ein Ururenkel von Erzherzog Johann, der weltberühmte Dirigent Nikolaus Harnoncourt war sein Bruder.

Nach dem Theologiestudium an der Karl-Franzens-Universität Graz und in München wurde Philipp Harnoncourt 1954 zum Priester geweiht. Nach Kaplansjahren wurde er Sekretär des damaligen Grazer Bischofs Josef Schoiswohl.

Wichtige Beiträge zur Liturgiereform

Harnoncourt gründete 1963 an der heutigen Kunstuniversität Graz die Abteilung Kirchenmusik und war neun Jahre lang deren Leiter. Von 1972 bis 1998 war er Vorstand des Instituts für Liturgiewissenschaft, Christliche Kunst und Hymnologie an der Universität Graz.

Seine Forschungsschwerpunkte Kalenderfragen und Hymnologie waren ein wichtiger Beitrag der nachkonziliaren Liturgiereform, Harnoncourt arbeitete auch maßgeblich am „Gotteslob“ mit. Große Verdienste erwarb sich der Theologe mit dem von ihm entwickelten „steirischen Modell“ der Evaluierung von Kirchenneu-und Umbauten.

Rettung der Heilig-Geist-Kapelle

Ab 1986 arbeitete Philipp Harnoncourt im Vorstand der ökumenischen Stiftung „Pro Oriente“. Die Liste seiner wissenschaftlichen und geistlichen Publikationen umfasst weit über 500 Arbeiten. 1999 emeritierte Harnoncourt.

2011 wurde auf seine Initiative die Wiederherstellung der Heilig-Geist-Kapelle in Bruck an der Mur in Angriff genommen, um das bereits 1794 profanierte Sakralgebäude als einzigartiges Denkmal einer neuen Nutzung zuzuführen. Philipp Harnoncourt wurde vielfach ausgezeichnet. Er war päpstlicher Ehrenprälat und Domkapitular im Grazer Domkapitel, Träger des Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst I. Klasse der Republik Österreich und des Großen Goldenes Ehrenzeichen mit dem Stern des Landes Steiermark.

religion.ORF.at/KAP