Katholische Bischöfe für Reformen nach der Krise

Die katholischen Bischöfe haben zu umfassenden Reformen in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kirche aufgerufen. In einem gemeinsamen Hirtenwort zu Pfingsten sprechen sie sich für eine „geistvoll erneuerte Normalität“ aus.

Diese sollte nach der Coronavirus-Krise realisiert werden. In ihrem am Mittwoch veröffentlichen Hirtenwort mahnen die Bischöfe unter anderem eine konstruktive politische Debatte ein und verwehren sich gegen politische Gehässigkeiten und zunehmende Aggressionen.

Ebenso nehmen sie jene Menschen in den Blick, die durch die Krise in die Armut abzugleiten drohen oder wegen der Beschränkungen an psychischen Folgen leiden. Auch eine Debatte über einen „armutsfesten Sozialstaat“ und ein erwerbsunabhängiges Grundeinkommen wird angeregt.

Gegen das „Virus nationalistischer Kleinstaaterei“

Solidarität dürfe zudem auch nicht an den Landesgrenzen Halt machen, mahnen die Bischöfe. Sie kritisieren in diesem Zusammenhang etwa das „Virus nationalistischer Kleinstaaterei“ und fordern die österreichische Regierung auf, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. „Krude Verschwörungstheorien“ werden zurückgewiesen, Kritik gibt es am „Ungeist des Anschwärzens, Vernaderns und Denunzierens“.

Auch neue Ansätze einer sozial- und klimaverträglichen Wirtschaft, die nicht nur auf Wachstum und grenzenlosem Konsum aufbaut, wollen die Bischöfe sehen und warnen zugleich davor, den freien Sonntag aufzugeben. Ebenso werden angebliche Tendenzen zurückgewiesen, aktive Sterbehilfe gesellschaftsfähig werden zu lassen. Schließlich bilanzieren die Bischöfe auch selbstkritisch die eigene kirchliche Krisenbewältigung und bekennen sich zu einer „lern- und erneuerungsbereiten Kirche“.

Neustart braucht Regeln und Grundhaltungen

Der Neustart, vor dem Österreich angesichts der Coronavirus-Pandemie nun steht, braucht laut dem Linzer Bischof Manfred Scheuer auf allen Ebenen rechtliche, wirtschaftliche und strukturelle Rahmenbedingungen, zugleich aber auch entsprechende Grundhaltungen.

„Es ist ein großer Unterschied, ob wir einander mit Gleichgültigkeit oder mit Empathie begegnen“, so Scheuer. „Der Heilige Geist: Er ist Mutmacher, er tröstet und gibt Lebenskraft. Er ist so etwas wie der Kitt, das Bindeglied in unserer Gesellschaft und auch in der Kirche.“

Moment der Reflexion

Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner schlug in die gleiche Kerbe. Derzeit befinde man sich in der Bewältigung der Coronavirus-Krise an einer Art „Schwellenmoment“. Der Punkt zwischen Nicht-Mehr und Noch-Nicht ermögliche dabei einen genauen Blick auf die derzeitige Situation und entsprechende Reflexionen, so der Erzbischof in einer Aussendung.

„Wir sollten diesen Moment nicht vorüberziehen lassen, stattdessen den Kairos beim Schopfe packen und nüchtern reflektierend fragen: Was lehrt uns die Coronakrise? Was nehmen wir mit auf den Weg, der jetzt noch vor uns liegt? Und: Mit welcher Haltung machen wir uns auf in diese neue Phase. Mit Blick auf Pfingsten ist es ein neuer Geist, der uns auf unseren Wegen leiten soll; gute Kräfte, die uns in dieser herausfordernden Zeit den Weg weisen.“

Keine Impfung gegen die Klimakrise

Neben dem Pfingstfest ist auch der fünfte Jahrestag des Erscheinens der öko-sozialen Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus ein Anlass für das österreichische Hirtenwort. Speziell unter dem Abschnitt „Achtsamkeit und Entschlossenheit“ würden die Bischöfe die Anliegen dieser Enzyklika aufgreifen, sagte der Tiroler Bischof Hermann Glettler am Mittwoch. „Jetzt ist die Zeit für einen neuen Lebensstil und für politische Entscheidungen, die mithelfen, eine finale Erschöpfung unseres Planeten noch zu verhindern. Gegen die Klimakrise wird es keine Impfung geben.“

Kein Rückfall in Sozialschmarotzerdebatte

Der oberösterreichische Caritasdirektor Franz Kehrer rief am Mittwoch im Hinblick auf das Hirtenwort dazu auf, „das Solidaritätsbewusstsein, das sich in der Krise gezeigt hat, zu stärken und unser Sozialsystem aus dem Blickwinkel des Zusammenhalts tragfähig zu gestalten“. Es dürfe nicht geschehen, "dass wir wieder zurückfallen in die gesellschaftliche Abwertung und Ausgrenzung von Armutsbetroffenen als ‚Sozialschmarotzer‘, erinnerte Kehrer an die Debatte rund um die Ablöse der bedarfsorientierten Mindestsicherung durch eine neue Sozialhilfe.

Kehrer unterstrich weiters, dass das Pflegesystem dringend eine solidarische und oft versprochene Weiterentwicklung brauche. „Es gilt, ältere Menschen nicht nur jetzt vor dem Coronavirus zu schützen, sondern ihnen auch in Zukunft ein Alt-Werden in Würde zu ermöglichen“, so der Caritasdirektor. „Ich hoffe darauf, dass unsere Gesellschaft sich diesen neuen Geist der Solidarität und Verbundenheit bewahrt und wir die Botschaft des Heiligen Geistes wirklich als ‚Herzschrittmacher‘ für die Arbeit an einer guten Zukunft für alle Menschen begreifen, wie es im Hirtenbrief so treffend formuliert ist.“

Für die Caritas würdigte am Mittwoch auch der steirische Caritasdirektor Herbert Beiglböck das Hirtenwort der Bischöfe: „Wir brauchen diese Stimme gerade jetzt und ich bin dankbar, dass die Bischöfe mit ihrem Wort die verkündigende Wirkung der tätigen Caritas deutlich würdigen.“

Regionale Wirtschaftstreibende stärken

Die aktuelle Krise habe aufgezeigt, wie dringend notwendig eine Neubewertung der Wirtschaft ist, so Reinhold Prinz, Finanzdirektor und Ökonom der Diözese Linz. Regionale Wirtschaftstreibende müssten gestärkt und globale Wirtschaftsbeziehungen maßvoll gestaltet werden, „damit sie nicht auf die Ausbeutung von Arbeitnehmern und die Zerstörung unseres Planeten abzielen“. Prinz: „Es geht nicht mehr um einen Menschen und Ressourcen erschöpfenden Konsum. Wir brauchen eine Wirtschaft, die dem Menschen, der Gesellschaft und der Umwelt gerechter wird.“

Für die Katholische Aktion in der Steiermark sagte deren Generalsekretärin Anna Hollwöger: „Wir sind dankbar für das Benennen wichtiger Aspekte, die in dieser schwierigen Zeit und angesichts großer gesundheitlicher und wirtschaftlicher Fragen zu wenig wahrgenommen wurden und werden: Demokratische Grundhaltung, Idee Europa, Solidarität, Nachhaltigkeit... Gerne tragen wir den Diskurs über Sozialleistungen, über die in der Krise forcierte Digitalisierung oder auch über ein Grundeinkommen mit. Stellen wir uns in der großen Tradition der katholischen Soziallehre den Fragen der Menschen in der Arbeitswelt heute.“

Aufmerksamkeit über die Landesgrenzen

Erich Hohl, Integrationsbeauftragter der Diözese Graz-Seckau, hob hervor, dass die Bischöfe die Aufmerksamkeit ausdrücklich über die Landesgrenzen hinaus auf die Notlage von Schutzsuchenden in den Flüchtlingslagern an den Eingangstoren Europas ausdehnen „und so zum wiederholten Mal im Sinne einer weltweiten Solidargemeinschaft eindringlich die Aufnahme von Asylsuchenden und Vertriebenen in Österreich anregen“.

Christian Lagger, Direktor des Krankenhauses der Elisabethinen, betonte den Aspekt der Hoffnung im bischöflichen Hirtenwort. Er sprach von einer „geglückten Botschaft zur richtigen Zeit“. Es brauche die Anstrengung vieler, die Achtsamkeit und Versöhnung als Grundhaltung leben. Das schaffe „gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine Atmosphäre der Zuversicht, wie wir jetzt dringend brauchen“.

religion.ORF.at/APA/KAP

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