USA: Bibelwissenschaftler verurteilen Trump-Auftritt

Neben Religionsvertreterinnen und -vertretern haben auch Bibelwissenschaftler den Auftritt von US-Präsident Donald Trump mit einer Bibel vor einer Kirche in Washington kritisiert.

Trump habe mit dem Auftritt „missbraucht, was vielen eine geschätzte geistige Quelle und ein Symbol ist“, und auch eine „heilige Stätte verletzt“, heißt es in einem offenen Brief der Society of Biblical Literature mit Sitz in Atlanta (Georgia).

Politische Führer sollten „überlegt und verantwortungsvoll“ mit der Bibel umgehen. „Die Bibel sollte nicht als Waffe dienen, um die Menschlichkeit anzugreifen oder die Würde des menschlichen Geistes zu verletzen“, hieß es in Anspielung auf den US-Präsidenten in der Erklärung der nach eigenen Angaben weltgrößten Fachgesellschaft für biblische Wissenschaften, die auch österreichische Wissenschaftler wie den emeritierten Wiener Universitätsprofessor James Alfred Loader zu ihren Mitgliedern zählt.

Wissenschaftler stellen sich hinter Protestbewegung

Die Bibelwissenschaftler stellten sich in ihrer Erklärung hinter die nach dem Tod von George Floyd entstandene Protestbewegung. „Wir spenden dem Geist des Protest Beifall, der weltweit nach dieser feigen Tat entstanden ist, während wir zugleich die Gewalt beklagen, die in Teilen dieses sonst friedlichen und notwendigen Protests entstanden ist. Schwarze Leben zählen. Die Bibel zählt.“

Ein Kleriker und die episkopale Bischöfin  Mariann Edgar Budde knien in Washington

APA/AFP/Andrew Caballero-Reynolds

Eine Geistliche und ein Geistlicher knieten vor der St. John’s Episcopal Church nieder.

Trump war zuvor bereits von Spitzenvertretern verschiedener Konfessionen kritisiert worden. Für besondere Empörung sorgte, dass ihm die Polizei den Weg zur Kirche mit massivem Einsatz von Tränengas bahnte. Bei einem Schrein für den verstorbenen Papst Johannes Paul II. in Washington legten Trump und First Lady Melania am Dienstag einen Kranz am Denkmal des verstorbenen Papstes nieder.

Rabbi: „Schamlosester Missbrauch der Religion“

Rabbi Jack Moline, Präsident der interreligiösen Organisation Interfaith Alliance, sagte laut BBC, dies sei der schamloseste Missbrauch der Religion, den er je gesehen habe.

Auch die römisch-katholische Kirche übte Kritik. Der Erzbischof von Washington, Wilton Gregory, sagte am Mittwoch, er finde es „verwerflich“, dass sich eine katholische Einrichtung auf diese Weise missbrauchen und manipulieren lasse. Der Schrein in der US-Hauptstadt wird nicht vom Erzbistum, sondern von der Laienvereinigung Kolumbusritter betrieben.

Johannes Paul II. sei ein Verfechter von Menschenrechten gewesen, betonte der afroamerikanische Geistliche. Seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz am Montag vergangener Woche in Minneapolis werden die USA von Unruhen erschüttert.

Kirchen empört

Bereits am Montagabend hatte ein Besuch Trumps bei einer Kirche scharfe Kritik ausgelöst. Nachdem er in einer Ansprache mit dem Einsatz des Militärs wegen der Unruhen gedroht hatte, ging Trump zur St.-John-Kirche nördlich des Weißen Hauses, um vor dem Gotteshaus mit einer Bibel zu posieren. Die Umgebung ließ er zuvor gewaltsam von Demonstranten räumen. Gregory teilte mit, Papst Johannes Paul II. hätte den Einsatz von Tränengas gegen Demonstranten für einen Foto-Termin vor einer Kirche sicherlich nicht gutgeheißen.

Die Bischöfin der anglikanischen Diözese Washington, Mariann Edgar Budde, hatte Trumps Vorgehen bereits am Montagabend kritisiert. Sie sagte dem Sender CNN, der Präsident habe eine der Kirchen ihrer Diözese „ohne Erlaubnis als Hintergrund für eine Botschaft verwendet, die den Lehren Jesu und allem widersprechen, wofür unsere Kirchen stehen“. Er habe den Einsatz von Tränengas gebilligt, um den Weg zur Kirche zu räumen, und er ignoriere den Schmerz der Menschen im Land - mehr dazu in US-Bischöfin empört über Trumps Auftritt mit Bibel.

Adventisten: „Zeit für Mitgefühl und Heilung“

„In dieser Zeit der Schmerzen und Unruhen in den Vereinigten Staaten gilt unser Mitgefühl weiterhin allen, die gelitten haben, und insbesondere den Familien von Ahmaud Arbery, Breonna Taylor und George Floyd, deren Leben auf tragische Weise zu Ende ging“, schrieb Pastor Ted Wilson in einer Aussendung am Mittwoch. „Als Siebenten-Tags-Adventisten stehen wir weltweit zusammen, um Rassismus, Intoleranz, Hass, Vorurteile und Gewalt in all ihren unzähligen Formen zu verurteilen“, so Wilson.

religion.ORF.at/APA/dpa/APD

Links: