Debatte über Rücktritt von einziger Frau in IGGÖ-Rat

In der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) herrscht aktuell Diskussionsbedarf. Anlass ist der Rückzug der einzigen weiblichen Vertreterin aus dem Obersten Rat.

Während sie in einem Interview mit dem „Standard“ (Dienstag-Ausgabe) Kritik übt, weist die IGGÖ Anschuldigungen zurück. Noch ist unklar, wer Fatma Akay-Türker in der Glaubensgemeinschaft nachfolgen wird. Sie selbst hatte erklärt, dass bereits ein männlicher Nachfolger bestimmt sei. Die IGGÖ wiederum erklärte in einer Aussendung, es obliege nun dem Schura-Rat, der Verfassung der Glaubensgemeinschaft folgend bei seiner nächsten Sitzung im Herbst eine Nachfolgerin für sie zu wählen.

Akay-Türker habe Ende Mai in einer formlosen Email überraschend ihren Rücktritt als Frauensprecherin der IGGÖ bekanntgegeben, ohne jedoch ihre Beweggründe dafür näher auszuführen, schreibt die Glaubensgemeinschaft in ihrer Stellungnahme. Zumindest medial erläutert die nunmehr ehemalige Frauensprecherin dagegen den Schritt aktuell sehr wohl.

„Abwertung der Frau institutionalisiert“

So meinte sie im „Standard“: "In der IGGÖ wurde die Abwertung der Frau institutionalisiert.“ Sie habe seit ihrem Antritt im Jänner 2019 nie öffentlich auftreten dürfen: „Es reicht. Ich möchte nicht mehr, dass die Frauen eingeschüchtert werden.“ Aus ihrer Sicht sei „Stillstand“ bewahrt worden.

Ein Mann schaut aus dem Eingang der Moschee am Bruckhaufen

APA/AFP/Alex Halada

Laut IGGÖ kam der Rücktritt Akay-Türkers überraschend

Auch als Religionslehrerin will Akay-Türker nicht weiterarbeiten. Denn in dieser Funktion dürfe sie nicht in Freiheit reden, die Verhältnisse nicht hinterfragen. Sie habe nicht Teil einer „schweigenden Mehrheit“ bleiben wollen.

Noch keine Kündigung eingebracht

Die IGGÖ hält entgegen, man gehe davon aus, dass sie ihren Dienstverpflichtungen auch weiterhin nachkomme. Denn beim Schulamt sei noch kein Kündigungsschreiben eingegangen und die Tätigkeit im Obersten Rat stehe mit der Lehrtätigkeit nicht im Zusammenhang.

Inhaltlich wird die Kritik Akay-Türkers zurückgewiesen. Die Verwirklichung der Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der muslimischen Gemeinschaft als auch ihrer eigenen Strukturen sei ein dezidiertes Anliegen der IGGÖ und ein notwendiger Prozess, der mit der Besetzung wichtiger Posten mit Frauen im vergangenen Jahr in Bewegung gesetzt worden sei. Nichtsdestotrotz nehme die Glaubensgemeinschaft dies zum Anlass, ihren bisherigen Reformprozess selbstkritisch zu evaluieren und weitere notwendige Schritte zur Umsetzung der angestrebten Ziele zu setzen, heißt es in der Aussendung.

Muslimische Jugend: „Auch uns reicht es!“

Die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) schrieb in einer Aussendung am Mittwoch, „Auch uns reicht es!“. Sie spielten damit auf das „Standard“-Interview an, in dem Akay-Türker gesagt hatte: „Es reicht! Ich möchte nicht mehr, dass die Frauen eingeschüchtert werden. Denn wenn es so weitergeht, wenn wir unsere Strukturen nicht hinterfragen, haben wir keine Chance auf Zukunft, da die Frauen, Mädchen und Jugendlichen sich vom Islam immer mehr entfernen.“

Da nun auch die letzte Frau des höchsten Gremiums der offiziellen Vertretung der Musliminnen und Muslime in Österreich das Handtuch geworfen habe, müsse man sich fragen, "wie ernst die Ankündigung der IGGÖ war, den Frauen mehr Möglichkeiten innerhalb der Glaubensgemeinschaft zu geben“, so die MJÖ-Vorsitzende Nermina Mumic. Es gebe in den muslimischen Communities dringenden, frauenpolitischen Handlungsbedarf.

religion.ORF.at/APA

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