Früherer Oberrabbiner Eisenberg ist 70
Der für seinen Humor bekannte jüdische Geistliche befindet sich nach eigener Aussage in „Halbpension“, da er für den Bund Israelitischer Kultusgemeinden in Österreich und damit außerhalb Wiens weiterhin tätig ist. Eisenberg war seit 1983 Oberrabbiner der IKG Wien, seit knapp vier Jahren ist er in dieser Funktion in Pension.
Paul Chaim Eisenberg wurde am 26. Juni 1950 in Wien geboren. Bereits sein Vater, Bela Akiba Eisenberg, war Oberrabbiner der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde und der erste Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien nach dem Zweiten Weltkrieg. Den Krieg hatte der Vater in Ungarn versteckt auf dem Land überlebt.
Von den Zahlen zu den Menschen
Nach der Matura studierte Eisenberg an der Universität Wien Mathematik und Statistik. Von 1973 bis 1978 absolvierte er in Jerusalem ein Rabbinatsstudium. 1978 wurde er zum Rabbiner bestellt und übernahm 1983 nach dem Tod seines Vaters das Amt des Oberrabbiners von Wien. Der Autor mehrerer Bücher gilt als moderat-orthodoxer Rabbiner mit liberaler Weltsicht.
APA/Werner Kerschbaum
Hätte er seine ursprünglichen Studien absolviert, „wäre ich einer der besten Computerexperten Österreichs geworden“, sagte er einmal. „Plötzlich interessierte mich das nicht mehr: zu viele Zahlen, zu wenig Menschen“, zitierte ihn die APA anlässlich seines 60. Geburtstags.
In der Öffentlichkeit bekommt der humorvolle Anekdotenerzähler bisweilen gar den Stempel „Entertainer“ aufgedrückt: Er war zum Beispiel 1995 Gast in Hermes Phettbergs „Nette Leit Show“, und später bei Dirk Stermann und Christoph Grissemann in der ORF-Talkshow „Willkommen Österreich“.
Man habe ihm vom Besuch bei Phettberg abgeraten, blickte er zurück - das schicke sich nicht für einen Oberrabiner. Doch „ich setze diesem tierischen Ernst derer, die glauben, sie wüssten genau, wo es langgeht, lieber ein Lächeln entgegen und Humor“. Dieser habe immer auch eine bittere Nuance, so Eisenberg.
„Religiöser Mensch auch lustbetont“
Oberrabbiner Eisenberg äußerte die jüdische „Meinung, dass ein religiöser Mensch auch lustbetont leben darf“, solange das nicht als das Wesentliche des Lebens betrachtet werde. „Es darf lustig sein, aber nicht immer, es gibt auch ernste Momente.“ Einer der drei Urväter in der Genesis heiße sogar „Der, über den gelacht wurde“: Isaak.
Auch im Talmud gebe es die Empfehlung, der Rabbiner solle einen ernsten Talmud-Vortrag „immer mit einem kleinen Witz beginnen, dann werden die Leute aufpassen“. Eisenberg wies auch auf den Unterschied zwischen einem tief frommen Menschen und einem Fundamentalisten hin. Ersterer kümmere sich um die eigene Frömmigkeit, „der Fundamentalist schaut drauf, dass der andere fromm ist ... Weil er alles ‚besser‘ weiß, fehlt ihm jeder Humor.“
Humor hat auch bittere Nuance
Auf die Frage, wie das Judentum mit dem Säkularismus umgeht, der die christlichen Kirchen vor Probleme stelle, antwortete Eisenberg in einem Kirchenzeitungsinterview von 2016 mit einem „etwas traurigen Witz: Ein säkularer Jude schickt seinen Sohn auf eine staatliche Schule. Dort hört er von der Dreifaltigkeit, versteht das falsch und sagt zu Hause zu seinem Vater: ‚In der Schule habe ich gehört, es gibt drei Götter.‘ Der Vater erwidert: ‚Nein, bei uns gibt es nur einen Gott, an den wir nicht glauben.‘“
Über seine Amtszeit als Oberrabbiner sagte Eisenberg, er habe 1983 mit Elan und vielen großen Plänen begonnen, die er nur teilweise verwirklichen habe können.
APA/Herbert Pfarrhofer
Religionen entwickeln sich weiter
Eisenberg engagierte sich für den interreligiösen Dialog - unter anderem auch musikalisch. So gab es seit 2012 jahrelang musikalische Freundschaftstreffen, wo Eisenberg mit dem Benediktiner-Abtprimas Notker Wolf und dem früheren lutherischen Bischof Michael Bünker zusammen musizierte. Auch Konzerte wurden gespielt. Er ging stets davon aus, dass sich auch die Religionen in einer Fort- und Höherentwicklung befinden. Er sah Probleme dort entstehen, wo eine Religion einen fundamentalistischen Standpunkt einnimmt und ihren Glauben allen Menschen aufzwingen will.
Beim Lichtermeer 1993, einer Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz mit etwa 30.000 Teilnehmenden in Wien, sang Eisenberg im Anschluss an seine Rede zusammen mit Jazz-Gitti „Schalom - Wir wollen Frieden“. Einleitend meinte er: „Wir sind bestimmt ein hübsches Paar.“ Nicht hinterm Berg hielt Eisenberg in der Vergangenheit auch mit seiner Meinung zur FPÖ. Kürzlich sagte er: „Ich danke dem lieben Gott, dass er die Insel Ibiza erschaffen hat.“
Eisenberg ist Vater von sechs Kindern, sein Sohn hat ebenfalls die Rabbinerprüfung abgelegt. 2013 wurde Eisenberg mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien ausgezeichnet.
religion.ORF.at/APA/KAP
Mehr dazu:
- Das Judentum, mit Witz erklärt
(religion.ORF.at; 9.10.2017)