EuGH: Kirchenrechtler vermisst „Feingefühl“

Nach Ansicht des evangelischen deutschen Staatskirchenrechtlers Hans Michael Heinig fehlt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) das „Feingefühl“ im Blick auf religionspolitische Fragen.

„Das merkt man der Rechtsprechung auch an. Sie ist religionskulturell unterbelichtet“, sagte Heinig im Interview dem Portal katholisch.de. Daher gebe es eine „untergründige Tendenz, im Zweifel eher eine integrationspolitische Agenda zu verfolgen oder wirtschaftliche Rechte höher zu gewichten als kulturelle und religiöse Freiheitsrechte“.

Heinig ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Kirchenrecht und Staatskirchenrecht, an der Uni Göttingen und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Frage nach Kompetenzbereich

Die Regelung, wonach die Rechtsposition der Religionsgemeinschaften respektiert werden soll, funktioniere im politischen Tagesgeschäft der EU-Rechtssetzung „gar nicht so schlecht“, ergänzte der Experte. „Beim EuGH hingegen bleibt davon nichts übrig.“ Hier werde auch schon mal die Frage gestellt, ob er bei einigen Themen seinen Kompetenzbereich überschreite.

Als konkretes Beispiel nannte Heinig den „Fall Egenberger“, der bald in die nächste Runde gehen dürfte: Eine konfessionslose Bewerberin wurde in einer evangelischen Einrichtung nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Daraufhin klagte sie wegen Diskriminierung, weil dies aus ihrer Sicht aufgrund ihrer fehlenden Kirchenzugehörigkeit geschehen sei. Hier habe aber auch das deutsche Bundesarbeitsgericht die Vorgaben des EuGH „bemerkenswert religionsfreiheitsfeindlich angewendet“, statt seinen Spielraum „grundgesetzschonend“ zu nutzen, so Heinig.

Deutschland: Weichenstellungen stehen an

Gerade zum in Deutschland geltenden kirchlichen Arbeitsrecht stünden wichtige Weichenstellungen an, so der Staatskirchenrechtler. Dabei gehe es immer auch um die Frage, wie hoch und wie unterschiedlich Gerichte das Selbstorganisationsrecht der Kirchen bewerten.

Das hängt aus Heinigs Sicht nicht zwingend damit zusammen, ob Richter kirchlich geprägt sind oder nicht: „Es ist jedenfalls kein Automatismus, dass eine säkularer werdende Gesellschaft, was immer der vielschichtige Begriff ‚säkularer‘ auch heißt, automatisch weniger religiöse Freiheitsräume bieten wird.“ Der Sinn für das Besondere des Religiösen gehe vielleicht ein Stück weit zurück, aber auch Menschen „mit einer säkularen Option können gute Gründe dafür entdecken, religiöse Freiheiten zu gewährleisten, und das nicht nur auf einer Minimalbasis“.

reloigion.ORF.at/KAP

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