Vatikan-Beraterin für „Kardinalskollegium mit Frauen“

Die französische Theologin und Ratzinger-Preisträgerin Anne-Marie Pelletier hat eine stärkere Präsenz von Frauen in entscheidenden Positionen der katholischen Kirche angemahnt.

In einem Interview mit der französischen katholischen Zeitung „La Croix“ bringt sie nach Angaben des Portals Vatican News einen Frauenrat für den Papst sowie „ein Kardinalskollegium mit Frauen“ ins Spiel. Als wenig hilfreiche Provokation wertet Pelletier indes den jüngsten Vorstoß der französischen Theologin Anne Soupa, die sich um den Posten des Erzbischofs von Lyon „beworben“ hatte. „Die Überzogenheit dieser Ankündigung ist eine gute Ausrede, um sie nicht zu hören“, sagte die Ratzinger-Preisträgerin.

„Es gibt viele Orte, an denen Frauen heute aktiv sein müssen, um Autorität auszuüben und neue Regierungsformen zu inspirieren“, fuhr Pelletier fort. Sollten Frauen „eines Tages Zugang zum Amtspriestertum haben, eine Hypothese, die heute ausgeschlossen ist“, dann doch deshalb, damit dieses Priestertum „etwas anders gelebt und ausgeübt“ werde.

Kirche mit „anderem Gesicht“

„Andernfalls ist alles bloß eine Frage von Macht und Wettbewerb.“ Reden müsse man aber über „die Wahrheit“, dass das Amtspriestertum „nicht die einzige Autorität sein kann, die über das Leben und die Leitung der Kirche entscheidet“. Wenn Frauen heute schon etwa in Seminaren Ekklesiologie lehren würden, „könnte die Kirche ein anderes Gesicht haben“.

Das „Bewerbungsschreiben“ Soupas für die Position des derzeit vakanten Erzbischofsstuhls von Lyon ignoriere die Tatsache, dass Verantwortungsträger in kirchliche Positionen berufen werden und man sich nicht selbst bewirbt, „etwas, das Kirchenmänner manchmal vergessen“, so Pelletier in in einem Nebensatz.

Auch sei keineswegs sicher, dass der beste Weg der kirchlichen Erneuerung „darin liegt, einen Anspruch auf bestehende Ämter zu erheben“. Sicherlich müssten Frauen Platz in den kirchlichen Institutionen einnehmen, „aber nicht notwendigerweise durch die Eroberung bestehender Formen der Macht“.

Nicht fixieren auf Frauendiakonat

Eine eventuelle Weihe von Diakoninnen in der Kirche hätte „zweifellos einen starken symbolischen Wert“, räumte die Theologin ein. Die Frage sei aber „komplexer, als sie scheint“. Letztlich hänge alles vom Profil dieses Frauendiakonats ab. „Eine unterdimensionierte Version des männlichen Diakonats würde die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen nur bestätigen“, so Pelletier. Dieses Risiko sei nicht unrealistisch angesichts der großen „Angst einiger, dass Frauen dem Weihesakrament zu nahe kommen“.

Papst Franziskus hatte die französische Theologin in die zweite Auflage der päpstlichen Kommission zum Frauendiakonat berufen. Pelletier warnte in dem Interview mit „La Croix“ aber vor einer Fixiertheit auf die Frage des Frauendiakonats, weil man so riskiere, das „wahre Ausmaß des Problems“ zu verschleiern

„Es ist die Gesamtfrage der Ämter in der Kirche, die wieder geöffnet werden muss, da sie beide Geschlechter und die verschiedenen Lebenslagen betrifft“, so Pelletier. Sie erhalte Zuschriften von Katholikinnen, die sich einen „wirklichen Wandel der Perspektive und der Mentalitäten“ wünschten und auch forderten, „dass man ihrer Erfahrung vertraut und ihre Stimme in das Wort des Lehramtes aufnimmt“, sagte die Theologin.

„Mut haben, die Kirche anders zu denken“

Das Verhältnis zwischen Männern und Frauen werde in der Gegenwart überall in Frage gestellt, „und zwar in einer Weise, die zu begrüßen ist“, stellte Pelletier klar. Das sei auch für die katholische Kirche die Chance zu einer echten, evangeliumsgemäßen Umkehr. „Es ist eine Chance, ein wahres inneres Gleichgewicht zu finden und den Mut zu haben, die Kirche anders zu denken. Die Sache der Frauen ist auch ganz einfach die Sache der Kirche.“

Anne-Marie Pelletier empfing 2014 als erste Frau den renommierten Ratzinger-Preis für Theologie. Papst Franziskus betraute die Bibelwissenschaftlerin 2017 mit dem Erarbeiten der Fastenmeditationen für den päpstlichen Kreuzweg am Kolosseum.

religion.ORF.at/KAP

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