Zeugen Jehovas in Russland Repressalien ausgesetzt

Zeugen Jehovas sind in Russland Repressalien ausgesetzt. Die Gemeinschaft wurde 2017 als extremistisch verboten, seitdem wurden mehrere Mitglieder inhaftiert. Ein dänischer Zeuge Jehovas wird nun überraschend entlassen.

Der dänische Staatsbürger Dennis Christensen, der am 3. Juli freigelassen werden soll, war im Februar 2019 zu sechs Jahren Straflager verurteilt worden. Der Grund: Extremismus. Er war der erste, der nach Schaffung des Verbots verurteilt wurde. Nach Angaben der österreichischen Zeugen Jehovas befinden sich noch weitere zehn Mitglieder in Haft und knapp 50 in Untersuchungshaft beziehungsweise unter Hausarrest.

Der Däne, der mit einer Russin verheiratet ist, hatte laut Aussendung der österreichischen Gemeinschaft vom Montag vier Anträge auf eine Umwandlung seiner Haftstrafe in eine Geldstrafe gestellt, bevor nun überraschend vom Bezirksgericht in Lgow im Westen Russlands seine Freilassung verkündet wurde.

Hoffnung auf Kursänderung

Die Zeugen Jehovas Österreich zeigten sich erfreut über die angekündigte Freilassung nach 1.128 Tagen Haft. „Die aktuelle Entscheidung lässt uns hoffen, dass die offiziellen Stellen in Russland eine Änderung ihres bisherigen Kurses gegen Jehovas Zeugen in Erwägung ziehen“, so die Zeugen Jehovas Österreich.

Ob die Freilassung Christensens tatsächlich eine Änderung des Kurses darstellt, scheint fraglich. Denn erst Anfang Juni wurde wieder ein Mitglied der Zeugen Jehovas zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er ein führendes Mitglied der Gemeinschaft ist. Auf religion.ORF.at-Anfrage hieß es von der Gemeinschaft, dass noch 353 Verfahren offen seien und 970 Hausdurchsuchungen bei Zeuginnen und Zeugen Jehovas durchgeführt wurden.

Der dänische Zeuge Jehovas Dennis Christensen bei Gericht in Russland

APA/AFP/Mladen Antonov

Der dänische Zeuge Jehovas Dennis Christensen wurde 2019 zu sechs Jahren Haft verurteilt. Am dritten Juli soll er freigelassen werden.

Das Oberste Gericht in Moskau hatte die Zeugen Jehovas im April 2017 auf Antrag des Justizministeriums verboten. Es berief sich dabei auf ein Gesetz, welches das Verbot „extremistischer Organisationen“ zulässt.

Einen Monat später nahmen bewaffnete Geheimdienstmitarbeiter Christensen und dutzende andere Mitglieder der Glaubensgemeinschaft während eines Gottesdienstes in Orjol (ebenfalls im Westen Russlands) fest. Alle außer Christensen wurden kurz darauf wieder freigelassen. Sein Prozess begann im April 2018.

Mehrfach vom EuGH verurteilt

Die russische Regierung wirft der Bewegung vor, mit aggressiven Methoden Gläubige anzuwerben. Wegen des Vorgehens der Behörden gegen die Religionsgemeinschaft wurde Russland bereits mehrfach vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu Schadenersatzzahlungen verurteilt.

Die Zeugen Jehovas sind bekannt für ihre Tür-Mission, ihr Bibelstudium, die Ablehnung von Kriegsdienst und Blutkonserven und dafür, dass sie keine Feiertage und Geburtstage zelebrieren. In Österreich ist die Glaubensgemeinschaft staatlich anerkannt. In Russland ist die Glaubenspraxis seit dem Verbot nur noch im ganz privaten Kreis möglich. Größere, öffentliche Gottesdienste sind nicht möglich, ebenso die Tür-Mission und das Verteilen der Zeugen-Jehovas-Zeitschriften „Wachtturm“ und „Erwachet“.

Immer härteres Vorgehen

Menschenrechtler in Russland beklagen seit Monaten ein immer härteres Vorgehen des Machtapparats - auch gegen Aktivisten und Oppositionelle. Dabei wurde unter anderem auf Verstöße gegen Grundrechte wie Religions-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit verwiesen.

Sergej Davidis, Aktivist bei der internationalen Menschenrechtsorganisation Memorial (mit Sitz in Moskau) kritisierte Anfang Juni gegenüber dem russischen Radiosender Echo Moskwy, dass besonders Mitglieder religiöser Minderheiten stärker verfolgt würden. „Friedliche Muslime werden haltlos des Terrorismus beschuldigt. Die Zeugen Jehovas, die in Russland verboten sind, werden wegen extremistischer Aktivitäten angeklagt.“

gold, religion.ORF.at/APA/AFP/dpa

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