Schönborn Zeuge im Stadterweiterungsprozess

Im Prozess um den Wiener Stadterweiterungsfonds ist am Dienstag Kardinal Christoph Schönborn als Zeuge zu Wort gekommen. Die Erzdiözese Wien hatte 2008 einen Zuschuss für einen Kirchenbau erhalten, bis heute wurde das Projekt nicht verwirklicht.

Die Anklage legt dem ehemaligen Geschäftsführer und drei Sektionschefs des Innenministeriums, die gemeinsam das Kuratorium bildeten, Untreue zur Last. Der Stadterweiterungsfonds spendete im Jahr 2008 einen Zuschuss von 250.000 Euro für den Bau einer Kirche in der Seestadt in Wien-Aspern.

„Die Stadterweiterung ist für uns als Kirche ein wichtiges Thema, weil die Seelsorge in den Stadterweiterungsgebieten ein wichtiges Thema ist“, erläuterte dazu laut APA Kardinal Schönborn im Zeugenstand. Er sei daher „hocherfreut“ gewesen, als im Sommer 2008 der Geschäftsführer des Stadterweiterungsfonds an ihn herantrat und „Hilfe für die Kirche“ in Aussicht stellte. Den Kontakt zwischen Geber und Empfänger hatte der Regionalvikar des Opus Dei in Österreich unter Einschaltung des ehemaligen Kabinettschefs von Ex-Innenminister Ernst Strasser vermittelt.

Bis heute kein Projekt realisiert

Noch im selben Jahr sei bei einer veranschlagten Bausumme von drei bis vier Millionen Euro eine Spende in Höhe von 250.000 Euro für die Kirche zugesagt und in weiterer Folge auch überwiesen worden, berichtete Schönborn. Das Projekt habe sich allerdings „langsamer als geplant“ entwickelt.

Die Kirche bzw. den geplanten „Campus der Religionen“, in den das Gotteshaus eingebunden sein sollte, gibt es bis heute nicht, obwohl laut Schönborn davon ausgegangen wurde, „dass das 2012 steht“. Eine Liegenschaft sei angekauft worden, betonte Schönborn: „Das Grundstück existiert, befindet sich aber in der Pampa, weil dort noch nicht gebaut wurde.“

Kardinal Christoph Schönborn sitzt mit MNS und einer Mappe auf den Knien

APA/Georg Hochmuth

Kardinal Christoph Schönborn war als Zeuge im Prozess wegen Geldervergaben des Wiener Stadterweiterungsfonds

Schönborn weiter: „Das Geld ist ordnungsgemäß eingegangen und liegt seither auf einem Treuhandkonto. Es ist nie angerührt worden.“ Mit dem Baulos, auf dem das Fundament der Kirche stehen soll, sei erst 2019 begonnen worden, der Architektenwettbewerb sei im Gang: „Das Projekt ist nicht gestorben. Das Geld wartet nach wie vor darauf, dass die Kirche gebaut wird.“ Die Viertelmillion sei gewidmet und habe „ein klares Mascherl“, bekräftigte der Kardinal und Wiener Erzbischof.

Die Bauverzögerungen habe man dem Stadterweiterungsfonds nicht schriftlich gemeldet, nahm Schönborn an: „Ich vermute, dass mündliche Informationen ergangen sind.“ Abschließend zeigte er sich zuversichtlich, dass das Bauvorhaben umgesetzt wird: „Ich hoffe, dass ich es noch erlebe, dass es realisiert wird.“

Päpstliche Orden für Angeklagte

Der Wiener Erzbischof wurde auch dazu befragt, dass alle vier Angeklagten - drei Sektionschefs im Innenministerium und der ehemalige Geschäftsführer des Stadterweiterungsfonds - einen päpstlichen Orden erhalten haben. Dies sei „in Anerkennung für ihr Engagement für die katholische Kirche“ geschehen, so Schönborn. Deren Tätigkeit für den Stadterweiterungsfonds habe „sicher nicht die einzige Rolle gespielt“.

Den Antrag auf die Verleihung des Ordens habe der Regionalvikar des Opus Dei in Österreich eingebracht, erinnerte sich der Kardinal, wobei zusätzlich der Ex-Kabinettschef von Ernst Strasser vorgeschlagen wurde. Letzterer sei allerdings von Rom abgelehnt worden. Das Kuratorium des Stadterweiterungsfonds bekam dafür geschlossen das Ritterkreuz des Päpstlichen Silvesterordens verliehen - „bei weitem nicht der höchste Orden für Laien“, wie Schönborn anmerkte.

„Campus der Religionen“ geplant

Aus der geplanten Seestadt-Kirche ist mittlerweile ein Teil des interreligiösen Projekts „Campus der Religionen“ geworden, für das im selben Gebäude Gottesdiensträume für alle großen Religionsgemeinschaften in unmittelbarer Nähe des künftigen Campus der Hochschule KPH Wien/Krems untergebracht werden sollen. Für das Vorzeigeprojekt, von dem sich auch die Gemeinde Wien eine integrative Wirkung für die künftige Seestadt-Bevölkerung verspricht, endete kürzlich die Einreichfrist für einen Architekturwettbewerb.

Auch Spenden an Kultusgemeinde

Neben der Erzdiözese Wien hatten die Angeklagten auch die Israelitische Kultusgemeinde in Wien mit Spenden bedacht. Wie deren aktueller Präsident Oskar Deutsch im Zeugenstand darlegte, wurden für ein jüdisches Berufsbildungszentrum, den Druck von Gebetsbüchern, die Sanierung von Grabsteinen am Zentralfriedhof und die Ausgestaltung eines Klassenzimmers einer jüdischen Schule über 100.000 Euro zur Verfügung gestellt.

„Ich sag’ Ihnen ganz offen, wenn es die Möglichkeit gibt, für die Kultusgemeinde Geld zu lukrieren, werden wir das in den meisten Fällen auch tun“, sagte Deutsch in Richtung Richterin Claudia Moravec-Loidolt.

religion.ORF.at/APA/KAP