1922-38: Bischofsberichte an Pius XI. online

Die Bischofsberichte, die die österreichischen römisch-katholischen Bischöfe in den Jahren 1922 bis 1938 an Papst Pius XI. schickten, sind online zugänglich.

Das digitale kirchenhistorische Forschungsprojekt „Pius XI. und Österreich“ an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien machte kürzlich die „Quinquennal-Berichte“ (Fünfjahresberichte) der österreichischen Bischöfe der Jahre 1922 bis 1938 an Papst Pius XI. (1922-1939) in einer eigenen Online-Edition zugänglich.

Die mehrere hundert Seiten umfassende Online-Edition enthält die Berichte aller damaligen österreichischen Bischöfe im lateinischen Original sowie in deutscher Übersetzung. Diese geben Auskunft über die kirchlich-statistische Situation jener Jahre ebenso wie über die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklungen. Zudem geben sie Aufschluss über die bischöfliche Einschätzung der entscheidenden Jahre gegen Ende der Ersten Republik.

Kirchenhistoriker: „Pionier-Charakter“

Erarbeitet und erschlossen wurden die Quellen von der Arbeitsgemeinschaft der Diözesanarchivare und -archivarinnen Österreichs unter Federführung von Johann Weißensteiner (Wien) und Peter Tropper (Klagenfurt). Die Publikation erfolgte in Kooperation mit dem Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber bzw. mit dem von ihm geleiteten Forschungsprojekt „Pius XI. und Österreich“.

Verfügbar sind die Berichte in Form von diözesan strukturierten PDF-Downloads inklusive einer „historischen Zusammenschau“ und Einführung von Johann Weißensteiner. Gegenüber der römisch-katholischen Agentur Kathpress betonte Klieber den „Pionier-Charakter“ der Edition: „Soweit ersichtlich, ist sie die erste dieser Art für ein ganzes Land“.

Bischöfe trauerten um untergegangene Monarchie

Die Palette in den Berichten angesprochener Sachverhalte sei denkbar breit und reiche von Fragen der Verhütung und Ehemoral über die Beobachtung sozialer Veränderungen etwa als Folge des Tourismus bis hin zu Einschätzungen der politischen Lage in Österreich. So hätten etwa die damaligen Bischöfe Adam Hefter (Gurk), Johannes Maria Gföllner (Linz) und Sigismund Waitz (Innsbruck) in den Berichten dem Papst gegenüber „kein Hehl daraus, wie sehr sie der untergegangenen Monarchie nachtrauerten“.

Bis 1933 dominierte laut Klieber die „Angst vor den Sozialisten, die von den meisten Oberhirten quasi als Sekte wahrgenommen wurde, ‚die Arbeiter verführte‘ und Kindern den ‚Glauben aus den Herzen riss‘.“ Doch bereits im Oktober 1933 sei es den Berichten zufolge Bischof Waitz gedämmert, dass „die vielleicht größte Gefahr von Seite jener drohe, die Nationalsozialisten genannt werden“, zitierte Klieber aus einem entsprechenden Bericht.

Viele „blinde Flecken“

Insgesamt würden die Berichte - sowohl die Fragen seitens der römischen Kurie als auch die Antworten der Bischöfe - „ein gerütteltes Maß an Betriebsblindheit“ verdeutlichen, so Klieber weiter. „Vieles wurde allein aus dem eigenen Wahrheits- und Geltungsanspruch heraus interpretiert und vergleichsweise wenig aus dem Kontext der Lebensumstände von Betroffenen.“

Daraus resultierten nicht wenige „blinde Flecken der Wahrnehmung und recht holzschnittartige Einschätzungen von ‚Gegnern‘, allen voran der Sozialisten der Zeit.“ Die geringe Zahl an erhaltenen Rückmeldungen aus Rom sowie die Art dieser Reaktionen lasse zudem befürchten, „dass man den Selbstevaluierungen der österreichischen Kirche an der Kurie nicht jene Aufmerksamkeit angedeihen ließ, die sie verdient hätten.“

Bischofsberichte an Papst seit 1585

Bereits seit 1585 verlangte der Heilige Stuhl regelmäßige Berichte aus den Diözesen. 1725 wurde das erste Schema für solche Berichte erarbeitet, dass bis 1908 in Geltung blieb. Dann erfolgte eine Umstellung auf einen Katalog von zunächst 150, seit 1918 dann 100 Fragen, auf die die Bischöfe alle fünf Jahre Antwort geben sollten.

Diese Fragen umfassten statistische Aussagen über die Diözesen ebenso wie Informationen über die Entwicklung des Klerus, der Orden, der Priesterausbildung, aber auch die kirchenhistorisch besonders interessanten Aussagen über „Das gläubige Volk“ und das christliche Leben in Österreich bzw. die Einschätzung der Bischöfe dazu.

Katholisches vs. sozialdemokratisches Lager

Die auch gesellschaftspolitische Relevanz der Dokumente zeigte beispielhaft der Wiener Archivar und Projektleiter Johann Weißensteiner auf: So sei durch die Auswertung der Berichte die vom österreichischen Historiker Ernst Hanisch aufgestellte These einer ideologischen Zweiteilung Österreichs während der Ersten Republik in ein katholisches und ein sozialdemokratisches Lager weitgehend bestätigt worden.

„Die Abwehr der durchgehend als religionsfeindlich, ja geradezu als gottlos bezeichneten Sozialdemokratie kommt auch in den Quinquennal-Relationen durchgehend zur Sprache. Dass hinter der Ideologie konkrete Menschen standen, wurde übersehen.“

religion.ORF.at/KAP

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