Der Papst und die Kritik von rechts

Papst Franziskus sieht sich mit massiver Kritik konfrontiert. Konservative Kirchenkreise lassen kein gutes Haar an ihm. Der Widerstand gegen sein Pontifikat ist aber keine allein kircheninterne Angelegenheit mehr. Franziskus hat sich auch Feinde außerhalb der Kirche gemacht.

Relativismus, Modernismus, falsche Ökumene: Die Liste der Vorwürfe konservativer und traditionalistischer Kritiker ist lang. In dem Synodendokument „Amoris laetitia“ über die Liebe in der Familie vermissen sie das eindeutige Verbot einer Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion.

Im „Dokument über die Geschwisterlichkeit aller Menschen“, das der Papst 2019 in Abu Dhabi unterzeichnete, sehen sie eine Preisgabe katholischer Lehre zugunsten einer allgemein-menschlichen Brüderlichkeit.

Zum Rücktritt aufgefordert

Erzbischof Carlo Maria Vigano, ehemaliger päpstlicher Nuntius in den USA, hat Franziskus bereits im Zusammenhang mit einem Missbrauchsfall in den USA offen zum Rücktritt aufgefordert. Zuletzt warf er dem Papst vor, eine schismatische „Neo-Kirche“ etablieren zu wollen.

Papst Franziskus bei der Pfingstmesse 2019

Reuters/Yara Nardi

Papst Franziskus - der Widerstand gegen sein Pontifikat wächst seit Jahren

Vigano ist nicht der einzige Würdenträger, der offen gegen den Papst auftritt. Im Zusammenhang mit „Amoris laetitia“ formulierten Kardinäle ihre „Zweifel“ und forderten öffentlich eine Korrektur. Unterschriftenlisten, Bücher und sogar Plakataktionen wandten sich gegen den Papst.

Vatikan-Experte: Fundamentalisten am Werk

Vatikan-Journalist Marco Politi, Autor eines Buches über „Das Franziskus-Komplott“, spricht im ORF-Interview von einem wahren „Delegitimationsprozess“, der „vonseiten der Konservativen und Fundamentalisten in der Kirche“ vorangetrieben werde, und meint: „Eine solche Eskalation hat es gegen keinen Papst der neueren Zeit gegeben.“

Papstkritiker Erzbischof Carlo Maria Vigano

Reuters/Stringer

Erzbischof Carlo Maria Vigano forderte Papst Franziskus zum Rücktritt auf

Kritik aus den USA

In Teilen der US-amerikanischen Kirche ist die Kritik besonders heftig – mit breit gestreuten Motiven. Einer der wortmächtigen Kritiker ist Philip Lawler aus Lancaster in Massachusetts, der Herausgeber eines katholischen Nachrichtenportals.

Im Zorn über „Amoris laetitia“ hat er unter dem Titel „Der verlorene Hirte“ ein Buch über Franziskus verfasst. Die katholische Lehre sei wahr, sagt Lawler, und daher unveränderlich. Sie erhebe den Anspruch, überall und für jeden gültig zu sein. Die strengen Regeln – etwa in Fragen der Ehemoral – dürften nicht aufgeweicht, die Barrieren nicht abgesenkt werden. Papst Franziskus aber stelle die 2.000 Jahre alte katholische Lehrtradition infrage.

Kirche soll Mauern errichten

Das in New York erscheinende Magazin „First Things“ gibt Kirchendebatten viel Raum. Als Franziskus 2018 die Todesstrafe ächtete, gingen die Wogen besonders hoch. Die Autoren warfen dem Papst vor, er habe einmal mehr die Lehre der Kirche verändert – und dabei katholische Politiker in Gewissenskonflikte gestürzt.

Im Gespräch mit Rusty Reno, dem „First Things“-Chefredakteur, wird deutlich, wie wichtig für viele die Bewahrung katholischer Identität im protestantisch geprägten Umfeld der USA ist. Reno wirft dem Papst vor, keine klare Sprache zu sprechen und vieles im Unklaren zu lassen. Die Kirche dürfe nicht im Mainstream aufgehen; sie müsse Mauern errichten, um unterscheidbar zu bleiben, fordert er.

„Verschwörung zur Zerstörung der Kirche“

Der texanische Publizist Taylor Marshall beschreibt in seinem Buch „Infiltriert“ eine Geschichte der „Verschwörung zur Zerstörung der Kirche“, die vom gegenwärtigen Papst fortgesetzt werde. Seit Jahrzehnten dringe ein „säkularer Humanismus“ in die Kirche ein. Dazu gehörten eine Nivellierung der Religionen, der Gedanke einer universellen Gleichheit aller Menschen und die Erosion der Moral, vor allem in Fragen der Sexualität.

Papst Franziskus mit jungen Flüchtlingen in Lesbos (Moria Flüchtlingslager) 2016

Reuters/Filippo Monteforte/Pool

Franziskus hat sich auch mit dem Einsatz für Flüchtlinge Feinde gemacht

Feinde außerhalb der Kirche

Der Streit geht allerdings über innerkatholische Flügelkämpfe hinaus; Papst Franziskus hat sich mit seinem Eintreten für geflüchtete Menschen, für soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung auch außerhalb der Kirche Feinde gemacht.

Von einem „Papst in der Zange“ spricht Marco Politi. Nicht eine Splittergruppe stehe gegen ihn, sondern ein „konservatives ökonomisch-politisches und theologisches Netz“. Politis Kollege, der Vatikan-Journalist Robert Mickens, ist selbst Amerikaner und geht mit seinen Landsleuten hart ins Gericht. Der Papst werde bisweilen kritisiert nicht obwohl, sondern weil er das Evangelium verkünde. „Leider“, sagt Mickens, „haben wir in den USA Katholiken, die eher Trump-Anhänger sind als Christen“.

Buchhinweise

  • Marco Politi, Das Franziskus-Komplott. Der einsame Papst und sein Kampf um die Kirche. Herder, 2020
  • Philipp F. Lawler, Der verlorene Hirte. Wie Papst Franziskus seine Herde in die Irre führt. Renovamen, 2018
  • Taylor Marshall, Infiltriert. Die Verschwörung zur Zerstörung der Kirche. Renovamen, 2020
  • George Weigel, The Next Pope. The Office of Peter and a Church in Mission. Ignatius Press, 2020

Der Papst und die Politik

In einem Kloster unweit von Rom plant ein katholisches „Institut für die Menschenwürde“ die Eröffnung einer Akademie zur Rettung des Abendlandes. Der Brite Benjamin Harnwell ist ihr Direktor. Er möchte mit Steven Bannon, dem Ex-Berater Donald Trumps, der europäischen Rechten neuen Schwung verleihen.

Dem Papst wirft Harnwell vor, Politiker statt Seelsorger zu sein. Die Kirche solle von Sünde und Erlösung predigen, nicht von Umweltschutz und Klimawandel, fordert Harnwell.

Anfang Februar fand in Rom eine Konferenz statt, die das politische Engagement eines anderen Papstes durchaus würdigte. Das Thema: „Gott, Ehre, Vaterland. Präsident Ronald Reagan, Papst Johannes Paul II. und die Freiheit der Nationen“ - die Erinnerung an den vereinten Kampf gegen den Kommunismus als Impuls für national-konservatives Denken. Matteo Salvini, Marion Marechal und Viktor Orban standen auf der Teilnehmerliste.

Trump mit Bibel

APA/AFP/Brendan Smialowski

Politik und Religion: US-Präsident Trump macht Wahlkampf mit der Bibel

Lebensschützer Donald Trump

Donald Trump versucht einstweilen, die katholische Kirche vor seinen Wahlkampfwagen zu spannen. In einer Telefonkonferenz mit Kirchenvertretern, die eigentlich den coronavirusbedingten Sorgen katholischer Schulen gewidmet war, warnte der Präsident kürzlich Kirchenvertreter für den Fall, dass er die Wahl verlieren würde: „Sie bekämen dann eine ganz andere katholische Kirche.“

Der New Yorker Kardinal Timothy Dolan dankte Trump, der als erster US-Präsident an einem Pro-Life-Marsch teilgenommen hat, für seine Führungsstärke in Sachen Lebensschutz und Religionsfreiheit – und handelte sich damit einen offenen Brief ein, den mehr als tausend Gläubige unterschrieben. Kirchenverantwortliche sollten sich nicht mit einem Präsidenten zusammentun, der „Immigrantenfamilien auseinanderreißt, den Klimawandel leugnet, das Land spaltet und mit seiner Wirtschaftspolitik den Armen Schaden zufügt“, hieß es in dem Schreiben.

Erzbischof von New York, Kardinal Timothy Dolan

APA/AFP/Kena Betancur

Kardinal Timothy Dolan warb für das Buch eines Franziskus-Kritikers

Rote Hüte, FBI und der nächste Papst

Eine neue Allianz Vatikan-USA scheint derzeit außer Reichweite. Strategen richten den Blick daher bereits auf den Nachfolger auf dem Stuhl Petri. Kardinal Dolan soll kürzlich ein Buch mit dem Titel „Der nächste Papst“ an seine Kollegen im Kardinalskollegium versandt und damit Kontroversen ausgelöst haben. Der als Franziskus-kritisch bekannte Autor des Buches macht sich darin Gedanken über die Eigenschaften, die ein künftiger Papst ins Amt mitbringen soll. Mit anderen Mitteln versucht eine von reichen Leuten unterstützte Initiative, auf das nächste Konklave Einfluss zu nehmen.

Mit einem Team von ehemaligen FBI-Ermittlern sollen Dossiers über alle Kardinäle angelegt werden – eine Methode, die man von amerikanischen Wahlkämpfen kennt. Ein „Rothut-Bericht“ soll noch heuer vorgelegt werden. Mit offener Papst-Kritik hält man sich zurück, aber sie steckt schon im Namen des Unternehmens: „Better Church Governance“, eine bessere Kirchenführung. Bei der Präsentation 2018 wurde ein zentrales Motiv des Unternehmens publik: „Hätte es schon früher einen Rothut-Bericht gegeben“, war zu lesen, „dann hätten wir jetzt vielleicht keinen Papst Franziskus.“

Christian Rathner, für religion.ORF.at

Mehr dazu:

Links: