Juden und Muslime: Halle-Attentäter hart „bestrafen“

Kurz vor Beginn des Prozesses gegen den mutmaßlichen Attentäter von Halle am Dienstag haben Religionsvertreter in Deutschland eine harte Strafe gefordert. Im Vorjahr wurden in Halle eine Synagoge angegriffen und danach zwei Menschen getötet.

Der Mann solle mit „der ganzen Härte des Gesetzes“ bestraft werden, forderte die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, in der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe). Auch sollten die „Untiefen des Hasses“ offengelegt werden, in denen sich der Mann im Internet habe radikalisieren können.

Knobloch forderte mehr Demokratiebildung in den Schulen und in den Kindergärten. Sie begrüßte jüngste Gesetzesverschärfungen gegen Hass im Internet. Dennoch gab sie zu bedenken: „Viele Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft haben inzwischen das Gefühl, auf verlorenem Posten zu stehen, und ehrlich gesagt kann ich sie verstehen“, erklärte Knobloch. „Ein jüdischer Mensch, der in der Stadt als solcher zu erkennen ist, lebt immer noch gefährlich.“

Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland

APA/dpa/Matthias Balk

Charlotte Knobloch war Präsidentin des Zentralrats der Juden

Jüdische Gemeinden verlieren Vertrauen

Während Extremisten die Redefreiheit missbrauchten, um Hass zu verbreiten, sei der Staat machtlos, so Knobloch. Mit jedem Vorfall schwinde das Vertrauen in den jüdischen Gemeinden. „Es müssten jetzt deutlich sichtbare Zeichen gegen Antisemitismus geben von einer Gesellschaft, die versteht, dass sie selbst mit bedroht ist. Das sehen wir aber noch viel zu selten.“

Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, fordert, vor allem Kinder und Jugendliche besser über das Judentum aufzuklären und damit Antisemitismus vorzubeugen. Im SWR Tagesgespräch sagte er, Antisemitismus sei nicht mehr, sondern eher sichtbarer geworden.

Bilder in Schulbüchern wie im „Stürmer“

„Aufklärung im schulischen Umfeld ist hier ganz, ganz wichtig.“ In vielen Schulbüchern gebe es Darstellungen von Juden, wie sie sonst in der nationalsozialistischen Zeitschrift „Stürmer“ zu finden gewesen seien oder „der Realität in keiner Weise entsprechen“.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, betonte, er erwarte ebenfalls ein „hartes und wegweisendes“ Urteil. „Es sollte deutlich machen, dass Rassismus keine Meinung ist - sondern im schlimmsten Fall tötet“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Ich wünsche mir dies auch als ein Signal an die Minderheiten und vielfältigen, friedlichen Gruppen in Deutschland.“

Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland

APA/AFP/Soeren Stache

Aiman Mazyek ist Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland

Muslime wollen mehr Schutz

Für Täter wie jenen in Halle mache es keinen Unterschied, ob sie Juden oder Muslime treffen, so Mazyek. „Solche Täter sind in ihrem Hass nur auf maximale Wirkung und Schaden aus.“ Muslime in Deutschland fühlten sich nicht ausreichend von den Sicherheitsbehörden geschützt.

Am Dienstag beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter von Halle/Saale vor dem Landgericht Magdeburg. Der deutsche Generalbundesanwalt erhebt den Vorwurf des Mordes in zwei Fällen, des versuchten Mordes in 68 Fällen sowie der Volksverhetzung und gefährlicher Körperverletzung. Dem angeklagten 28-Jährigen droht lebenslange Haft. Das zuständige Oberlandesgericht Naumburg hat 40 Nebenkläger zugelassen und 18 Verhandlungstage angesetzt.

Anschlag auf Synagoge

Der Angeklagte steht im Verdacht, am 9. Oktober 2019 in antisemitisch, rassistisch und fremdenfeindlich motivierter Absicht einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt zu haben. Er war laut Anklage mit acht Waffen und mehreren Sprengsätzen ausgerüstet. In dem jüdischen Gotteshaus hatten sich zum Tatzeitpunkt 52 Menschen anlässlich des höchsten jüdischen Feiertags Jom Kippur versammelt.

Nachdem das Eindringen in die Synagoge misslungen war, soll der aus Sachsen-Anhalt stammende Mann zwei Menschen erschossen haben. Er filmte seine Taten und streamte sie live im Internet. Ferner postete er Links zu Dokumenten, in denen er seine Motivation und seinen Tatplan schildert und dazu aufruft, alle Juden zu töten.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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