S-Korea: Kirchengemeinde hat Probleme mit Regierung

Der Anführer der christlichen Kirchengemeinde Shincheonji („Neuer Himmel, neue Erde“). in Südkorea ist wegen des Vorwurfs verhaftet worden, die Maßnahmen der Regierung gegen die Verbreitung des Coronavirus behindert zu haben.

Die Organisation hatte wegen massenhafter Infektionen unter ihren Anhängern wochenlang im Zentrum des Virusausbruchs in dem Land gestanden. Das Bezirksgericht der Stadt Suwon habe einen Haftbefehl für den 88-jährigen Gründer der Kirchengemeinde Lee Man Hee erlassen, berichten südkoreanische Sender und die nationale Nachrichtenagentur Yonhap am Samstag.

Illegale Gottesdienste und abgezweigte Kirchengelder

Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Lee, gegenüber den Quarantänebehörden falsche Angaben zur Zahl der Mitglieder und zu deren Treffpunkten gemacht zu haben. Zudem soll er 5,6 Milliarden Won (vier Millionen Euro) von Kirchengeldern abgezweigt und nicht genehmigte Gottesdienste durchgeführt haben.

Aufgrund seiner Stellung innerhalb der Kirchengemeinde könne nicht ausgeschlossen werden, dass er weitere Versuche unternehmen könne, Beweismittel zu vernichten, wurde der Haftrichter zitiert. Die Shincheonji-Kirche Jesu betonte den Berichten zufolge, der Haftbefehl sei noch kein Schuldspruch. Sie werde alles tun, um bei den möglichen Verhandlung gegen Lee die Wahrheit zu enthüllen.

Die Sichtweise der betroffenen Kirche

Im Gespräch mit religion.ORF.at sehen Vertreter der Shincheonji-Kirche die Situation naturgemäß anders. Der Regierung seien die persönlichen Daten ihrer 230.000 Mitglieder zur Verfügung gestellt worden.

Aufgrund angeblicher Anschuldigungen, dass die Listen nicht vollständig gewesen oder einige Tage später als gewünscht an die Behörden übergeben worden seien, seien einige führende Mitglieder von Shincheonji als unverhältnismäßige Reaktion auf diese Anschuldigungen verhaftet worden.

Tausende Mitglieder seien an Schulen und Arbeitsplätzen diskriminiert worden. Shincheonji-Anhänger würden öffentlich beleidigt und diskriminiert und in vielen Fällen von ihren Arbeitgebern gekündigt worden. In Zivilklagen sei Shincheonji aufgefordert worden, einen großen Teil der Kosten der Pandemie in Daegu zu tragen.

Vorwurf der Fälschung

Obgleich alle ihre Einrichtungen durch die Regierung geschlossen worden seien und die Korrektheit der eingereichten Listen durch eine forensische Untersuchung der Obersten Staatsanwaltschaft bestätigt worden sei, sei durch Politiker und Medien behauptetet worden, die Liste sei gefälscht worden.

Die Liste der Mitglieder sei bis zu den Medien durchgesickert und sei ohne Genehmigung veröffentlicht worden, was zu über 6.000 Menschenrechtsverletzungen einschließlich körperlicher und psychischer Misshandlung geführt haben soll. Infolgedessen sei es aufgrund von häuslicher Gewalt sogar zum Tod von zwei Mitgliedern gekommen.

Plasmaspende für den guten Zweck

Um die südkoreanische Heilmittelforschung zu unterstützen, entschieden sich 4.000 der von COVID-19 genesenen Mitglieder in Daegu, trotz Stigmatisierung und Vorwürfen der Öffentlichkeit, Blutplasma zu spenden. Im Juli wurden bereits die ersten 500 Plasmaspenden durchgeführt.

Einsatz der UNO für Ende der politischen Verfolgung

Die US-Kommission für Internationale Religionsfreiheit (USCIRF) habe die koreanische Regierung offiziell angewiesen, die Shincheonji-Kirche nicht länger zum Sündenbock zu machen, und außerdem angekündigt, dass sie die Diskriminierung und den Missbrauch der Shincheonji-Kirche im Auge behalten würde.

Neben der Stellungnahme der Leiterin des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte der Vereinten Nationen seien bereits zahlreiche Stimmen führender Politiker aus verschiedenen Ländern registriert welche sich für ein Ende der Menschenrechtsverletzungen gegen Mitglieder dieser Kirchengemeinde ausgesprochen hätten.

Ein Drittel aller Infektionen innerhalb der Gemeinde

In Südkorea sind seit der ersten nachgewiesenen Ansteckung mit Sars-CoV-2 im Jänner bis zum Freitag dieser Woche 14.336 Infektionsfälle bekanntgeworden.

Davon entfielen mehr als 5.200 auf Anhänger von Shincheonji. Die Mehrheit der Fälle konzentrierte sich auf die südöstliche Großstadt Daegu, wo die Kirche, die auch Verbindungen nach China hat, stark vertreten ist. Die Organisation wies die Beschuldigungen gegen sie und Lee zurück.

Südkorea hatte den Ausbruch im März weitgehend unter Kontrolle gebracht. Wie die Gesundheitsbehörden am Samstag mitteilten, wurden am Vortag 31 Neuinfektionen bestätigt.

Martin Cargnelli; religion.ORF.at/dpa

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