Physiker: Naturwissenschaft und Religion im Einklang

Religion und Naturwissenschaft schließen einander nicht aus. Das betont der Innsbrucker Quantenforscher Prof. Peter Zoller im Interview in der aktuellen Ausgabe des „Tiroler Sonntag“.

Zoller wörtlich: „Ich verstehe Naturwissenschaft nicht im Ausschluss von Religion. Umgekehrt ist es nicht Aufgabe der Religion, Naturgesetze in Frage zu stellen.“ Zoller leitet das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Innsbruck.

Das Erstaunliche für ihn sei, „dass wir Naturwissenschaft doch nur deshalb betreiben können, weil es Naturgesetze gibt, also eine übergeordnete Ordnung in der Natur vorhanden ist.“ Überhaupt sei die Existenz von Naturgesetzen höchst bemerkenswert.

Zoller: „Es muss schwarze Löcher geben“

Zoller: „Obwohl wir nur kleine Erdlinge sind, sind wir dennoch in der Lage, allgemein gültige Naturgesetze zu erkennen und zu formulieren. Aufgrund dieser physikalischen Erkenntnisse auf Erden können wir also auch Aussagen machen, die über unseren irdischen Kosmos hinaus Relevanz haben - zum Beispiel, dass es sogenannte ‚Schwarze Löcher‘ geben muss.“

Gleichzeitig stehe man in der Forschung vor der Situation, dass sich manche Theorien widersprechen und viele physikalische Phänomene einfach nicht vollständig verstanden sind. „Auch in Zukunft werden wir hinter dem, was wir neu verstehen, wieder auf etwas stoßen, was wir nicht verstehen. Diese Erfahrung wird sich immer wiederholen“, so der Wissenschaftler: „Das Anerkennen des eigenen Nicht-Wissens macht sehr bescheiden, und diese Bescheidenheit zeichnet gerade anerkannte Forscher aus.“

Naturwissenschaftliche Methoden nicht in Frage stellen

Es wäre ein großer Fehler, so der Quantenphysiker, wegen religiöser Anschauung naturwissenschaftliche Methoden der Erforschung und Experimente in Frage zu stellen. Zugleich bringe die Anwendungen von Experimenten Fragestellungen mit sich, „deren Klärung nicht uns obliegt - so bei ethischen Fragen“.

Er sehe Naturwissenschaft und Religion jedenfalls nicht in Konkurrenz zueinander, vielmehr gebe es Berührungspunkte. Zoller: „Für Religion verbindet sich die Frage nach der höheren Ordnung mit der Frage nach Gott, für Naturwissenschaft verbindet sie sich mit der Existenz und Erforschung von Naturgesetzen. Ich glaube, unverhofftes Staunen und klares Wissen über das eigne Nicht-Wissen ist in der Naturwissenschaft genauso beheimatet wie in der Religion.“

Möglichkeit des Missbrauchs

Zur Frage, wie man als Forscher damit umgeht, dass die eigenen Erkenntnisse von anderen auch missbraucht werden könnten, meinte Zoller: "Es gibt immer die Möglichkeit, neue Erkenntnisse und deren Anwendung zu missbrauchen. Ich denke an die Erfindung des Messers. Du kannst mit dem Messer die Tomate schneiden und mit dem gleichen Messer deinen Nachbarn töten.

Ist der Mensch, der das Messer erfunden hat, deshalb eine gute oder schlechte Person? Hätte er sich entscheiden sollen, kein Messer zu erfinden, weil es missbräuchlich eingesetzt werden kann?" Den Wissenschaftlern sei sehr bewusst, „dass unsere Erkenntnisse auch immer zum Schlechten missbraucht werden können. Doch die Verantwortung dafür tragen nicht wir.“

Zoller: „Erkenntnis lässt sich nicht unterdrücken, früher oder später stellt sie sich ein. Was aus ihr gemacht wird, ist die entscheidende Frage an die handelnde Person, an die Menschheit an sich.“

Seelenfrieden im Gottesdienst

Zu seiner persönlichen Glaubenspraxis befragt, sagte der Physiker: „Wir sind sehr vielem ausgesetzt, da gibt mir der Gottesdienst Seelenfrieden. Die Fragen, mit denen ich konfrontiert werde, sind am Ende fundamentale. Sie berühren immer, und man findet darauf schwer Antworten, selbst wenn man um sie ringt. Die Kirche bietet hier gewisse stabile Aussagen in einer nicht alltäglichen Art und Weise.“

An der Kirche beeindrucke ihn darüber hinaus ihr soziales Engagement. Fundamental störten ihn hingegen die Missbrauchsskandale, „wie es dazu kam, und die Art und Weise der Aufarbeitung. Das ist schändlich und untergräbt enorm die Glaubwürdigkeit der Kirche.“

religion.ORF.at/KAP

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