Klimakrise: Patriarch kritisiert „unfähige“ Politik

Heftige Kritik an den weltweit politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen hat der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., geübt. Diese seien „unfähig, die richtigen Entscheidungen zum Schutz der Schöpfung zu treffen“.

„Wie lange wird die Natur die fruchtlosen Diskussionen und Beratungen sowie den weiteren Aufschub entschiedener Maßnahmen zu ihrem Schutz noch durchhalten?“, so der orthodoxe Patriarch in seiner diesjährigen Botschaft zum kirchlichen Schöpfungstag am 1. September. Der 1. September ist zugleich der Beginn des orthodoxen Kirchenjahres.

Der heutige kategorische Imperativ für die ganze Menschheit heiße, „so zu leben, dass wir die Umwelt nicht zerstören“. Doch während im persönlichen Bereich sowie in vielen Gemeinden, Gruppen, Bewegungen und Organisationen große Sensibilität und ökologische Verantwortung an den Tag gelegt würden, „sind die Staaten und die Wirtschaftsträger - im Namen geopolitischer Pläne und der Eigengesetzlichkeit der Wirtschaft - unfähig, die richtigen Entscheidungen zum Schutz der Schöpfung zu treffen“.

Sie hegten die Illusion, die Besorgnis über die globale ökologische Katastrophe sei ein ideologisches Konstrukt ökologischer Bewegungen und die natürliche Umwelt habe die Fähigkeit, sich aus sich heraus zu regenerieren.

Bartholomaios I.

APA/AFP/Attila Kisbenedek

Patriarch Bartholomaios I. übte heftige Kritik an den Verantwortungsträgern, zu wenig für den Schutz der Schöpfung zu tun

Umkehr „unbestreitbare Notwendigkeit“

Die Tatsache, dass durch die Covid-19-Maßnahmen eine Minderung der Schadstoffe und der Belastung der Atmosphäre festgestellt werden konnte, beweise, dass der Mensch der entscheidende Faktor bei der Entstehung der gegenwärtigen ökologischen Krise ist. Die Umkehr zu einer ökologischen Wirtschaft sei eine unbestreitbare Notwendigkeit, so der Patriarch.

„Es gibt keinen wahrhaften Fortschritt, der auf der Zerstörung der natürlichen Umwelt basieren könnte. Es ist absurd, ökonomische Entscheidungen zu treffen, ohne deren ökologische Folgen in Betracht zu ziehen. Der wirtschaftliche Fortschritt darf nicht länger ein Alptraum für die Ökologie bleiben.“

Er sei überzeugt, „dass es einen anderen Weg gibt, die Wirtschaft zu organisieren; einen Weg, der eine Alternative zu jener Haltung darstellt, die der Wirtschaft den absoluten Vorrang einräumt und wirtschaftliches Handeln ausschließlich an der Profitmaximierung festmacht“. Die Zukunft der Menschheit sei nicht der „homo oeconomicus“.

Nicht nur Lebensqualität, sondern Leben

Die Größe der Bedrohung zeige sich darin, „dass nicht mehr nur die Lebensqualität, sondern die Bewahrung des Lebens auf unserem Planeten auf dem Spiel steht“. Zum ersten Mal in der Geschichte könne der Mensch die Grundbedingungen des Lebens auf Erden zerstören, so der Patriarch.

In der Anwendung der sich aus der Wissenschaft und der Technologie ergebenden Kraft des Menschen zeige sich heute die Ambivalenz seiner Freiheit. Die Wissenschaft diene dem Leben und verhelfe zu vielfältigem Fortschritt, gleichzeitig gebe sie dem Menschen aber „unvorstellbar machtvolle Mittel in die Hand, deren Missbrauch katastrophale Folgen haben kann“. Nuklearwaffen bezeichnete er in diesem Zusammenhang als Ausdruck des „Allmachtskomplexes“ des modernen „Menschengottes“.

Umweltzerstörung „Beleidigung des Schöpfers“

Der Kampf für die Bewahrung der Schöpfung sei eine zentrale Dimension des christlichen Glaubens, betont der Patriarch: „Der Respekt vor der Umwelt ist die tätige Verherrlichung des Namens Gottes, während die Zerstörung der Schöpfung eine Beleidigung des Schöpfers darstellt, die mit den grundlegenden Annahmen der christlichen Theologie unvereinbar ist.“

Das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie rief die Gläubigen zum tatkräftigen Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung auf und bekräftigte, dass auch das Ökumenische Patriarchat in seinem Bemühen nicht nachlassen wird. Patriarch Bartholomaios wird für sein umfassendes ökologisches und schöpfungstheologisches Engagement gemeinhin auch als „Grüner Patriarch“ bezeichnet.

Caritas: Coronavirus ist Aufruf zu mehr Respekt

Die Coronavirus-Krise ist laut Caritas-Weltverband „Caritas Internationalis“ ein „Aufruf zu mehr Respekt“ vor der Schöpfung. Der Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung, der am Dienstag begangen wird, sei eine Gelegenheit, sich dies bewusst zu machen, hieß es in einer Mitteilung am Montag.

Alle Christinnen und Christen seien angehalten, ihre Beziehung zu Gott und „Mutter Erde“ zu erneuern, rief die katholische Hilfsorganisation auf. Die globalisierte Welt sei schwer von der Pandemie getroffen worden. „Ungerechte Systeme“ hätten den Boden bereitet für die Ausbreitung von Seuchen, erklärte der Caritas-Weltverband.

Chance auf „neue Solidarität“

Die gegenwärtige Krise sei aber zugleich eine Chance, gemeinsam das Leben zu verteidigen. Dadurch könne eine „neue Form der Solidarität“ entstehen. „Caritas Internationalis“ ist der Dachverband von 165 nationalen Caritasverbänden; diese sind in rund 200 Ländern in der Not- und Entwicklungshilfe sowie in Sozialdiensten tätig.

Bereits am Sonntag hatte der Papst die internationalen Initiativen zum Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung gewürdigt. Franziskus hatte den Tag 2015 nach der Veröffentlichung seiner Sozial- und Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ ausgerufen. Er schloss sich damit einer Initiative des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel an, das den Gebetstag bereits 1989 ins Leben rief.

religion.ORF.at/KAP

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