Pflege: Caritas drängt auf Reform

Die von der Bundesregierung im Jänner angekündigte Reform der Pflege ist durch die Coronavirus-Krise in den Hintergrund gerückt. Caritas-Präsident Michael Landau drängt nun darauf, die Reform rasch anzugehen.

Besonders der Pflegeberuf müsse gestärkt werden. Landau erwartet, dass die Caritas Teil der im Herbst beginnenden Taskforce der Regierung wird. „Wie unter einem Brennglas macht diese Pandemie die Stärken und Schwächen der Pflege sichtbar und deutlich. Wir brauchen eine Pflegereform. Und wir brauchen sie rasch“, sagte der Caritas-Präsident auf einer Pressekonferenz am Donnerstag.

Als ersten und wichtigsten Kernpunkt der Reform sieht Landau die Aufwertung des Pflegeberufs. Die Heldinnen und Helden der Krise dürften nicht nur beklatscht, sondern müssten auch gestärkt werden. Laut einer Studie des Forschungsinstituts Gesundheit Österreich (GÖG) braucht Österreich bis 2030 75.000 zusätzliche Pflegerinnen und Pfleger.

Für Ausbildungs- und Jobgarantie

Momentan gehe der Trend aber nach unten, sagte der Präsident des katholischen Hilfswerks. Die Caritas fordert eine Ausbildungs- und Jobgarantie. Durch jeden möglichen Ausbildungsweg müsse ein Zugang zum Pflegeberuf geschaffen werden. Erfreut zeigt sich Landau über die am 9. September beginnende Höhere Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege (HLSP) in Gaming in Niederösterreich. Die fünfjährige Schule wird von der Caritas betrieben und schließt mit Matura ab. An Caritas-Schulen in der Steiermark, Kärnten und Wien sei ab dem Schuljahr 2021/22 Ähnliches geplant.

Auch finanzielle Hürden zum Pflegeberuf sollten überwunden werden, wenn es nach der Caritas geht. Sie fordert die Abschaffung von Schulgeld und Studiengebühren. Auch Quereinsteigern sollte der Umstieg leichter gemacht werden – etwa durch eine berufsbegleitende Ausbildung. Heute seien diese zum Teil gezwungen, ihre Ersparnisse aufzulösen. „Das kann der Weisheit letzter Schluss nicht sein“, so Landau.

Betreuungslücken schließen

Als zweiten Kernpunkt einer Pflegereform sieht der Präsident die Schließung von Betreuungslücken: „Jede und jeder soll die für ihn passende Form der Betreuung finden.“ Aktuell haben Betreuungsbedürftige die Möglichkeit, entweder durch mobile Dienste wenige Stunden oder 24 Stunden betreut zu werden oder in die stationäre Betreuung zu gehen. Notwendig seien laut Landau mehr Tageszentren und Kurzzeitpflege.

Besonders auf Demenzkranke seien die aktuellen Rahmenbedingungen nicht abgestimmt. Diese seien häufig körperlich fit und bräuchten klassische Pflege nicht. Dennoch könnten sie ihren Alltag nicht mehr allein meistern. Zum Beispiel, weil sie vergessen, den Herd auszuschalten.

Wunsch nach einheitlichen Standards

Im Februar hatte der Rechnungshof festgestellt, dass Bund und Länder im Pflegebereich unkoordiniert agierten. Diesem Urteil schließt sich Landau an. Er wünscht sich daher „einheitliche Qualitäts-, Versorgungs- und Finanzierungsrahmen vom Bodensee bis zum Neusiedlersee.“ Erst wenn diese Punkte geklärt seien, solle diskutiert werden, wie die Pflege finanziert werden könne. Konkrete Zahlen wollte Landau auf Nachfrage nicht nennen, aber es dürfe „nicht am Geld scheitern, dass Menschen den Zugang zu Pflege erhalten, den sie brauchen“.

Eine Bewohnerin des Caritas-Pflegewohnhauses Schönbrunn, Rudolfine Fiklik, bemängelte die Personalsituation. „Die Leute sind überfordert in jeder Hinsicht.“ Sie könnten sich weder ihren Familien noch ihren Patientinnen und Patienten widmen. Fiklik wünscht sich daher mehr Personal und eine bessere Entlohnung für die Betreuungskräfte. Die Pflegedienstleiterin im Haus Schönbrunn, Irena Udric, machte auf die schwierigen Arbeitsbedingungen aufmerksam.

Schwierige Arbeitsbedingungen

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wünschten sich fixe Dienstpläne, um besser planen zu können. Ein großer Wunsch sei außerdem mehr Freizeit. Die Forderung mehrerer Gewerkschaften nach einer Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden im Sozialbereich wimmelte Landau auf Nachfrage der APA allerdings ab: Der im April dieses Jahres verkündete Abschluss des Kollektivvertrags (KV) sei einer der höchsten im Vergleich mit anderen Branchen – „und das zurecht“. Zudem sehe der KV eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 37 Stunden ab 2022 vor.

Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) kündigte im Sommer an, den durch die Coronakrise gestoppten Reformprozess wieder aufzunehmen. Im Juli und August fand eine Online-Befragung statt, an der 3.000 Personen teilnahmen. Im September will Anschober die unterbrochene Dialogtour durch die Bundesländer fortsetzen. Danach soll die Task-Force Pflege die Reform erarbeiten. Landau geht davon aus, dass die Caritas Teil dieser Taskforce wird. Eine Reform gelinge umso besser, „je genauer sie auf die Praktikerinnen und Praktiker hört.“

religion.ORF.at/APA

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