Flüchtlingspolitik

Bischof mahnt christlich-soziale Politik ein

Die durch die Ereignisse rund um das Flüchtlingslager Moria in Diskussion geratene christlich-soziale Politik müsse sich fragen, was Jesus tun würde, forderte Bischof Benno Elbs.

Auch ein christlicher Priester oder Bischof frage: „Was würde Jesus an meiner Stelle tun?“ Wie der Feldkircher Bischof im Interview mit der „Wiener Zeitung“ (Mittwoch) festhielt, sei auch für eine an der Bibel orientierten Politik Matthäus 25, 40 maßgeblich: „Was ihr einem der geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan.“ Menschen in akuter Not müsse somit individuell und konkret, aber auch strukturell und damit langfristig geholfen werden.

Als eines der drängendsten Themen für diesen Anspruch nannte Elbs den Klimawandel, aber auch rasche Asylverfahren an den Grenzen Europas seien wichtig. „So, wie sich die Lage jetzt darstellt, sind die Menschen an der Grenze zu Europa ein Spielball der verschiedenen Mächte und Kräfte“, merkte der in der Bischofskonferenz für die Caritas und den Opferschutz zuständige Bischof an.

Verweis auf Pull-Faktoren „falscher Weg“

Dem Argument, dass Flucht nach Europa nicht die Lösung globaler Probleme sein könne, attestierte der ausgebildete Psychotherapeut Logik und psychologische Plausibilität; das gelte auch für die ins Treffen geführten Pull-Faktoren, wonach immer noch mehr Menschen nach Europa wollten.

Neben einer abschreckenden, auf Verhinderung ausgerichteten Symbolpolitik brauche es aber auch eine „Symbolpolitik der Menschlichkeit und Humanität“, so Elbs. „Im Angesicht der konkreten Not konkreter Menschen wie jetzt der Kinder in Moria, halte ich den Verweis auf Pull-Faktoren für den falschen Weg.“

Mitgefühl ist „christliche Muttersprache“

Mitgefühl sei die „christliche Muttersprache“, auch wenn realpolitisch wohl neue Flüchtende nachrücken würden. Der Caritas-Bischof sprach von einem „moralischen Dilemma“: „Wir müssen helfen und gleichzeitig alles Erdenkliche unternehmen, um zu verhindern, dass sich die Lager wieder füllen.“ Dieses Sowohl-als-auch sei die bewährte kirchliche Zugangsweise.

Zugleich wäre es laut Elbs „naiv zu glauben, ein Land, die Kirche oder die Caritas könne die Welt retten“. Auch Jesus habe darauf hingewiesen, dass es immer Arme geben werde. Aber, so der Bischof, „wir können alle unseren Beitrag leisten, jede/r Einzelne, und trotzdem gilt es zu akzeptieren, dass es für alles Grenzen gibt, dass jede/r Grenzen hat“.

Politik als „Leidenschaft für das Mögliche“

Seine Ansprüche an eine christlich-soziale Politik formuliere er „mit großer Bescheidenheit“, wie Elbs betonte. Er wisse: „Politik ist die Leidenschaft für das Mögliche“, Papst Franziskus habe sie einmal als eine edle Form der Nächstenliebe bezeichnet, weil sie darauf abzielt, „dass möglichst viele Menschen möglichst gut leben können“.

Ideale leichter ohne Macht vertretbar

Und der Feldkircher Bischof hielt auch fest, dass er die Unterscheidung von Kirche und Staat für „unglaublich wichtig“ halte. Die Vermischung von Realpolitik und welcher Religion auch immer sei selten zum Segen der Menschen. Die Loslösung der Kirche von den Schalthebeln der Macht „ermöglicht natürlich eine größere Freiheit im Hinblick auf die Ideale, die eine Institution vertritt“, sagte Elbs.

Mit der Politik seien da Konflikte vorprogrammiert, auch wenn die auf die „ohnmächtige“ Liebe Gottes bauende Kirche selbst ohnmächtig sei. „Zumindest einmischen soll man sich, und natürlich lassen sich die großen Fragen der Welt nur von der Welt gemeinsam angehen und lösen“. Er bekannte sich dabei zu Gewaltlosigkeit und Dialog sowie dazu, „beim Einsatz für das Gute bei sich selbst auch Leid in Kauf zu nehmen“.

„Wenn die Caritas spricht, spricht die Kirche“

Angesprochen auf die oftmalige Zurückhaltung der „Amtskirche“ bei gesellschaftspolitisch heiß umkämpften Themen wie Armutsbekämpfung oder Migrationsbewegungen, bei denen sich die Caritas oft „klar und kantig“ zu Wort melde, stellte Elbs klar: „Wenn die Caritas spricht, spricht die Kirche.“

Gottes- und Nächstenliebe seien untrennbar verbunden, und kein Christ bzw. keine christliche Gemeinschaft dürfe am Leid anderer einfach vorbeigehen. Allerdings seien Pfarren, Orden und Bischöfe von der notwendigen Spezialisierung und Professionalisierung überfordert, wie Elbs eingestand. „Deshalb haben wir mit der Caritas hier eine Organisation gegründet, die der Nächstenliebe eine professionelle Form und Stimme gibt.“

Der 60-jährige gebürtige Bregenzer Benno Elbs ist seit 2013 Bischof der Diözese Feldkirch. Für einen soeben von der Politischen Akademie der ÖVP herausgegebenen Sammelband über christlich-soziale Politik verfasste er einen Beitrag über das Prinzip der Nächstenliebe in der Demokratie. (Bettina Rausch/Simon Varga [Hg.], Christlich-soziale Signaturen. Grundlagen einer politischen Debatte. Verlag Edition Noir, Wien 2020)