Vatikan, Kuppel des Petersdoms und im Vordergrund ein Möwe
APA/AFP/Tiziana Fabi
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Ethik

Vatikan: Bei Sterbehilfe keine Sakramente

Aktive Sterbehilfe und assistierter Suizid bleiben für den Vatikan ethisch verboten, wie er am Dienstag in einem Papier bekräftigte. Der Empfang von Beichte und Krankensalbung solle demnach für Menschen, die um aktive Sterbehilfe oder Suizidbeihilfe bitten, nicht möglich sein.

Erst wenn sie sich von ihrer Entscheidung distanzieren, sollen Sakramente wieder gespendet werden, heißt es in dem Dokument der Glaubenskongregation. Die nahe Begleitung dieser Menschen sei angebracht, um den Weg zur Zulassung zu den Sakramenten wieder zu öffnen, heißt es – „besonders wenn die Euthanasie nicht sofort oder unmittelbar bevorsteht“. Jegliche Geste der Zustimmung zu der Entscheidung müsse jedoch vermieden werden, um nicht „Mittäter“ zu werden.

Es handle sich bei der Regelung aber nicht um eine Verschärfung des Kirchenrechts, wie Andreas Kowatsch, Professor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, im Gespräch mit religion.ORF.at sagte. Dass das Leben geschützt werden muss, sei für die römisch-katholische Kirche „unverhandelbar“. Und wer sich gegen einen wesentlichen Inhalt des Glaubens stelle, begehe laut Kirchenrecht eine „schwere Sünde“ und könne als Folge die Sakramente nicht empfangen, sagte Kowatsch. Mit dem Dokument weist der Vatikan noch einmal darauf hin.

„Keine Verurteilung“ Hilfesuchender

In dem Dokument gehe es aber nicht um eine „Verurteilung von Menschen, die nach Hilfe schreien“, sagte der Kirchenrechtler. Das Anliegen der Kirche sei es, deutlich zu machen, dass das Bekenntnis zum freiwilligen Sterben „nicht dem Glauben entspricht“. Bei Menschen, die in einer Notsituation unter Schmerzen ängstlich und verzweifelt sind, könne die „persönliche Verantwortung“ aber gegen null tendieren, sagte Kowatsch.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall.

Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen. Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene bietet auch Rat auf Draht unter der Nummer 147.

Eine „neue Schärfe“ ortet der Professor für Kirchenrecht aber in Bezug auf jene Menschen, die das Umfeld für Sterbehilfe bereiten. Das Schreiben sei eine „dringende Einladung an Katholikinnen und Katholiken, alles zu tun, dass Menschen nicht alleine sterben“ und eine ebenso dringende Einladung an Staaten, auf Palliativmedizin und nicht auf eine Liberalisierung von aktiver Sterbehilfe zu setzen.

Zeichen der „Wegwerfkultur“

Lebensverkürzende Maßnahmen seien Zeichen einer „Wegwerfkultur“ und keine Lösungen für die Probleme todkranker Patientinnen und Patienten, heißt es in dem als „Brief“ bezeichneten Dokument, das die Unterschriften von Glaubenspräfekt Kardinal Luis Ladaria Ferrer und dem Sekretär der Kongregation, Erzbischof Giacomo Morandi, trägt. Das Schreiben betont die unaufgebbare Würde des Menschenlebens „auch in seinen extremen Phasen des Leidens und Todes“.

Schmerz und Tod könnten nicht die letzten Kriterien sein, nach denen sich die Menschenwürde bemesse, so die Glaubensbehörde. In komplexen Gesundheitssystemen drohe das Verhältnis zwischen Arzt und Patient auf technische und vertragliche Aspekte reduziert zu werden. Dieses Risiko bestehe vor allem in Ländern, in denen man Beihilfe oder gar gewerbsmäßige Hilfe zum Suizid sowie Tötung auf Verlangen legalisiere.

Sterbewunsch „Ruf nach Hilfe“

Hinter dem Verlangen von Schwerkranken nach einer Beendigung ihres Lebens stehe fast immer der Ruf nach Hilfe und Liebe, so das Schreiben weiter. Die Antwort darauf müsse in Beistand und Zuneigung liegen. Faktoren bei einem Todeswunsch seien auch nicht behandelte Schmerzen, Mangel an „menschlicher und christlicher Hoffnung“ und unzureichende psychologische und spirituelle Betreuung.

Legitim ist es aus Sicht der katholischen Kirche hingegen, solche Maßnahmen abzulehnen, die nur eine geringfügige und schmerzhafte Lebensverlängerung bewirken. Ein Verzicht auf unverhältnismäßige Therapien könne in Achtung vor dem Willen der sterbenden Person erfolgen. Das Dokument verweist dabei auf die Möglichkeit von Patientenverfügungen.

„Falsche Verständnis von Mitgefühl“

Am aktuellen gesellschaftlichen Umgang mit Leid kritisiert der Vatikan eine verengte Auffassung von Lebensqualität und ein falsches Verständnis von Mitgefühl, ferner einen Individualismus, der andere als Last betrachtet, und einen heimlichen Wunsch nach Befreiung von den Grenzen der Körperlichkeit. Angst vor Leiden und Tod seien Hauptursachen für den Versuch, die „Ankunft des Todes zu kontrollieren“ und zu managen.

In seiner Argumentation fußt das Papier im Wesentlichen auf einer früheren Erklärung der Glaubenskongregation von 1980 und auf Lehrschreiben von Papst Johannes Paul II. (1978–2005), aber auch auf Äußerungen des amtierenden Papstes Franziskus. Dieser beklagte wiederholt eine „Wegwerfkultur“ gegenüber Kranken und Schwachen, mangelnde Zuwendung zu Leidenden und neue Vorstellungen einer individualistischen Selbsterlösung.

„Barmherzige Samariter“

Mit dem Verbot der aktiven Sterbehilfe bekräftigt die Glaubenskongregation also die katholische Lehre, wonach solche Schritte die ethischen und rechtlichen Grenzen der Selbstbestimmung überschreiten.

Zugleich wendet sich die Vatikanbehörde gegen einen „unverhältnismäßigen und entmenschlichenden Einsatz von Technologien“, vor allem in den kritischen Phasen des Lebens. Das 23 Seiten umfassende Schreiben auf Italienisch trägt den Titel „Samaritanus bonus“ („Der barmherzige Samariter“).