100 Jahre Verfassungsgesetz

Jüdisches Museum würdigt Hans Kelsen

Das Jüdische Museum Wien zeigt anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der österreichischen Bundesverfassung eine Ausstellung über Hans Kelsen, den „Architekten“ des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG).

Die Schau wird zum Verfassungsjubiläum am 1. Oktober eröffnet und bis 5. April 2021 zugänglich sein. Österreichs Verfassung wird in ihrem Kern am 1. Oktober 100 Jahre alt. Und auch wenn Bundespräsident Alexander Van der Bellen der Jubilarin in der Regierungskrise 2019 „Eleganz und Schönheit“ attestierte, so ist Österreich von einem Verfassungspatriotismus wie in Deutschland oder den USA weit entfernt.

Das Jüdische Museum in Wien will diesem Umstand nun mit der kleinen Jubiläumsschau „Hans Kelsen und die Eleganz der österreichischen Bundesverfassung“ entgegentreten.

Einer der bedeutendsten Juristen

So hält die von Adina Seeger kuratierte Ausstellung bewusst die Waage zwischen den Verfassungsprinzipien und der Vita des als „Architekt“ des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG) in die Geschichte eingegangenen Hans Kelsen. In der breiten Öffentlichkeit ist Kelsen, einer der bedeutendsten Juristen des vergangenen Jahrhunderts, weitgehend unbekannt.

1881 in Prag geboren, wuchs Kelsen in Wien in einer deutschsprachigen jüdischen Familie auf. Sein Vater, ein Lusterfabrikant, gestaltete unter anderem die Beleuchtung in Wiener Synagogen.

Eine Büste von Hans Kelsen
APA/Hans Klaus Techt
Büste von Hans Kelsen

Modell der Verfassungsgerichtsbarkeit entwickelt

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie wurde Kelsen von Staatskanzler Karl Renner mit der Arbeit an einer Bundesstaatsverfassung für die junge Republik beauftragt. Er entwickelte das – später so bezeichnete – österreichische Modell der Verfassungsgerichtsbarkeit, das weltweit Nachahmung fand. Das Bundesverfassungsgesetz wurde am 1. Oktober 1920 von der Nationalversammlung beschlossen.

Kelsen erlangte vor allem für seine Beiträge zur Rechtstheorie und zur Politischen Theorie internationale Bekanntheit. Er lehrte von 1918 bis 1930 an der Universität Wien. „Für seine innovativen Ansätze wurde er – im zunehmend antisemitischen Klima der Zeit – angefeindet. Bereits 1930 verließ Kelsen Wien, über mehrere Stationen in Europa emigrierte er 1940 schließlich in die USA, wo er bis zu seinem Tod 1973 lebte. Er gilt heute als einer der bedeutendsten Rechtsgelehrten des 20. Jahrhunderts“, schreibt das Museum und verspricht bei einem genaueren Blick auf die Verfassung „überraschende Erkenntnisse und Einsichten“.

„Wo begegnet mir die Verfassung im Alltag?“

Die Ausstellung verknüpft Kelsens Lebensweg mit einem kreativen Zugang zu den Grundprinzipien des B-VG, das 1934 von den Austrofaschisten ausgehebelt wurde, heute aber wieder das Fundament des heimischen Staatswesens bildet. Im kurzen Wordrap erklärt man etwa Begriffe wie Rechtspositivismus oder Werterelativismus, während Besucherinnen und Besucher sich Grundfragen wie „Wo begegnet mir die Verfassung im Alltag?“ auf bereitgestellten Zetteln nähern können.

„Wir machen hier einen Anfang“, konstatierte Museumschefin Danielle Spera gegenüber der APA eine eklatante Wissenslücke in der Bevölkerung über die für sie doch eigentlich prägenden Verfassung: „In der Schule müsste viel mehr gemacht werden.“ Österreich sei eben eher dem Kulturpatriotismus als dem Verfassungspatriotismus zugeneigt.

Graphic Novel statt Katalog

Statt eines Katalogs gibt es ein Comic, das Kelsen und seine Verfassung einem breiten Publikum näherbringen soll. Die Künstlerin Pia Plankensteiner lässt Süßspeisen oder Kelsens Zigarre über das Leben des Juristen, monarchische Erbfolgeprinzipien oder Positive respektive Negative Kompetenzkonflikte zwischen Bund und Land sinnieren.

„Die Vorgabe war sehr frei“, so die Autorin und Zeichnerin im APA-Gespräch über ihre angesichts des Themas überraschend humorvolle Auseinandersetzung. Kurzweilig wird der Leserschaft die Information praktisch als Beifang untergeschummelt.

„In Bild und Text erzählen Kelsens Lieblingsmehlspeisen – Baiser und Schwarzwälder Kirschtorte – aus Kelsens Leben, während eine Zigarre – Kelsen war leidenschaftlicher Zigarrenraucher – die rechtshistorischen und zeitgeschichtlichen Zusammenhänge erläutert“, heißt es in der Ankündigung zur Ausstellung.