„Das Dokument ist in keiner Weise gegen den Markt, aber es weist auf Fehlformen hin“, sagte sie in einem Interview mit Radio Vatikan (Freitag) und dem Portal Vatican News (Mittwoch). Das Rundschreiben weise „auf Risiken eines Marktes hin, der nicht mehr so ist, wie er sein sollte“; in diesem Sinne sei vom „Neoliberalismus“ die Rede.
In den vergangenen Jahren habe rein marktwirtschaftliches Denken weltweit viele Lebensbereiche durchdrungen, in denen bestimmte Güter traditionell gemeinschaftlich verwaltet worden seien. Derartige Entwicklungen habe der Papst verurteilt. Durch die Pandemie sei noch deutlicher geworden: „Der Markt allein kann nicht alles lösen.“ Güter des Gemeinwohls, so Smerilli weiter, könnten nicht allein mit dem Kriterium der Effizienz verwaltet werden.
Sichtbar geworden sei dies etwa im Gesundheitswesen. Je mehr man dieses den reinen Marktmechanismen überlasse, umso weniger sei es für Ausnahmesituationen wie eine Pandemie gewappnet. So seien zwar in den vergangenen Jahren die weltweiten Gesundheitsausgaben stärker gestiegen als das weltweite Bruttoinlandsprodukt, um vier Prozent gegenüber 2,8 Prozent.
Expertin für Pandemie-Folgen
Allerdings seien die Mehrausgaben „auf nicht übertragbare und chronische Krankheiten sowie individuelle Versicherungen ausgerichtet“. Dagegen hätte es „gegen ein Übel wie dieses Virus, das uns alle überrascht hat, eine kollektive Versicherung gebraucht“.
Smerilli, die dem Orden der Don-Bosco-Schwestern angehört, koordiniert im Vatikan eine internationale Expertengruppe, die sich mit den Wirtschaftsfolgen der Covid-19-Pandemie befasst. Zudem ist sie Mitglied einer Gruppe von Expertinnen der italienischen Regierung, die diese zu Pandemie-Folgen für Frauen berät.