Welternährungstag

Pandemie: Wege aus Armuts- und Hungerkrise

Die Coronavirus-Pandemie hat neben allen gesundheitlichen Folgen auch eine der größten Armuts- und Hungerkrisen ausgelöst. Die Zahl der Menschen weltweit, die mit weniger als 1,60 Euro pro Tag auskommen müssen, droht laut Weltbank um 150 Millionen Menschen zu steigen.

Die Organisation Brot für die Welt fordert zum Welternährungstag einen Förderschwerpunkt Ernährungssicherheit, wie es in einer Aussendung vom Dienstag heißt. Die „Ironie der Geschichte“ sei groß: „KleinbäuerInnen, die täglich mit der Produktion von Nahrungsmitteln beschäftigt sind, sind gleichzeitig am meisten von Hunger betroffen.“

Trotzdem sei eines sicher, so der evangelische Bischof Michael Chalupka, Schirmherr von Brot für die Welt: „Menschen, die sich aus eigener Kraft selbst ernähren können, sind für den Krisenfall besser gewappnet. – Drum muss es erste Priorität haben, Bauern und Bäuerinnen zu stärken, damit sie ihre eigenen Nahrungsmittel anbauen und herstellen können.“

„Lokale Landwirtschaft unterstützen“

In Zeiten der Coronavirus-Pandemie müssten besonders Projekte gefördert werden, „die die lokale und nachhaltige Landwirtschaft in den Ländern des Südens unterstützen“, wird Chalupka zitiert – er wünscht sich einen Schwerpunkt Ernährungssicherheit in der Entwicklungszusammenarbeit.

Eine Frau in Äthiopien bei der Feldarbeit
Brot für die Welt/Christof Krackhardt
Kleinbäuerinnen und Kleinbauern unterstützen: Das gehört zur Strategie von Brot für die Welt gegen den Hunger

Einen wichtigen Ansatzpunkt sieht Brot für die Welt auch an der Beteiligung von Kleinbäuerinnen und -bauern an den Entscheidungsprozessen. „In dieser globalen Notlage werden vielerorts die lokalen Märkte, wo Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ihre Waren verkaufen und die Menschen regionale Produkte einkaufen, geschlossen, während große Supermärkte offenbleiben. Wer dann keinen Zugang hat, bleibt übrig“, so der Bischof.

Nachhaltig Ernährung sichern

Brot für die Welt arbeitet daran, dass sich Menschen selbst ernähren und ein Leben in Würde führen können. Zum Beispiel in Äthiopien, das stark von Nahrungsunsicherheit und Hungersnöten betroffenen ist. Durch schädlingsresistente Sorten, Bewässerungssysteme, Bodenmanagement, größere Sortenvielfalt und Aufforstung sichert die lokale Bevölkerung durch Projekte von Brot für die Welt ihre Ernährung langfristig selbst.

„Früher war es hier schwer zu leben. Niemand besuchte uns, nicht einmal Arbeit als Taglöhner bekamen wir“, blickt Tayitu zurück. Die Familie lebt in der Region West Oromia in Äthiopien. Es waren harte Zeiten. Damals hatten sie nie genug zu essen. Heute ist Tayitu stolze Besitzerin zweier Jungkühe.

„Business-Trainings“ für Bevölkerung

Sie habe an einem sogenannten „Business-Training“ von Brot für die Welt teilgenommen, so die Organisation, und außerdem fünf Hühner erhalten. Tayitu habe gelernt, wie Gemüse, Hülsenfrüchte und Getreide richtig angebaut werden, um am besten zu gedeihen. Jetzt könne sich die Familie das ganze Jahr über selbst ernähren, und hat sogar Erträge aus dem Verkauf von mehr produzierten Eiern und Getreide, so die Aussendung.

Die strukturellen Ursachen von Hunger und Mangelernährung waren bereits lang vor dem Coronavirus bekannt. Urpsung des Hungers sei „verfehlte Politik, die soziale Rechte und Arbeitsrechte beschneidet“. Seit über 50 Jahren setzt sich Brot für die Welt für die Stärkung der Rechte der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ein – und fordert die Umsetzung des Rechts auf Nahrung.

Zahl der Hungernden und Mangelernährten steigt

Die Zahl der Hungernden wird durch die Coronavirus-Pandemie ansteigen – bis zu 150 Millionen Menschen könnten nach Einschätzung der Welternährungsorganisation in Kürze zusätzlich von Hunger betroffen sein. Außerdem entfällt laut World Food Program durch die Schulschließungen für 310 Millionen Kinder das tägliche Schulessen, das für viele Schülerinnen und Schüler die einzige Mahlzeit des Tages war.

690 Millionen Menschen weltweit leiden an chronischem Hunger, die überwiegende Mehrheit davon im globalen Süden. In Afrika hungert fast jeder Fünfte (19,1 Prozent oder 250 Millionen Menschen), in Ostafrika sind es sogar 30,8 Prozent.

Caritas: Nobelpreis wichtiges Zeichen

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an das UNO-Welternährungsprogramm sei „ein sehr wichtiges Zeichen und verweist auf die wechselseitige Bedingtheit von Hunger und Konflikt bzw. von Ernährungssicherheit und Frieden“, so die Caritas Österreich am Donnerstag in einer Aussendung.

Auf Hunger aufmerksam zu machen, sei heuer besonders dringend. „Durch die Covid-19-Pandemie könnte sich laut UN-Welternährungsorganisation FAO die Zahl der Menschen, die weltweit an Hunger leiden, um bis zu 132 Millionen erhöhen“, warnte die Hilfsorganisation.

Mittel für Entwicklungshilfe erhöhen

Bedingt durch Rezession, Arbeitsplatzverlust, verringerte Kaufkraft und eingeschränkte Mobilität sorge die Pandemie insbesondere in den ärmsten Regionen der Welt für eine weitere Verschärfung des Problems. Daher ruft die Caritas anlässlich des Welternährungstages dazu auf, die langfristigen Mittel für Entwicklungshilfe zu erhöhen.

„Gerade Investitionen in kleinbäuerliche Landwirtschaft und Einkommenssicherung sind wichtig, um langfristig Hunger zu bekämpfen und Krisen wie jene, die durch Covid entstanden ist, zu bewältigen. Es gilt, die langfristige Hilfe aufzustocken um allen Menschen zur Seite zu stehen, die in Konfliktländern leben und durch mehrfache Krisen besonders von Armut betroffen sind“, appellierte Andreas Knapp, Generalsekretär für Internationale Programme der Caritas.

Der Anteil der direkten langfristigen Hilfe aus Österreich liegt derzeit bei unter zehn Prozent des gesamten österreichischen Entwicklungshilfebudgets.

Familien unterstützen

Wesentlich seien Aufklärungsarbeit und die Verteilung von Hygieneartikeln, die Durchführung von Klimaschutz- und Notfallmaßnahmen gegen Hunger sowie der Aufbau einer diversifizierten Landwirtschaft. „Die Erfahrung aus unserer Arbeit in den ärmsten Regionen Afrikas und Südostasiens zeigt, dass jene Familien, die wir seit Jahren unterstützen, besser durch den Lockdown gekommen sind als andere. Sie sind resilienter gegen unvorhersehbare Krisen von außen“, so Knapp.

„In Zeiten von Krisen und eingeschränkter Mobilität ist lokal verfügbare Nahrung das Wichtigste. Es ist das Gebot der Stunde, die arme ländliche Bevölkerung, die schon vor Covid am meisten von Hunger betroffen war, dabei zu unterstützen, dass ausreichend Nahrungsmittel, so lokal wie möglich, verfügbar sind.“