Karikaturenstreit

Nahost-Kirchen kritisieren Verspotten von Religion

Immer mehr Kirchenführer in der arabischen Welt äußern sich zu den Ereignisse in Frankreich rund um den Karikaturenstreit und der Ermordung eines Lehrers. Sie üben Kritik an Gewalt im Namen der Religion sowie an der Beleidigung von Religionen.

„Wir verurteilen alle Versuche, die Religionen herabzusetzen, sowie alle Gewaltakte in unserer Eigenschaft als Brüder, die einen Gott verehren und dasselbe Heimatland teilen“, heißt es laut Bericht der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in einer am Dienstagabend veröffentlichten Erklärung des Rates der Kirchenführer in Jordanien.

Die Mitglieder des Rates unterstreichen darin eine gemeinsame Forderung aller Religionen nach „Toleranz, Liebe, Harmonie, Respekt für andere und dem Verzicht auf die Beleidigung des religiösen Glaubens anderer“. Stattdessen gelte es, sich für eine Kultur des Dialogs, den Aufbau von Vertrauen und die Betonung gemeinsamer Werte einzusetzen. Unter anderem verweist der Rat auf ein interreligiöses Harmonie-Dokument, das der jordanische König Abdullah II. im Jahr 2011 auf der UN-Generalversammlung vorgestellt habe. Jordanien werde von der Welt als „Modell islamisch-christlicher Harmonie“ angesehen, das es zu schützen gelte.

Gegen Beleidigung und Gewalt

Auch der Patriarch der mit Rom unierten chaldäischen Kirche, Kardinal Louis Raphael I. Sako, rief zu Koexistenz und Brüderlichkeit auf. „Die chaldäische Kirche im Irak und in der Welt verurteilt alle Formen der Beleidigung von Religionen und der Verletzung religiöser Überzeugungen unter jedem Vorwand und prangert gleichzeitig alle Gewaltakte im Namen der Religion an“, heißt es in einer Stellungnahme von Mittwoch.

Ähnlich hatte sich am Dienstagabend der griechisch-orthodoxe Patriarch von Jerusalem, Theophilos III. geäußert. Der Vorsitzende des Rates der Kirchenoberhäupter des Heiligen Landes zeigte sich besorgt über eine zunehmende Polarisierung nach der „unglücklichen Abfolge der Ereignisse in Frankreich“, wo Beleidigungen des Islam zu einem Rachemord an einem Lehrer sowie zu Verbrechen gegen unschuldige muslimische Zivilisten geführt habe, so Theophilos. Den zivilisierten Dialog bezeichnete er „als einzige Interaktionsmethode, um die intellektuellen und ideologischen Lücken zwischen verschiedenen Religionen und Ideologien zu verringern“.

Lehrer ermordet

Die Äußerungen sind im Kontext der aufgeheizten Stimmung in Teilen der muslimischen Welt zu sehen. Mehrere arabische Regierungen kritisierten zuletzt den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der nach der Ermordung des französischen Lehrers Samuel Paty durch einen mutmaßlichen Islamisten Mohammed-Karikaturen im Rahmen der Meinungsfreiheit verteidigt hatte. Der ermordete Pädagoge hatte im Unterricht die Karikaturen gezeigt, um über das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu diskutieren.

Auch die französische Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ – sie hatte Anfang September zum Start der Justizprozesse gegen die dschihadistischen Paris-Attentäter von 2015 die Mohammed-Karikaturen erneut veröffentlicht – steht wieder im Fokus der Kritik.

Bischof: Verspotten „Anstiftung zum Hass“

So stellte sich in Ägypten laut Bericht der Zeitung „Egypt Independent“ (Dienstag) der anglikanische Bischof Munir Hanna Anis, verantwortlich für die anglikanische Kirche in Ägypten und Nordafrika, hinter die Entscheidung des Großimams der Kairoer Al-Azhar-Moschee, Scheich Mohammad Al-Tayyeb, Klage gegen „Charlie Hebdo“ einzureichen.

Meinungsfreiheit dürfe nicht dazu genutzt werden, die Gefühle anderer Menschen zu verletzen. „Das Verspotten religiöser Symbole wird nicht als Meinungsfreiheit angesehen, sondern als Anstiftung zum Hass, der Gesellschaften spaltet und zerstört“, so Anis bei Twitter.

Muslimerat erwägt Klage gegen „Charlie Hebdo“

Großimam al-Tajjeb, der in der vergangenen Woche die jüngste Terrortat von Paris verurteilte, zugleich aber die Wiederveröffentlichung der Mohammed-Karikaturen als Provokation kritisierte, hatte am vergangenen Sonntag vor einer systematischen Kampagne gegen den Islam und seine religiösen Symbole gewarnt. „Wir werden nicht akzeptieren, dass unsere religiösen Symbole Opfer von Wahlkämpfen in der Politik werden“, erklärte er gegenüber örtlichen Medien.

Demnach kritisierte der sunnitische Geistliche Versuche, islamische Symbole in politische Konflikte hineinzuziehen. Die politisch Verantwortlichen rief er auf, den bürgerlichen Frieden und soziale Harmonie zu wahren, Religionen zu respektieren sowie „Konflikte nicht im Namen der Meinungsfreiheit zu schüren“.

Mord an Lehrer verurteilt

Eine Klage gegen „Charlie Hebdo“ erwägt auch der Ältestenrat „Muslim Council of Elders“ mit Sitz in Abu Dhabi. Die Organisation bezeichnet die erneute Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen als „verletzend“, wie die ägyptische Zeitung „Al-Ahram“ am Dienstag berichtete. Der Rat kritisierte demnach eine „systematische Kampagne“ gegen Mohammed und die Heiligkeit des Islam unter dem Schlagwort der Meinungsfreiheit. Meinungsfreiheit sei aber mit der sozialen Verantwortung verbunden, die Rechte anderer zu respektieren und Religion nicht für politische Zwecke zu missbrauchen.

Gleichzeitig verurteilte der Rat die Ermordung des Lehrers Samuel Paty sowie den Messerangriff auf zwei Musliminnen nahe dem Pariser Eiffelturm. „Alle diese Vorfälle sind abscheulicher Terrorismus, egal wer sie begangen hat oder was ihre Motive waren“, zitierte die Zeitung. Die Muslime im Westen rief der Rat auf, sich an die Grundsätze des Zusammenlebens und des Friedens zu halten und ihren Beitrag zu deren Entwicklung in ihren Ländern zu verstärken. Der Ältestenrat wurde 2014 gegründet. Er will nach eigenen Angaben Spaltungen und Fehden innerhalb des Islam überwinden und menschliche Werte und Toleranz gegen extremistische Brandstifter verteidigen.