Allerheiligen/Allerseelen

Rituale zum letzten Abschied

Die Verabschiedung von Verstorbenen hat seit jeher große Bedeutung. Je nach Kulturkreis und Religion gibt es Rituale, die die Toten würdigen und die Trauernden begleiten sollen. Zentral ist dabei bei aller Unterschiedlichkeit der Vorgehensweisen die Würde des Menschen.

Während zum christlichen Feiertag Allerheiligen am 1. November an alle Heiligen erinnert wird, gedenken Katholikinnen und Katholiken am 2. November aller verstorbener Seelen. Traditionell werden an diesen Tagen Friedhöfe besucht und Gottesdienste gefeiert. Coronavirusbedingt finden die Feierlichkeiten heuer stark reduziert, bzw. mehr geistig als physisch statt. Christen glauben an die Auferstehung der Toten, das sei das Tröstliche, „dass es weitergeht“, sagte die römisch-katholische Pastoralassistentin Monika Loiskandl.

Sie ist Begräbnisleiterin in Wien und aus ihrer Sicht sind im Todesfall Gespräche mit den Angehörigen über die Verstorbenen – sowohl vor, als auch nach der Bestattung wichtig, um den Verlust zu verarbeiten. Meist übernehmen Bestattungsunternehmen die letzte Pflege. Dazu gehört eine Waschung, das Ankleiden und auch das Frisieren. Es wird darauf geachtet, dass der Verstorbene gepflegt ist.

Üblicherweise wird der Tote in einer Aufbahrungshalle aufgebahrt und ein Wortgottesdienst abgehalten. Der Sarg wird mit Weihwasser besprengt, Gebete werden gesprochen und es werden Ansprachen über die verstorbene Person gehalten. Danach begibt sich der Leichenzug zum Grab, wo die „Einsegnung“ stattfindet; der Sarg wird versenkt und mit Erde beschüttet. Traditionell beendet der „Leichenschmaus“ – das gemeinsame Essen der Verwandten und Freunde im Gedenken an die Verstorbene – das Begräbnis.

Grabsteine mit Kerzen und Blätterschmuck am Zentralfriedhof
APA/Herbert Neubauer
Zu Allerseelen gedenken Katholikinnen und Katholiken aller verstorbener Seelen

Monika Loiskandl beobachtet eine Verdrängung des Todes aus der Gesellschaft und auch, dass es immer mehr Begräbnisse gibt, an denen keine Trauergäste mehr teilnehmen. Außerdem erinnerte sie im Gespräch mit religion.ORF.at, dass früher zuhause aufgebahrt wurde und so die Möglichkeit zur Abschiednahme bestand. Verwandte und Nachbarn konnten kommen und sich und den Menschen verabschieden. Das Realisieren des Todes und der Abschied ist aus Sicht der Bestatterin und Thanatologin Christine Pernlochner-Kügler extrem wichtig. Die Thanatologie ist die Wissenschaft vom Tod, von griechisch thanatos – „Tod“.

Verabschiedung am offenen Sarg

Sie empfiehlt daher Abschiede am offenen Sarg, das heißt, die Hinterbliebenen können die verstorbene Person noch einmal ansehen. Dadurch werde der Tod weniger aus dem Leben verdrängt, so die Bestatterin. Gesamtösterreichisch werden Verabschiedungen am offenen Sarg eher selten praktiziert. In Pernlochner-Küglers Bestattungsunternehmen I. Neumair in Tirol liegt der Anteil allerdings bereits bei etwa 50 Prozent. Solche Abschiede werden aber nicht alleine gemacht, sondern angeleitet und begleitet.

Man orientiert sich dabei am psychologischen Konzept des Psychodramas: Es gibt zwei Räume – einen Verabschiedungs- und einen Distanzierungsraum – zwischen ihnen wird je nach Gefühlslage hin und her gependelt, bis nach etwa zwei bis drei Stunden der Tod realisiert und ein guter Abschluss gefunden werden kann. Oft sei es so, dass die Hinterbliebenen z.B. das Lieblingsgetränk des Verstorbenen mitbringen und dieses dann gemeinsam trinken. Auch diese Abschiede finden in Coronaviruszeiten reduziert statt.

Stupa der buddhistischen Abteilung am Wiener Zentralfriedhof
APA/Gerwin Haider
Der Stupa auf dem buddhistischen Friedhof am Zentralfriedhof in Wien

Dazu im Gegensatz steht die Herangehensweise von Buddhistinnen und Buddhisten. Aus ihrer Sicht braucht ein toter Mensch in erster Linie Ruhe – also so wenig Manipulation, wie möglich, um seinen Weg zu gehen. Buddhistische Verabschiedungszeremonien werden ohne Präsenz des Leichnams gefeiert. In wertschätzenden Gedanken werde die verstorbene Person gewürdigt und ihrer „liebevoll gedacht“, wie es auf der Website des mobilen Hospiz’ der Österreichischen buddhistischen Religionsgesellschaft (ÖBR) heißt.

Ruhe für den Weg

Am besten sollten Verstorbene möglichst lange so bleiben können, wie sie gestorben sind, sagte Marina Myo Gong Jahn, Vizepräsidentin der ÖBR und buddhistische Zeremonienmeisterin gegenüber religion.ORF.at.

Es gebe im Buddhismus auch keine Totenwache. Manchmal, so die buddhistische Nonne, würden Nonnen oder Mönche die Sterbenden und Toten mit Rezitationen begleiten. In Spitälern werde darum gebeten, verstorbene Buddhistinnen und Buddhisten mindestens vier Stunden in Ruhe zu lassen. Man geht im Buddhismus von Wiedergeburten aus, mit dem letzten Ziel, nicht mehr wiedergeboren zu werden. 49 Tage nach dem Tod wird auf Wunsch das Ritual des Loslassens, sowohl für den Verstorbenen als auch für die Angehörigen und Freunde, durchgeführt.

Aufbahrungshalle am ersten islamischen Friedhof in Wien
APA/Helmut Fohringer
Die Aufbahrungshalle des ersten islamischen Friedhofs in Wien

Im Islam geht es darum, jemand verstorbenen möglichst schnell zu beerdigen, auch, „damit sich die Familie beruhigt“, sagte Ibrahim Ali, Leiter des islamischen Friedhofs im 23. Wiener Bezirk. Innerhalb von 24 Stunden nach dem Tod wird begraben. Davor wird eine rituelle Waschung vorgenommen, das sei ein Ritual, das von religiös geschultem Personal durchgeführt wird, so Ali.

Begleitung mit dem Glaubensbekenntnis

Während ein spezielles Gebet gesprochen wird, wird der Tote in ein Tuch gewickelt. Sollte der Wunsch bestehen, die Person noch einmal zu sehen, müsse dies vor der Waschung geschehen, die Aufbahrung erfolge in einem geschlossenen Sarg. Man solle den Menschen in guter Erinnerung behalten, so Ali. Das Gesicht muss nach Mekka gewandt sein. Wenn der Tod absehbar ist, wird die sterbende Person von anderen Gläubigen mit der steten Wiederholung des muslimischen Glaubensbekenntnisses begleitet. Islamische Gräber sind nach Mekka ausgerichtet.

Jüdischer Friedhof im Burgenland
APA/Christian Gmasz
Im Judentum wird möglichst am Sterbetag noch begraben

Auch im Judentum wird schnell begraben, möglichst am Tag des Todes, wie Jaron Engelmayer, Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien in Gespräch mit religion.ORF.at ausführte. Eine Verabschiedung vom Toten gibt es aus jüdischer Sicht nicht, daher auch kein nochmaliges Anschauen des Verstorbenen.

„Den lebendigen Menschen im Herzen behalten“

Der Körper werde zwar gewürdigt als das „Gefäß“, in dem eine Seele sich entfalten konnte, aber man behalte „den lebendigen Menschen im Herzen und seine Werke in Erinnerung“, so Engelmayer. Die Seele überdauere, der Körper sei eine leblose Hülle.

Zu Ehren des Verstorbenen wird eine Totenwache abgehalten, allerdings muss diese nicht direkt bei dem Toten stattfinden. Vor der Beerdigung wird der Leichnam gewaschen und in mehrere spezielle weiße Tücher gewickelt. Dabei werden keine Unterschiede gemacht egal welchen Status er oder sie zu Lebzeiten hatte. Und auch der Sarg ist einfach gehalten.