Kardinal Christoph Schönborn im „ZiB“-Interview
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Anschlag in Wien

Religionsvertreter betroffen über Tat

Die österreichischen Bischöfe und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) haben in den Sozialen Medien mit Betroffenheit und der Versicherung, für die Opfer und die im Einsatz stehenden Sicherheitskräfte zu beten, auf den Anschlag in der Wiener Innenstadt reagiert.

Der katholische Kardinal Christoph Schönborn rief dazu auf, auf den Terroranschlag vom Montag nicht mit Hass zu antworten. „Der Hass kann auf keinen Fall die Antwort sein. Hass schürt Hass“, sagte Schönborn in der „ZiB“. Man müsse weiter den Weg der Solidarität, der Gemeinschaft und der Rücksichtnahme gehen. Für den Dienstag überlegt die katholische Kirche seinen Angaben zufolge einen Trauergottesdienst im Stephansdom.

In ganz Wien läuteten am Dienstag um 12.00 Uhr die Kirchenglocken im Gedenken an die Opfer des Anschlags. Zeitgleich fand „eine Minute des stillen Gedenkens“ statt, wie die Bundesregierung am Vormittag bekannt gegeben hat.

Kardinal Schönborn: „Hass darf keine Antwort sein“

Kardinal Christoph Schönborn Dienstagfrüh im „ZiB“-Interview

Gedenkgottesdienst im Stephansdom

Im Stephansdom wird am Dienstagabend um 18 Uhr ein Gedenkgottesdienst mit Vertretern von Religionsgemeinschaften stattfinden. Kardinal Christoph Schönborn, der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka, der orthodoxe Metropolit Arsenios, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich Ümit Vural sowie ein Vertreter der jüdischen Gemeinde werden dabei sein. ORF2 überträgt das gemeinsame Gedenken live im Rahmen einer ZiB-Spezial.

Fassungslos und entschlossen zugleich hat sich der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, zum Terroranschlag in Wien geäußert: „Welch irregeleitete, menschenverachtende Ideologie war da am Werke? Wahllos in friedlich versammelte Menschen zu schießen. Gläubige Menschen müssen diese Tat im Namen Gottes verurteilen, sich innerlich mit der ganzen Geistes- und Glaubenskraft dagegen stemmen“, so Lackner.

Hilfe via Telefon

Psychiatrische Soforthilfe für Wien, 24-Stunden-Hotline: +43 1 31330

Notfallpsychologischer Dienst Österreich, 24-Stunden-Hotline: +43 699 188 554 00

Lackner: Mitgefühl mit Betroffenen

Friede, ein von allen Religionen anerkanntes Grundwort des Glaubens, sei ein kostbares Gut. Dieses gelte es zu verteidigen, „nötigenfalls durch die dafür autorisierten Einrichtungen für Recht und Ordnung“. Das sei in dieser Nacht geschehen und „dafür sind wir dankbar“, so der Erzbischof und weiter: „Wir beugen uns nicht der Gewalt und werden nicht in die Alltäglichkeit flüchten.“

Der Bischofskonferenz-Vorsitzende weiter: „Unsere Gebete gelten in erster Linie den Opfern, unser Mitgefühl den Betroffenen, die einen lieben Menschen verloren haben, die Todesängste auszustehen hatten, den Trauernden und Weinenden, jenen, die verängstigt die Nacht verbringen mussten. Stehen wir zusammen mit dem Trost des Mitleids und der Hoffnung.“

Der Grazer Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl schrieb am Montagabend in einem Tweet: „Schrecklich, was sich heute Abend in Wien ereignet (hat). Danke allen, die sich in einer der Einsatzorganisationen für das Leben einsetzen! Meine Gebete gelten den Opfern, den Angehörigen und allen, die davon betroffen sind.“

Glettler: Gerade jetzt mehr Verbundenheit

Nur mit einem starken und belastbaren „Wir“ könnten die zukünftigen Herausforderungen gemeistert werden, so der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler. „Wir brauchen gerade jetzt mehr Verbundenheit über alle milieuspezifischen, kulturellen und religiösen Grenzen hinweg“, so Glettler am Dienstag in einem Statement. Es brauche mehr „soziale Freundschaft“ im Sinne von Papst Franziskus und mehr Aufmerksamkeit für „Menschen, die das Gefühl haben, auf der Verliererseite der Gesellschaft zu sein“.

TV-Hinweis

Im Stephansdom findet am 3. November um 18 Uhr ein Gedenkgottesdienst mit Vertretern von Religionsgemeinschaften statt. ORF2 überträgt das gemeinsame Gedenken live im Rahmen einer ZiB-Spezial.

Nach den Worten des Innsbrucker Bischofs ist es für alle „erschütternd, welches Ausmaß an Zerstörung von hasserfüllten und radikalisierten Menschen ausgehen kann“. Die Verwundbarkeit der offenen Gesellschaft in Österreich werde durch derartige Gewaltexzesse leider immer öfter vor Augen geführt, sagte Glettler. Er bekundete Mitgefühl für alle vom Terrorakt unmittelbar Betroffenen und versicherte sie seines Gebets.

Scharl dankt Polizeikräften

Der für die Wiener Polizeiseelsorge verantwortliche Wiener Weihbischof Franz Scharl dankte den Polizistinnen und Polizisten für ihren „selbstlosen und übermenschlichen Einsatz“ gegen den Terror in der Wiener Innenstadt. Er bete zudem für verletzte Kollegen, Todesopfer und deren Angehörige. Das Läuten der Pummerin um 12.00 Uhr in Wien sei ein Ausdruck dieses Anliegens, so Scharl.

Landau: „Liebe ist stärker als Hass“

Via Facebook reagierte der St. Pöltner Bischof Alois Schwarz, der eine Kerze postete und schrieb: „Erschreckende Meldungen erreichen uns aus Wien. Auch wenn das Ausmaß des mutmaßlichen Anschlages noch nicht vollkommen absehbar ist, meine Gedanken und Gebete gelten den Opfern und deren Familien.“

Der Feldkircher Bischof Benno Elbs appellierte, sich nicht von der Gewalt einschüchtern zu lassen: „Ein Anschlag wie dieser verneint alles, worauf wir in unserem Zusammenleben vertrauen dürfen: Respekt und Achtung voreinander, Freiheit und Sicherheit. Ein Gewaltakt wie dieser will unsere Angst, will, dass sie sich eingräbt in unser gesellschaftliches Gedächtnis und dass wir uns gegeneinander wenden“, so Elbs.

Militärbischof: „Dem Terror nicht beugen“

Seinen tiefen Dank für das Engagement der Einsatzkräfte brachte Militärbischof Werner Freistetter zum Ausdruck: „Die Einsatzkräfte, von Polizei über die Rettungskräfte und Ärzte bis zu den angeforderten Bundesheersoldaten haben seit den vergangenen Abendstunden Großartiges geleistet.“ Dieser Einsatz sei „auch ein Zeichen dafür, dass sich die österreichische Gesellschaft dem Hass und dem Terror nicht beugen wird“, so Freistetter.

Caritas-Präsident Michael Landau twitterte: „Ich bin in Gedanken und im Gebet bei den Opfern und ihren Angehörigen. Mein Dank gilt in diesen schweren und traurigen Stunden allen Einsatzkräften von Polizei, Rettung und Bundesheer, die unter Einsatz ihres Lebens das Leben Anderer schützen. Unsere Werte sind stärker als Gewalt und Terror. Liebe ist stärker als Hass.“

Altkatholiken verurteilen Gewalt

Die Altkatholische Kirche Österreichs hat nach dem Terroranschlag in Wien Trauer und Betroffenheit für dessen Opfer und deren Angehörigen bekundet. „Wir sind ihnen in diesen schweren Stunden im Gebet verbunden“, so die Kirche in einer Aussendung am Dienstag.

Gleichzeitig verurteilte die in Österreich anerkannte Kirche „jegliche Form von Gewalt“ auf schärfste. Dank sprach die altkatholische Kirche auch „den Einsatzkräften und allen aus, die das Funktionieren des Gesundheits- und Sicherheitswesens in unserem Land garantieren“. „Als Kirche stehen wir weiter vehement für Frieden und Dialog in unserer offenen, -multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft ein.“ Altkatholischer Bischof von Österreich ist seit 2015 Heinz Lederleitner.

Islamische Glaubensgemeinschaft „tief betroffen“

Ümit Vural, Präsident der IGGÖ, schrieb noch vor Mitternacht auf Twitter: „Wir wissen noch immer zu wenig. Was ich weiß: Meine Gedanken sind bei unseren Polizisten. Meine Gebete gelten den Verletzten.“

Auf der Facebookseite der IGGÖ hieß es zudem in der Nacht: „Tief betroffen und fassungslos verfolgen wir die Berichterstattung über die aktuellen dramatischen Geschehnisse in der Wiener Innenstadt. Unsere Gedanken sind in diesen Stunden bei den Betroffenen, ihren Familien und den Einsatzkräften. Mögen Sie den Einsatz wohlbehalten überstehen.“

Keine kollektiven Schuldzuweisungen

Die Theologin Susanne Heine und Tarafa Baghajati von der Plattform Christen und Muslime meldeten sich ebenfalls per Stellungnahme: „Der Terroranschlag, den Wien gestern Nacht erleben musste, ist ein neuer Beweis für die Notwenigkeit der engen Zusammenarbeit aller friedlichen Menschen ungeachtet ihrer religiösen oder nationalen Herkunft.“

Die Plattform Christen und Muslime trauere mit den Opfern und ihren Angehörigen und warne davor, nun kollektive Schuldzuweisungen zu betreiben. „Den extremistischen Verbrechen muss mit aller Härte entgegengetreten werden, ohne die Vielzahl friedlicher Muslime in unserem Land zu diskriminieren.“

Aleviten: „Abscheu und Entsetzen“

„Mit Abscheu und Entsetzen“ hat sich auch die Alevitische Glaubensgemeinschaft nach dem Terroranschlag in Wien zu Wort gemeldet. Sie verurteile die dahinterstehende Ideologie, „gleich wie auch sie immer begründet wird“, heißt es in einer Aussendung am Dienstag. Die Ermordung unschuldiger Menschen sei nicht zu rechtfertigen und „zutiefst zu verabscheuen“.

Die Aleviten – eine der 16 anerkannten Religionsgemeinschaften in Österreich – rief zu einem breiten Schulterschluss auf: „Unsere Aufgabe bleibt weiterhin die gemeinsame Positionierung und das Entgegenwirken mit Gleichgesinnten aus der ganzen Welt gegenüber Terrorismus und Gewalt.“

Chalupka: „Wien hält zusammen“

Der evangelische Bischof Michael Chalupka schrieb noch am Montagabend via Twitter: „Wenn die Worte versagen, bleibt mir nur das stille Gebet für die Opfer und ihre Angehörigen und die Helferinnen und Helfer. Wien hält zusammen für das Leben in dieser Stadt. Terror wird den Zusammenhalt nicht spalten!“

Nach Mitternacht gab auch der evangelisch-lutherische Superintendent von Wien, Matthias Geist, „zutiefst erschüttert“ eine Stellungnahme zu den Gewalttaten ab. Der Anschlag auf Passantinnen und Passanten in der Wiener Innenstadt wirke wie eine schreckliche, geplante Tat. „In jedem Fall ist sie eine unglaubliche Attacke auf ein friedliches Miteinander der Menschen in Wien. Mit vielen Menschen bin ich betroffen und schockiert über ein solches Ausmaß von Gewalt“, so der Superintendent, der in Verbundenheit mit den Opfern und ihren Angehörigen für sie bete.

„Wir bleiben solidarisch mit allen Kräften, die die Würde aller Menschen und die Unversehrtheit des Lebens fördern und erhalten. Wir werden auch weiterhin daran mitwirken, das demokratisch-rechtsstaatliche und vertrauensvolle Geschehen in unserer Großstadt zu erhalten und über alle Gesinnungsunterschiede hinweg zu festigen.“

Metropolit: „Österreich ist stark“

Tief betroffen zeigte sich auch der orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis). Sein Gebet sei bei den Opfern und den Einsatzkräften, so Kardamakis am Dienstagmorgen gegenüber Kathpress. Er verurteile den Anschlag zutiefst und danke der österreichischen Regierung und den Sicherheitsbehörden für ihr konsequentes Einschreiten. In einer solch schwierigen Situation gelte es zusammenzustehen. „Österreich ist stark“, so der Metropolit.

Kardamakis hob die Bedeutung der Menschenrechte und der Freiheit hervor, für die alle Menschen guten Willens gemeinsam einstehen müssten. „Gemeinsam und mit Gottes Hilfe und Kraft wollen wir den Weg des Friedens weitergehen und auch diese Krise überwinden.“

Der Metropolit hat seinen Sitz im ersten Bezirk, ganz in der Nähe des Schwedenplatzes, wo der Terroranschlag am Montagabend seinen Ausgang genommen hat. Alle Kirchenangehörigen seien wohlauf, viele stünden aber unter Schock, berichtete Kardamakis.

„Attentäter wollen Angst verbreiten“

„Die Attentäter wollen mit solchen Anschlägen Angst verbreiten. Doch das wollen und dürfen wir nicht zulassen. Unser Glaube gibt uns die Kraft, die Angst zu überwinden.“ Mit Religion habe ein solch furchtbares Verbrechen nicht das Geringste zu tun.

In der griechisch-orthodoxen Kirche in der Wiener Innenstadt wurde bereits am Dienstagmorgen für die Terroropfer und für den Frieden im Land gebetet.

Buddhisten: Aus vielen Quellen stärken

Der Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft (ÖBR), Gerhard Weißgrab, meldete sich in einer schriftlichen Stellungnahme: „Gestern Abend war Wien das Ziel von verbrecherischen Anschlägen gegen die Prinzipien unserer freien Gesellschaft.“ Er drücke sein tiefes Mitgefühl mit den Opfern und deren Angehörigen aus sowie „große Dankbarkeit den Sicherheitskräften und dem gesamten Gesundheitspersonal“ (…), welches hier einen großartigen Einsatz leistet.

„Wir alle sind nun gefordert, uns für den Erhalt und Schutz dieser freien Gesellschaft mit Entschlossenheit und geschickten Methoden einzusetzen. Das ist alles andere als eine einfache Aufgabe, aber wir finden, wenn wir uns bemühen, die richtigen Werkzeuge dafür. Dazu gibt es viele Quellen und wir sollten uns aus ihnen stärken.“ Weisheit und Mitgefühl seien die Maxime der Buddhalehre, "aber in diesem Zusammenhang finden wir auch im säkularen Bereich wichtige Methoden.

Weißgrab verwies auf Karl Poppers Werk über „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ sowie auf Michael Schmidt-Salomons Buch „Die Grenzen der Toleranz“. „Alle Teile unserer Gesellschaft sind von solchen Anschlägen direkt betroffen und daher ist es auch nötig, gemeinsam dagegen aufzutreten. Dialog und Zusammenarbeit steht an oberster Stelle“, so der ÖBR-Präsident.