2017 unterzeichneten 300 Imame aus Österreich eine Deklaration gegen Extremismus und Terror.
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Anschlag in Wien

Täter nicht in IGGÖ engagiert

Laut Ümit Vural, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), hat sich der Täter nicht unmittelbar in der muslimischen Gemeinschaft engagiert. Er war IS-Sympathisant. Vural verurteilte die „feige, abscheuliche Tat“.

„Wir sind immer noch zutiefst betroffen, erschüttert und fassungslos“, sagte er am Dienstag in einem Statement. „Es ist ein Angriff auf unser Wien“, sagte Vural zum Anschlag Montagabend. „Jetzt hat uns der Terror erstmals in unmittelbarer Nähe in unserer Bundeshauptstadt aufgesucht.“ Nun gelte es für die gesamte Gesellschaft, zusammenzustehen und gegen eine Spaltung aufzutreten. „Unsere liberale Rechtsordnung ist stärker als Gewalt und Terror“, meinte Vural.

Vural drückte auch das Mitgefühl der IGGÖ für die Opfer und deren Angehörige aus. Als er von dem Anschlag gehört habe, so der IGGÖ-Präsident, habe er sofort den Wiener Gemeinderabbiner angerufen, der ein Freund sei. Menschen wie der Attentäter würden der Islamischen Glaubensgemeinschaft am meisten schaden. Daher müsse man weiterhin verstärkt auf Prävention von Radikalismus sorgen.

Ümit Vural, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich

Ümit Vural sprach nach dem Terroranschlag in Wien von einer „abscheulichen Tat“.

Rhetorik der Menschen deuten lernen

„Derzeitiger Informationsstand“ in der IGGÖ sei, so Vural, dass der Täter „nicht aus unserer unmittelbaren Religionsgemeinschaft“ war. Der Imam und ehemalige Gefängnisseelsorger, Ramazan Demir, betonte, dass der Mann bereits in Haft gewesen sei, was ihn „umso trauriger“ mache, denn: „Gefängnisse sind Brutstätte der Radikalisierung.“ Es gelte weiterhin, Extremisten zu deradikalisieren.

Auch der Leiter der Kontaktstelle für Extremismusprävention in der IGGÖ, Nadim Mazarweh, plädierte dafür, entschlossen gegen Extremismus vorzugehen. Schon in den vergangenen Tagen sei in einschlägigen Foren erkennbar gewesen, „dass sich da was tut“, merkte er an. Es gelte, die Rhetorik dieser Menschen deuten zu lernen, um derartige Terroranschläge zu verhindern.

Muslime bieten Kooperation an

Die IGGÖ hatte nach dem Terroranschlag in Wien ihre uneingeschränkte Kooperation mit den Sicherheitsbehörden angeboten. Die Polizei könne jederzeit in Kontakt mit den Extremismus-Präventionsexperten der Glaubensgemeinschaft treten, sagte eine Sprecherin zur APA. Die IGGÖ werde noch am Dienstag mehrere Gremiensitzungen einberufen, kündigte die Glaubensgemeinschaft an.

IGGÖ-Präsident Ümit Vural
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IGGÖ-Präsident Ümit Vural zeigte sich tief betroffen von dem Anschlag und sagte: „Unsere liberale Rechtsordnung ist stärker als Gewalt und Terror“.

„Für uns ist es auch wichtig, ob es ein Zufall war, dass der Anschlag vor der Synagoge stattgefunden hat“, sagte die IGGÖ-Sprecherin zudem. Seit dem Abend des Anschlags sei man in ständigem Kontakt mit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG).

Verein ATIB „tief erschüttert“

Neben der Islamischen Glaubensgemeinschaft hat auch der türkische Moscheenverein ATIB den Terroranschlag in Wien scharf verurteilt. „Gestern Abend war die Wiener Innenstadt Schauplatz eines grausamen Anschlages, der uns alle tief erschüttert und mitgenommen hat, unsere Gedanken sind bei den Opfern, den Verletzten und ihren Angehörigen“, sagte Vorsitzender Fatih Yilmaz am Dienstag in einer Aussendung. Er dankte den Einsatzkräften und der Regierung.

Als beispielhaft bezeichnete Yilmaz „die differenzierte und bedachte Darstellung des Bundeskanzlers Sebastian Kurz, nicht alle Muslime über einen Kamm zu scheren“. Es seien herausfordernde Zeiten, die uns bevorstehen. „Wir sind mehr denn je angehalten unsere demokratischen Werte und unsere plurale Gesellschaft zu wahren“, befand der ATIB-Vorsitzende. „Terror hat keine Religion und keine Heimat, sie hat das alleinige Ziel, nämlich das Schüren von Ängsten und die Spaltung unserer Gesellschaft. Zusammenhalt und Solidarität können, die einzig richtige Antwort darauf sein.“

Täter war IS-Sympathisant

Der Anschlag geht laut Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auf das Konto mindestens eines islamistischen Terroristen. Der Attentäter sei ein Sympathisant der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gewesen, sagte Nehammer. Polizei und Innenministerium gehen von einem politischen Hintergrund aus. Unklar ist aber, ob der getötete Schütze Komplizen hatte. „Wir können derzeit nicht ausschließen, dass es noch andere Täter gibt“, so der Innenminister.

Der von der Polizei erschossene Täter ist laut „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk ein 20-jähriger gebürtiger Wiener mit albanischen Wurzeln. Der Mann sei dem österreichischen Geheimdienst bekannt, weil er einer von 90 österreichischen Islamisten gewesen sei, die nach Syrien reisen wollten, schrieb Klenk auf Twitter. Die Eltern des Verdächtigen seien aus Nordmazedonien und in Sachen Islamismus unauffällig. Dass er in Wien einen Terroranschlag geplant habe, habe die Polizei ihm nicht zugetraut, ergänzte Klenk.

Hilfe via Telefon

Psychiatrische Soforthilfe für Wien, 24-Stunden-Hotline: +43 1 31330.

Notfallpsychologischer Dienst Österreich, 24-Stunden-Hotline: +43 699 188 554 00

Nach dem Anschlag wurden mehrere Wohnungen durchsucht, die Wohnung des Täters wurde aufgesprengt. Mehrere Personen seien festgenommen worden, teilte die Polizei mit. 1000 Beamte sind nach Angaben des Innenministeriums in Wien im Einsatz.

Motiv unklar

Trotz der Verbindung zur Terrormiliz IS ist das konkrete Motiv für die Tat ebenso wenig bekannt wie ein Bekennerschreiben oder -video. Wollte der Schütze Panik im gut besuchten Ausgehviertel verbreiten oder hatte er sich die Synagoge als Ziel ausgesucht? Nach Angaben des Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, waren allerdings sowohl die Synagoge als auch das Bürogebäude an derselben Adresse zum Zeitpunkt der ersten Schüsse nicht mehr in Betrieb und geschlossen.

Angriffe an sechs Plätzen

Der Terrorangriff ereignete sich Montagabend, wenige Stunden vor Beginn des teilweisen Lockdowns in Österreich. Die ersten Schüsse fielen gegen 20.00 Uhr nahe der Hauptsynagoge in einem Wiener Ausgehviertel. Bewaffnet mit einem Sturmgewehr, einer Pistole und einer Machete sowie einer Sprengstoffgürtel-Attrappe feuerte ein Mann in die Menge und wahllos in die nahegelegenen Lokale.

Insgesamt wurden mindestens vier Passanten getötet, außerdem wurde ein Täter von der Polizei erschossen. Weit mehr als ein Dutzend Menschen wurden verletzt, sieben von ihnen nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA lebensgefährlich.

Nach Angaben der Polizei gab es sechs verschiedene Tatorte, darunter die Seitenstettengasse, den Morzinplatz, den Fleischmarkt und den Bauernmarkt. Einer der Orte liegt in der Nähe der Synagoge. Nach der Tat war die Wiener Innenstadt zeitweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr erreichbar. Weder Busse noch Bahnen steuerten Ziele im historischen Kern der Zwei-Millionen-Metropole an.