Mechaye Hametim

Novemberpogrome: Heuer stilles Gedenken

Eigentlich hätte rund um den 9. November heuer wieder die Bedenkreihe „Mechaye Hametim – Der die Toten auferweckt“ stattfinden sollen. Nun sind die Gedenkfeier durch die Coronavirus-Krise und den Terroranschlag in Wien gleich doppelt überschattet.

Zentral bei „Mechaye Hametim“ ist immer der ökumenische Gottesdienst in der Ruprechtskirche in der Wiener Innenstadt, genau dort, wo Montagabend der Terroranschlag in Wien verübt wurde. Der Gottesdienst bzw. weitere Veranstaltungen mussten coronavirusbedingt abgesagt werden, nun haben die Organisationen des Gedenkens ihre Betroffenheit über den Anschlag zum Ausdruck gebracht.

„In großer Betroffenheit und Trauer gedenken wir der Opfer des Terroranschlags der vergangenen Nacht. Deren Angehörigen gilt unsere tiefe Verbundenheit“, hieß es vergangene Woche in einer Stellungnahme. In Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft, die in solchen Situationen stets besonders bedroht ist, lade man deshalb gerade jetzt zum Gedenken der Novemberpogrome 1938 ein.

Gedenken „nicht abgesagt“

Denn auch wenn fast alle Veranstaltungen und Gottesdienste zum Gedenken an die Novemberpogrome abgesagt werden mussten, sei damit das Gedenken nicht abgesagt, so die Stellungnahme.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden im ganzen Deutschen Reich, also auch in Österreich, die Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte und Wohnungen verwüstet. Allein in Wien wurden im Zuge des Terrors insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser zerstört. 6.547 Wiener Jüdinnen und Juden kamen in Haft, knapp unter 4.000 davon wurden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Die Nationalsozialisten gaben diesem Tag den euphemistischen Ausdruck „Reichskristallnacht“. Mit dem Novemberpogrom radikalisierten sie die Vertreibung und Enteignung der jüdischen Bevölkerung.

Christlich-jüdisches Gedenken

„Mechaye Hametim“ ist eine gemeinsame Initiative der römisch-katholische Gemeinde St. Ruprecht in Wien, des Albert-Schweitzer-Haus – Forum der Zivilgesellschaft, der Evangelische Akademie Wien, der Evangelischen Hochschulgemeinde Wien, des Katholischen Akademikerverbandes Wien, der Wochenzeitung „Die Furche“, der Katholischen Aktion Österreich, des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit und der Theologischen Kurse Wien.

Eine Frau steht vor dem Holocaust-Denkmal von Rachel Whiteread auf dem Wiener Judenplatz
APA/AFP/Alexander Klein
Gedenken kann man zum Beispiel bei Rachel Whitereads Holocaust-Denkmal auf dem Wiener Judenplatz

Die Organisationen laden für den 9. November zu einem persönlichen Gedenken. Dazu gibt es am 9. November Hilfestellungen auf der Website des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Auf www.christenundjuden.org besteht unter anderem die Möglichkeit, Worte des Gedenkens auf den Blog „Gedenken der Novemberpogrome 1938“ zu posten.

Aufruf zu stillem Gedenken

Die Bevölkerung wird auch eingeladen, im Laufe des Tages in aller Stille Orte aufzusuchen, an denen es früher jüdisches Leben gab; also etwa Synagogen oder verschiedene Gedenkstätten. Eine weitere Möglichkeit: Beim Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Schoa auf dem Judenplatz eine Kerze zu entzünden.

Eine einzige geplante Veranstaltung der Bedenkreihe „Mechaye Hametim“ wird tatsächlich stattfinden, wenn auch nur online: das Podiumsgespräch „Trügerische Sicherheit: Sinn und Unsinn von Verschwörungstheorien“ mit der Philosophin Caroline Heinrich, dem Judaisten Armin Lange und Giulia Silberberger von „Der goldene Aluhut“. Die Veranstaltung findet am Mittwoch, 11. November, um 19.00 Uhr statt.