Kardinal Theodore McCarrick 2014, Messe in Newark, USA
Reuters/Gregory A. Shemitz
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Missbrauch

Vatikan legt Bericht zu Ex-Kardinal McCarrick vor

Der Vatikan hat seinen Untersuchungsbericht zum entlassenen US-Kardinal Theodore McCarrick vorgelegt. In dem am Dienstagnachmittag veröffentlichten Report geht es um die Frage, wie McCarrick trotz seit den 1990er Jahren umlaufender Gerüchte von moralischem Fehlverhalten Karriere machen konnte.

Grund dafür waren demnach Versäumnisse und Unterbewertungen unterschiedlicher Stellen. Es „seien Entscheidungen getroffen worden, die sich später als falsch herausstellten“, auch, weil nicht immer alle Befragten alles sagten, was sie wussten, heißt es in einem begleitenden Kommentar von Vatican-News-Chefredakteur Andrea Tornielli.

Neben dem 460 Seiten starken Bericht veröffentlichte der Vatikan auch eine Erklärung von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Eine entscheidende Etappe war dem Bericht zufolge die geplante Ernennung McCarricks zum Erzbischof von Washington und damit zum Kardinal. Eine schriftliche Befragung, die Papst Johannes Paul II. (1978-2005) damals anordnete, erbrachte dem Bericht zufolge zwar keine konkreten Beweise.

Warnung vor Versetzung

Dennoch rieten wegen kursierender Gerüchte der damalige Nuntius in Washington, Gabriel Montalvo, und der Leiter der Bischofskongregation, Giovanni Battista Re, davon ab, McCarrick in die US-Hauptstadt zu versetzen.

Ö1-Sendungshinweis

Der Bericht über Ex-Kardinal McCarrick ist auch Thema in „Religion aktuell“. Cornelia Vospernik berichtet aus Rom, 10.11.2020, 18.55 Uhr, Ö1

In einem persönlichen Brief an den päpstlichen Privatsekretär Stanislaus Dziwisz im August 2000 beteuerte McCarrick, „niemals sexuelle Beziehungen mit einer Person – Mann oder Frau, jung oder alt, Kleriker oder Laie“ gehabt zu haben. Johannes Paul II., der den Brief an Dziwisz las, habe McCarrick geglaubt. Dies, so der Bericht, sei auch dem Umstand geschuldet, dass der Papst aus seiner Zeit in Polen viele Fälle von Verleumdungen gegen Kleriker gekannt habe.

Rücktritt 2006

Nachdem im Herbst 2005 erneut Anschuldigungen gegen McCarrick wegen sexueller Belästigungen und Ausbeutung von Erwachsenen auftauchten, habe Papst Benedikt XVI. (2005-2013) den Rücktritt des kurz zuvor 75 Jahre alt gewordenen Kardinals als Erzbischof von Washington eingefordert und angenommen. Dieser geschah 2006.

Weil keine Anschuldigung wegen Missbrauchs Minderjähriger vorlag – die gab es erst 2017 -, eröffnete die Römische Kurie kein formelles Verfahren. Man beließ es bei einer mündlichen, später schriftlichen Ermahnung, McCarrick solle ein zurückgezogenes Leben führen. Der Kardinal reiste trotzdem weiter durch die Weltkirche, was Rom duldete.

Vorwurf des Missbrauchs eines Minderjährigen

Erst als im Sommer 2017 die erste konkrete Beschuldigung wegen Missbrauchs eines Minderjährigen in den 1970er Jahren in New York auftauchte, leitete der Vatikan ein Verfahren ein. An dessen Ende standen die Entlassung McCarricks aus dem Kardinalsstand im Juli 2018. Ein halbes Jahr später entließ Papst Franziskus den Ex-Kardinal auch später aus dem Klerikerstand.

„Wir veröffentlichen diesen Bericht mit großem Schmerz über die Wunden, die diese Geschichte den Opfern, ihren Angehörigen, der Kirche in den Vereinigten Staaten und der Universalkirche zugefügt hat“, schreibt Kardinalstaatssekretär Parolin in seinem Begleitbrief zu dem umfassenden Untersuchungsbericht.

Auch Opfer befragt

Einige der jüngsten vatikanischen Maßnahmen gegen Missbrauch und Vertuschung seien auch dem Fall McCarrick geschuldet, so Parolin. Insgesamt beruhe der Bericht auf allen „relevanten Unterlagen“ in den Archiven des Heiligen Stuhls, der Nuntiatur in Washington und der beteiligten US-Diözesen. Zudem seien Beteiligte, auch Opfer, mündlich befragt worden. Unabhängige Experten waren, soweit bekannt, mit dem Report nicht befasst.