Stift

Klosterneuburg: Missbrauch Grund für Leitung von außen

Der Vatikan hat Kurienerzbischof Josef Clemens mit der interimistischen Leitung des Stiftes Klosterneuburg beauftragt. Dass jemand von außen mit der Leitung des Stiftes betraut wurde, hat mit den Missbrauchsfällen zu tun.

Im entsprechenden Dekret der zuständigen Kongregation wird die Einsetzung des päpstlichen Delegaten mit der Feststellung begründet, dass der ehemalige Propst Bernhard Backovsky die Situation rund um den von Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern des Stiftes begangenen Missbrauch nicht angemessen gehandhabt habe.

Das sagte Stiftsprecher Walter Hanzmann am Donnerstag auf Kathpress-Anfrage. Nähere Angaben, um welche Missbrauchsfälle es sich handelt bzw. welche Handlungen im Anschluss nicht entsprechend gesetzt wurden, sind dem Dekret laut dem Stiftssprecher nicht zu entnehmen.

Stift Klosterneuburg
ORF.at/Johanna Grillmayer
Das Stift Klosterneuburg hat eine neue Leitung

Vorwürfe aus dem Jahr 1993

Das Stift Klosterneuburg sah sich jedenfalls vor einigen Jahren mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert, die in einem „profil“-Bericht erhoben wurden. Ein damaliger Augustiner-Chorherr habe 1993 einen minderjährigen Ministranten missbraucht, der Fall wurde 2017 öffentlich bekannt. Konkret wurde dem Stift Klosterneuburg angelastet, den Beschuldigten nicht der staatlichen Justiz zugeführt zu haben, über Jahre hinaus für seinen Unterhalt aufgekommen zu sein und ihn in seinem weiteren kirchlichen Karriereweg unterstützt zu haben.

Das Stift gab daraufhin einen Bericht in Auftrag, der 2018 gemeinsam mit einem Maßnahmenpaket gegen Missbrauch vorgelegt wurde. Es seien keine Beweise für bewusstes und zielgerichtetes Fehlverhalten des Stiftes ausgemacht worden, doch strukturelle Schwächen im Aufnahmeverfahren könnten den Fall begünstigt haben, hieß es.

Der ehemalige Probst von Stift Klosterneuburg, Bernhard Backovsky
APA/Stift Klosterneuburg
Ehemaliger Propst Bernhard Backovsky

Kritik an Bericht

Der Propst des Stiftes Klosterneuburg, Bernhard Backovsky, entschuldigte sich nach Fertigstellung des Berichts in einem persönlichen Gespräch mit dem Opfer „für die moralische Schuld, die das Stift allenfalls zu verantworten hat“, wie das Stift damals in einer Aussendung erklärte.

Die Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen kritisierte den Bericht scharf. Sachverhalte und Zeugenaussagen seien nicht intensiv genug geprüft worden. Die Expertengruppe habe nicht alle von der Initiative benannten Zeugen eingeladen und persönlich angehört. Zudem habe die Gruppe weder über einen erfahrenen Ermittler noch über einen Kirchenrechtler verfügt. Auch zweifelte die Initiative die Unabhängigkeit des Gremiums an.

Leiter wegen Coronavirus noch nicht vor Ort

Vergangenen Mai trat Backovsky in den Ruhestand. Sein Nachfolger, Erzbischof Clemens, besitzt als Päpstlicher Delegat Befugnisse wie ein Propst und fungiert zudem als gesetzlicher Vertreter des im Jahr 1114 gegründeten Stiftes. Er hat am Montag die Klosterneuburger Chorherren über seine Aufgabe informiert, wie Hanzmann sagte.

Dem Kurienerzbischof wird zur Unterstützung seiner Aufgabe der frühere Generalabt der Prämonstratenser-Chorherren, Thomas Handgrätinger aus der Abtei Windberg (Deutschland) zur Seite stehen. Weder Erzbischof Clemens noch der emeritierte Generalabt sind bisher aber in Klosterneuburg eingetroffen, was coronavirusbedingt wohl auch noch eine Weile so sein wird. Bis dahin wurde Stiftsdechant Benno Anderlitschka zur Koordination des täglichen Lebens und der Dienste im Stift subdelegiert.

Die Beauftragung von Bischof Clemens mit der Aufsicht erfolgte nach einer apostolische Visitation im Frühsommer, die vom früheren Abt von Stift Schlägl, Martin Felhofer, vorgenommen worden war. Der bisherige Klosterneuburger Propst Bernhard Backovsky war im Mai krankheitsbedingt zurückgetreten.