Der serbisch-orthodoxe Patriarch Irinej, Weihnachtsgottesdienst am 7. Jänner 2016
Reuters/Marko Djurica
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Coronavirus

Patriarch der serbisch-orthodoxen Kirche verstorben

Patriarch Irinej, das Oberhaupt der serbisch-orthodoxen Kirche, ist an Covid-19 gestorben. Das berichtete der serbische Präsident Aleksandar Vucic am Freitag auf seinem offiziellen Instagram-Account.

„Es war mir eine Ehre, Sie zu kennen. Menschen wie Sie gehen nie von uns“, schrieb Vucic unter einem Schwarzweißfoto von Irinej. Bei Patriarch Irinej (90), einem Konservativen, der auch großen politischen Einfluss ausübte, war am 4. November eine Infektion mit dem Coronavirus diagnostiziert worden.

Irinej hatte sich seitdem in einem Militärkrankenhaus in der Hauptstadt Belgrad in Behandlung befunden. Der Patriarch mit dem bürgerlichen Namen Miroslav Gavrilovic hatte ursprünglich aber keine Symptome gezeigt.

Infektion bei Begräbnis?

Irinej hatte am 1. November den Begräbnisgottesdienst für das serbisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt in Montenegro, Erzbischof Amfilohije, geleitet. Der Würdenträger mit dem bürgerlichem Namen Risto Radovic war Ende Oktober im Alter von 82 Jahren an den Folgen einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus verstorben.

Der Patriarch der serbisch-orthodoxen Kirche, Irinej, beim Begräbnisgottesdienst für das SPC-Oberhaupt in Montenegro, Erzbischof Amfilohije
Reuters/Stevo Vasiljevic
Patriarch Irinej beim Begräbnisgottesdienst für das serbisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt in Montenegro, Erzbischof Amfilohije

Gesundheitsexperten in Montenegro hatten gewarnt, dass das Virus sich während der Beisetzungsfeierlichkeiten für Amfilohije ausbreiten könnte. Daran nahmen tausende Menschen teil, ohne physische Distanz zu wahren. Die meisten anwesenden Geistlichen, darunter Irinej, trugen keinen Mund-Nasen-Schutz.

45. „Patriarch der Serben“

Irinej I. war der 45. „Patriarch der Serben“. Er wurde im Jänner 2010 Nachfolger des 95-jährig verstorbenen Pavle I. (1990-2009). Mehrfach bekannte er sich zur Ökumene und brachte auch für 2013 einen möglichen Papst-Besuch in Serbien ins Gespräch – zu dem es dann allerdings nicht kam. Das Führungsgremium der Kirche, der Heilige Synod, entschied sich einstimmig gegen eine Einladung des Papstes.

Etwa 85 Prozent der mehr als sieben Millionen Bürger des EU-Beitrittskandidaten Serbien gehören der orthodoxen Kirche an. 2015 konnte Irinej I. einen kircheninternen Machtkampf für sich entscheiden, als die Bischöfe der Absetzung des Oberhirten von Kanada, Georgije Djokic, zustimmten und damit dem Patriarchen den Rücken stärkten.

Angeführt wurden die Gegner der Suspendierung des kanadischen Bischofs Medienberichten zufolge von Bischof Irinej Bulovic (73) von Backa in Novi Sad. Nach dem Tod Irinejs gilt er nun auch als ein Nachfolgekandidat.

Bischofsernennung 1974

Mit dem bürgerlichen Namen Miroslav Gavrilovic wurde Irinej am 28. August 1930 im westserbischen Dorf Vidova geboren. Er besuchte das Seminar und die theologische Schule in Prizren/Kosovo. Anschließend studierte er in Belgrad Theologie. In den 1960er und 1970er-Jahren lehrte er als Professor in Prizren; zwischenzeitlich wurde er nach Studien in Athen zum Leiter der Mönchsschule im Kloster Ostrog in Montenegro ernannt. 1974 erfolgte die Ernennung zum Bischof von Moravica, 1975 zum Bischof von Nis.

Der serbisch-orthodoxe Patriarch ist unter anderem verantwortlich für die politische Positionierung seiner Kirche. Eine wichtige innerkirchliche Streitfrage ist die Zusammenarbeit mit der internationalen Staatengemeinschaft in der Kosovo-Frage. Weitere Themen sind die Haltung zur europäischen Integration Serbiens, zur Ökumene und zu einer Liturgiereform.

Kardinal Schönborn „tief betroffen“

Tief betroffen vom Tod des serbisch-orthodoxen Patriarchen Irinej zeigte sich Kardinal Christoph Schönborn. In einem Kondolenzschreiben an die Serbisch-orthodoxe Kirche hielt der Wiener Erzbischof fest: „In Trauer über den Heimgang eines der großen orthodoxen Patriarchen bin ich im Gebet mit der serbischen orthodoxen Kirche und dem serbischen Volk verbunden, das den Tod von Patriarch Irinej beweint.“

In schwierigen Zeiten habe Patriarch Irinej den Menschen in Südosteuropa, aber auch in der Diaspora in Nordamerika „unverdrossen die frohe Botschaft von der Auferstehung verkündet, die einzig tragende Antwort auf die drängenden Fragen nach dem Woher, Wohin und Wozu des Lebens“, so der Kardinal.

Blick über die Grenzen

Der Blick Irinejs sei dabei über die Grenzen der eigenen Kirche hinausgegangen, „war er es doch, der nach einer durch die politischen Entwicklungen mitbedingten Unterbrechung zur Wiederaufnahme des offiziellen theologischen Dialogs zwischen orthodoxer und katholischer Kirche auf internationaler Ebene im Jahr 2006 in Belgrad beigetragen hat“.

Irinej sei damals noch Bischof von Nis gewesen, so Schönborn: „Aus der Tatsache, dass diese serbische Stadt der Geburtsort von Kaiser Konstantin dem Großen war, hat er ökumenische Inspiration bezogen. Möge der Herr sein Zeugnis für die Wahrheit und sein pastorales Wirken reich belohnen.“

Bischof: „Großer Freund Österreichs“

Als „großen Freund Österreichs“ beschrieb der Wiener serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic) den verstorbenen Belgrader Patriarchen. Er habe große Bewunderung und Wertschätzung für den Wiener Erzbischof und Kardinal Franz König (1905-2004) gehegt, ebenso für seinen Nachfolger Kardinal Christoph Schönborn. Irinej habe es stets zu schätzen gewusst, wie sehr die katholische Kirche in Österreich die serbisch-orthodoxe Kirche im Land unterstütze, sagte Bischof Andrej im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress.

Schon vor Jahren habe man beschlossen, dass Kardinal Schönborn mit dem höchsten Orden der serbisch-orthodoxen Kirche ausgezeichnet werden soll. Bis jetzt sei es noch nicht dazu gekommen, und es sei bedauerlich, dass das nun nicht mehr Patriarch Irinej ausführen könne, so der Wiener serbisch-orthodoxe Bischof. Nachsatz: „Dann wird es aber sein Nachfolger tun.“

Treffen mit Schönborn 2018

Schönborn war zuletzt im November 2018 bei einem Besuch in Belgrad mit Patriarch Irinej zusammengetroffen. Der Patriarch zeigte sich damals vor allem dankbar dafür, dass die serbisch-orthodoxen Gläubigen in Österreich so gut aufgenommen würden und nun dort beheimatet seien. Positiv hob er auch hervor, dass die Erzdiözese Wien im Jahr 2014 die Kirche Neulerchenfeld an die serbisch-orthodoxe Kirche übergeben hatte. 2010 hatte der Patriarch zuletzt Österreich besucht.

Patriarch des Dialogs

Irinej sei für die Ökumene sehr offen gewesen, schilderte Bischof Cilerdzic gegenüber Kathpress. Der verstorbene Patriarch hätte sich auch sehr einen Besuch des Papstes in Serbien gewünscht, so Cilerdzic weiter. Er berichtete von einem Brief, den Irinej 2005 noch als Bischof von Nis an den damaligen serbisch-orthodoxen Patriarchen Pavle geschrieben hatte, und in dem er anlässlich des Jubiläumsjahres 2013 für eine große Feier appellierte, an der alle christlichen Kirchenoberhäupter hätten teilnehmen sollen, inklusive dem Papst.

Aussöhnung zwischen Serben und Kroaten

2013 wurde das 1.700-jährige Jubiläum des Mailänder Edikts begangen, mit dem den Christen im Römischen Reich unter Kaiser Konstantin Religionsfreiheit gewährt wurde. Die südserbische Stadt Nis war der Geburtsort Konstantins und stand im Zentrum der Jubiläumsfeierlichkeiten.

Wie Bischof Andrej weiter sagte, habe sich der Belgrader Patriarch auch um eine Aussöhnung zwischen Serben und Kroaten bzw. zwischen serbisch-orthodoxer und römisch-katholischer Kirche bemüht.

Metropolit Arsenios würdigt Irinej

Tief betroffen vom Tod des serbisch-orthodoxen Patriarchen Irinej zeigte sich am Freitag auch Metropolit Arsenios (Kardamakis). Unmittelbar nach der Nachricht vom Ableben des Patriarchen sei in der griechisch-orthodoxen Kathedrale zur Hl. Dreifaltigkeit in Wien bereits ein Totengedenken für den verstorbenen Patriarchen gefeiert und für ihn gebetet worden, so der Metropolit in einer auf der Website der Metropolis von Austria veröffentlichen Stellungnahme.

Für viele Jahrzehnte habe Patriarch Irinej der Kirche wertvolle Dienste geleistet, „allein 46 Jahre diente er als Bischof hingebungsvoll, aufopfernd und treu den ihm anvertrauten Menschen“, hieß es in der Stellungnahme und weiter wörtlich: „Durch alle politischen und gesellschaftlichen Stürme und Umbrüche hindurch, mit immer neuen, immer anderen Herausforderungen konfrontiert, bemühte er sich stets um die Verbreitung des Wortes Gottes, die Stärkung des Glaubens und der Gläubigen und um die Wahrung und Stärkung der Einheit und guten Zusammenarbeit der orthodoxen Kirchen.“