Kirchliche Beratungsstellen unterstützen Familien in Krisenzeiten

Die Coronavirus-Krise geht an Beziehungen und Familien nicht spurlos vorüber. Das zeigt sich auch bei den österreichweit rund 150 kirchlichen Beratungsstellen. Ihr Angebot wird aktuell stark nachgefragt.

„In Zeiten der Krise und Unsicherheit werden soziale Einsamkeit, Familien- und Paarkonflikte, aber auch das Aggressionspotenzial stärker spürbar“, erklärt Josef Lugmayr, Beziehungs-, Ehe- und Familienseelsorger in der Diözese Linz. Aus der Erzdiözese Wien heißt es, dass die Nachfrage seit dem ersten Lockdown im Frühjahr um rund 20 Prozent gestiegen ist. Ängste und Depressionen bei den Menschen nehmen demnach zu.

Durch die Coronavirus-Krise würden in den Beratungsgesprächen schon bisher vorhandene Themen noch stärker zutage treten, berichtete Günter Hanisch, der in der Wiener Erzdiözese für die Familienberatungsstellen zuständig ist am Wochenende im ORF-Radio.

Psychischen Probleme, Depressionen und Vereinsamung

Zu beobachten sei etwa eine Steigerung von psychischen Problemen, Depressionen oder Vereinsamung. Auch Paarkonflikte seien „rapide angestiegen“, sagte Hanisch. „Die waren schon vorher da, haben sich durch den Lockdown sicher verschärft und kommen jetzt vermehrt zur Sprache.“

Auch die Verbindung von Home-Office-Situationen und Kinderbetreuung führe oft zu großen Herausforderungen. Verstärkt Thema in der Beratung seien zudem die eingeschränkten Sozialkontakte und Einsamkeit, aber auch gesundheitliche oder finanzieller Ängste wegen der Corona-Situation.

Bewährte Strategien im Lockdown nicht verfügbar

In den Familien seien durch den Lockdown derzeit sonst „bewährte“ Bewältigungsstrategien für Konflikte nicht verfügbar, auch Ablenkungsmöglichkeiten würden plötzlich wegfallen, erklärte der Familienseelsorger Lugmayr in einem Beitrag auf dem Onlineportal der Diözese Linz.

Telefonseelsorge

Die Telefonseelsorge hilft Menschen mit Sorgen unabhängig von deren religiöser, politischer oder ideologischer Anschauung kostenlos und anonym. Sie ist telefonisch erreichbar unter 142 sowie im Chat und via Mail.

Medienvielfalt und Online-Technologien seien nicht nur unterstützend, sondern würden manchmal auch zur Last und zum Zankapfel, so Lugmayr, der mit „beziehungleben.at“ jene Abteilung leite, die die Beratungsarbeit in der oberösterreichischen Diözese koordiniert.

Belastet seien derzeit auch Personen im Gesundheits- und Pflegebereich. Sie stünden einerseits unter dem Erwartungsdruck, einsatzfähig zu bleiben, andererseits sind sie auch mit eigenen Ängsten konfrontiert und hohem emotionalem Stress ausgesetzt. Viele Menschen hätten zudem durch die Ausgangssperre ihre Kontakte sehr eingeschränkt und litten unter der Einsamkeit.

Zuspruch und Ermutigung

„Aus unseren Beratungsgesprächen mit den Menschen wissen wir, dass Zuspruch und Ermutigung im offenen Gespräch ein wirksamer Beitrag für das seelische Wohlbefinden sind und dass daraus wieder Hoffnung und Zuversicht entstehen“, sagte Lugmayr.

„Ein vertrauensvoller und wertschätzender Austausch im geschützten Rahmen mit einem kompetenten Berater, einer kompetenten Beraterin bewirkt vielleicht keine schnellen Lösungen und Veränderungen, schafft jedoch Erleichterung und schärft den Blick für neue Perspektiven: Das ist die Erfahrung vieler Klientinnen und Klienten, die jetzt zu uns kommen.“

Hilfe und Beratung online oder telefonisch

Beratungen sind derzeit in den kirchlichen Beratungsstellen unter Einhaltung der Coronavirus-Sicherheitsregeln möglich. Vermehrt werde aber auch am Telefon oder online per Videokonferenz beraten, schilderte Günter Hanisch von der Erzdiözese Wien im ORF-Interview. Manche der kirchlichen Einrichtungen bieten auch eine E-Mail-Beratung an.

Laut der systemischen Psychotherapeutin Gerda Fitz, die in einer kirchlichen Familienberatungsstelle in Wien Floridsdorf arbeitet, sind die eingeschränkten Sozial-Kontakte und Einsamkeit verstärkt Thema, oder etwa auch Ängste wegen der ganzen Coronavirus-Situation, sei es gesundheitlicher oder finanzieller Natur.

"Hilfreiche Gedanken sind, sich bewusst zu machen, dass diese Krise auch wieder ein Ende haben wird, oder auch Gedanken an eine konkrete Tagesstruktur. Und es geht um die Frage, ich mir helfen kann, dass es mir hier und jetzt besser geht. Kann ich jemanden anrufen, wenn ich mich einsam fühle? Oder, wenn jemand Ängste hat, kann es helfen, das mit jemandem zu besprechen, sagte Fitz.