Parlament in Wien
Reuters/Heinz-Peter Bader
Reuters/Heinz-Peter Bader
Gebetsfeier

Gebet für „Hoffnung“ im Parlament

Mit einer gemeinsamen Gebetsfeier am Dienstagabend wollten Religionsvertreter sowie Politiker und Politikerinnen ein „Zeichen der Hoffnung in der Krise“ setzen.

Die Gebetsfeier, zu der Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP) und das Komitee des Nationalen Parlamentarischen Gebetsfrühstücks geladen hatten, fand heuer nicht wie in den letzten Jahren mit über 200 Teilnehmern im Parlament statt, sondern coronavirusbedingt im kleinen Kreis und via Livestream aus dem Kleinen Redoutensaal in der Wiener Hofburg.

Im Vorfeld gab es von mehreren Seiten Kritik an der Veranstaltung. Katholische Jungschar und Katholische Jugend kritisierten, dass nicht „wesentlich breiter konfessions- und religionsübergreifend eingeladen wurde“, so der Jungschar-Vorsitzende Martin Hohl. Die Initiative Religion ist Privatsache bezeichnete das Gebet als „rein politisch motiviert“. SPÖ- und NEOS-Funktionsträgerinnen sagten ihre Teilnahme ab.

„Aus der Perspektive einer katholischen Theologin, Christin und Bürgerin dieses sich als säkular verstehenden demokratischen Staates regt sich massiver Widerstand“, schrieb Michaela Quast-Neulinger in einem „Presse“-Gastkommentar. Das politische Amt für das Ausrichten religiöser Veranstaltungen zu nutzen, überschreite klar Grenzen, so die Theologin.

„Überfraktionelles Moment“

„Wir sind nicht im Namen von Parteien, dem Parlament oder Institutionen zusammengekommen, sondern als Abgeordnete mit unserem je eigenen Glauben“, erläuterte die ÖVP-Abgeordnete und Organisatorin Gudrun Kugler zu Beginn.

Wichtig sei bei diesem Gebetstreffen, das heuer zum vierten Mal in Österreich stattfand und das in einer Tradition von inzwischen über 130 solcher bzw. ähnlicher Veranstaltungen in aller Welt stehe, die „Überfraktionalität, Überkonfessionalität und das religionsverbindende Moment“, so Kugler.

In einer Zeit der Krise sei ein solches Gebetstreffen eine „ganz wichtige Bereicherung“ und biete Orientierung und Perspektive aus dem Glauben, sagte Nationalratspräsident Sobotka zur Begrüßung.

Religionsvertreter per Video zugeschaltet

Nach kurzen Lesungen von Abgeordneten folgten eingespielte Videos von Religionsvertretern, die Gebete sprachen oder Gebetsanliegen formulierten. Darunter waren Kardinal Christoph Schönborn, der evangelische Bischof Michael Chalupka, der orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis), der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic), der koptische Bischof Anba Gabriel, der griechisch-katholische Generalvikar Yuriy Kolasa, Reinhard Kummer, Vorsitzender des Rates der „Freikirchen in Österreich“, und der Wiener Oberrabbiner Jaron Engelmayer.

Coronavirus-Pandemie im Mittelpunkt

Kardinal Schönborn lenkte in seinem Gebet den Blick auf die von der Coronavirus-Pandemie Betroffenen, auf Kranke, Pflegende und Angehörige sowie in Not geratene Menschen. Ihnen gebühre Solidarität und Hilfe, mahnte der Wiener Erzbischof. Die Repräsentanten der christlichen Kirchen stellten sowohl die gegenwärtige Krise und aktuelle Ereignisse als auch grundlegende Anliegen in das Zentrum ihrer Worte und Gebete.

„Hinter den Tabellen und Statistiken droht das Leid der Angehörigen zu verschwinden, verstummen die Lebensgeschichten der Verstorbenen, verklingen die Namen derer, die noch viel vor hatten, werden die Trauer und der Schmerz der Hinterbliebenen leise und rücken die Erinnerungen an die Momente des Glücks in den Hintergrund“, sagte der evangelisch-lutherische Bischof Chalupka.

„Weisheit Salomos für politische Verantwortungsträger“

Der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) erbat die „Weisheit Salomos für die politischen Verantwortungsträger“ sowie den Segen für die Schöpfung und die Menschen in ihrem Bemühen um das Gute. Der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej Cilerdzic erinnerte an den Anschlag in Wien am Allerseelenabend und betete für die Opfer, verbunden mit dem Dank an die Einsatzkräfte.

Der koptische Bischof Anba Gabriel schloss alle Menschen, die unter Verfolgung, Gefangenschaft, Exil und Sklaverei leiden, in sein Gebet ein. Besonders gedachte er der verfolgten Christen und sagte: „Gewähre ihnen ein Leben in Freiheit.“ Der Vorsitzende der Freikirchen in Österreich, Reinhard Kummer, betete für die an Covid-19 Erkrankten, Verstorbenen und ihre Hinterbliebenen. Und der griechisch-katholische Generalvikar Yuriy Kolasa sang gemeinsam mit seiner Familie den Psalm 116.

Raab: Religionen auch in Krisenzeiten „unersetzbar“

Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP) unterstrich in einer Video-Botschaft die Bedeutung des Dialogs zwischen Staat und Kirchen bzw. Religionsgesellschaften in Österreich. Gerade in der Krise habe sich das österreichische Modell „wieder als tragfähig erwiesen“, dankte Raab den 16 anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften für ihre Kooperation und die freiwillige Aussetzung öffentlicher Gottesdienste während des zweiten Lockdowns.

Gerade in Pandemiezeiten würde die Religion den Menschen „Kraft, Halt und Zuversicht“ geben. Mit ihrem umfangreichen Engagement auf spiritueller, sozialer und karitativer Ebene seien die Kirchen und Religionsgesellschaften daher „für Menschen gerade auch in Krisenzeiten unersetzbar“ und spielten eine „wesentliche Rolle für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Österreich“.

Klasnic: Kirchen und Orden waren mutig

Spirituelle Impulse kamen von der früheren steirischen Landeshauptfrau (ÖVP) und jetzigen Obfrau der Unabhängigen Opferschutzkommission, Waltraud Klasnic. In einem sehr persönlichen Statement blickte sie auf ihre Zeit als Politikerin sowie als Opferschutzanwältin und Präsidentin des Dachverbandes Hospiz Österreich zurück.

Dankbar zeigte sich Klasnic im Blick auf ihre inzwischen rund zehnjährige Tätigkeit als Unabhängige Opferschutzanwältin auf Einladung von Kardinal Schönborn und im Auftrag der Bischofskonferenz: „Die Kirchen und Orden sind mutig gewesen“.

Es dürfe auch in Zukunft „keinen Schlussstrich geben“ – Betroffene sollten auch zukünftig eine Anlaufstelle haben. Nicht umsonst werde das österreichische Modell auch von ausländischen Experten wie den deutschen Missbrauchsexperten Klaus Mertes oder Hans Zollner als Vorbild und „eine Blaupause wert“ bezeichnet.

Mayr-Melnhof: „Freundschaft mit Jesus“ als Schlüssel

Der Jugendleiter der Erzdiözese Salzburg und Gründer der auch in Kirchenkreisen als konservativ geltenden Loretto-Gemeinschaft, Georg Mayr-Melnhof, stellte die „adventliche Sehnsucht“ in das Zentrum seiner ebenfalls sehr persönlichen Ausführungen. Ausgehend von einer Glaubenskrise und Wüstenerfahrung als Jugendlicher zeichnete er den Weg seiner Gottsuche nach, die letztlich zur Gründung eines Gebetskreises 1987 in Wien führte, aus der in der Folge die Loretto-Gemeinschaft entstand.