Missbrauch

Vertuschungsvorwurf: Kardinal wendet sich an Papst

Der wegen Vertuschungsvorwürfen in einem Missbrauchsfall unter Druck stehende Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat sich einem Medienbericht zufolge an Papst Franziskus gewandt.

Woelki habe die Pfarrgemeinde- und Dekanatsräte des Kölner Erzbistums informiert, dass er den Papst zu prüfen gebeten habe, ob er eine Pflichtverletzung nach kanonischem Recht begangen habe, berichtete der „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Freitag-Ausgabe).

Woelki hatte eingeräumt, 2015 Missbrauchsvorwürfe gegen einen mittlerweile verstorbenen Priester nicht nach Rom weitergemeldet zu haben. Er begründete dies mit einer fortgeschrittenen Erkrankung des zu der Zeit bereits dementen Priesters sowie damit, dass das mutmaßliche Missbrauchsopfer ausdrücklich nicht an der Aufklärung mitwirken wollte.

Sprecher zurückgetreten

Der zurückgetretene Sprecher des Betroffenenbeirats des Erzbistums, Patrick Bauer, zeigte sich gegenüber dem „Stadt-Anzeiger“ „maßlos enttäuscht“ von den Geschehnissen in Köln. Die katholische Kirche insgesamt sei „nicht mal mehr ansatzweise in der Lage, adäquat mit dem Missbrauchsskandal umzugehen. Die Bischöfe sind nicht in der Lage zur Aufarbeitung, zu einem angemessenen Umgang mit den Betroffenen.“

Bauer war im November im Streit um ein Gutachten zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in Köln zurückgetreten. Woelki hält dieses Gutachten zurück, er hat mittlerweile ein neues Gutachten in Auftrag gegeben.

Der Kölner Bischof Rainer Maria Woelki
APA/dpa/Federico Gambarini
Kardinal Rainer Maria Woelki

Woelki: Rücktritt bei Fehlern

Der Fall ist für Woelki auch deshalb brisant, weil er bereits intern angekündigt hatte, zurückzutreten, falls ihm eine Beteiligung an Vertuschungen nachgewiesen werde, berichtete der „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Donnerstag. Zum Bericht des „Stadt-Anzeiger“ bekräftigte Woelki dies. „Sollte ich im konkreten Fall Fehler gemacht haben, werden diese klar benannt und ich werde danach handeln“, erklärte der Kardinal.

Die Vorwürfe betreffen dem Bericht zufolge auch Woelkis Vorgänger, den verstorbenen Kardinal Joachim Meisner. Woelki soll 2015 verfügt haben, dass den Missbrauchsvorwürfen gegen den Pfarrer nicht weiter nachgegangen, keine kirchenrechtliche Voruntersuchung eingeleitet und der Fall nicht nach Rom gemeldet werde.

Persönlich bekannt

Woelki kannte den mittlerweile verstorbenen Priester dem Bericht zufolge seit seiner eigenen Ausbildungszeit persönlich. Bei dem Missbrauch soll es sich um eine Tat an einem Jungen im Kindergartenalter in den 70er Jahren gehandelt haben.

Das Erzbistum erklärte, wegen eines zweiten Schlaganfalls und einer fortgeschrittenen Demenz sei eine Konfrontation des Priesters mit den Vorwürfen nicht möglich gewesen. Das vom Erzbistum als der „potenziell Betroffene“ bezeichnete mutmaßliche Missbrauchsopfer habe ausdrücklich nicht an der Aufklärung mitwirken wollen. Ein von Woelki beauftragtes neues Gutachten, das im März vorliegen soll, solle zeigen, wie der Sachverhalt strafrechtlich und kirchenrechtlich zu bewerten sei.

Bischof lässt Untersuchung prüfen

Ein Sprecher des Bischofs von Münster, Felix Genn, erklärte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, Genn lasse als der von Rechts wegen zuständige Bischof prüfen, ob gegen Woelki kirchenrechtliche Untersuchungen aufgenommen werden. Nach Vorgaben von Papst Franziskus aus dem Jahr 2019 ist dem Bericht zufolge Genn als dienstältester Bischof der Kirchenprovinz Köln dazu verpflichtet.

Genns Sprecher sagte der Zeitung, notwendig sei dafür, dass Genn „die Meldung erhält, dass der Metropolit es unterlassen hat, zivile oder kirchenrechtliche Untersuchungen gegen einen Kleriker, dem sexueller Missbrauch vorgeworfen wird, aufzunehmen.“ Genn werde „alle Schritte unternehmen, die kirchenrechtlich geboten sind“.

Kirchenrechtler: „Unentschuldbare Verfehlung“

Der Tübinger Kirchenrechtler Bernhard Anuth sagte dem Blatt, das Kirchenrecht biete bei der Frage einer Anzeige in Rom keinen Ermessensspielraum. Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte, so, wie das Erzbistum selbst die Abläufe und Entscheidungen Woelkis darstelle, habe es sich um eine „unentschuldbare Verfehlung im Amt“ gehandelt.

Im Erzbistum Köln sorgt der Missbrauchsskandal der katholischen Kirche seit einigen Wochen wieder für heftige Debatten. Woelki hält seit längerem die Veröffentlichung einer Studie zum Umgang der Verantwortlichen im Bistum mit Missbrauchsfällen zurück. Durchgesickert sind in der Studie erhobene Vertuschungsvorwürfe gegen den früheren Kölner Personalchef und jetzigen Hamburger Erzbischof Stefan Heße.